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Tradition2.pdf (Download) - Medienwissenschaft

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korrigiert, der ein Wahrscheinlichkeitssystem festlegt und die<br />

Signale so erst zur Botschaft uminterpretiert. An der Stelle<br />

macht es eine Differenz, ob es sich um Maschine-zu-Maschine-<br />

Kommunikation handelt oder um menschliche Augen und Ohren als<br />

Empfänger:<br />

Wenn der Empfänger ein Apparat ist, geschieht nichts, er hat keine dementsprechenden Instruktionen erhalten<br />

und betrachtet die Botschaft als Rauschen. Ist die Quelle ein Apparat, so darf ein menschlicher Empfänger an<br />

Rauschen denken. Wenn sie aber ein mensch ist, wird der Empfänger eine Absicht in der Formulierung der<br />

Botschaft vermuten und sich überlegen, welche das sein könnte. <br />

Beim Menschen kommt also die Sinnvermutung ins Spiel, die von<br />

der Information der Daten ablenkt. Diese Ablenkung sucht der<br />

medienarchäologische (im Unterschied zum<br />

medienanthropologischen) Blick zu parieren.<br />

Was einmal diskret kodiert wurde, läßt sich auch diskret<br />

wieder zurückrechnen - jenseits der Fragen des semantischen<br />

Sinns oder Unsinns. Der Spielfilm Enigma. Das Geheimnis (R:<br />

Michael Apted, 2001) läßt an einer Stelle eine englische<br />

Aufschreiberin der abgehörten deutschen Funksprüche, die<br />

Buchstabenketten notiert, an den begabten Kollegen<br />

Mathematiker (alias Turing) aus den Baracken von Bletchley<br />

Park fragen, ob er daraus Sinn zu machen verstehe:<br />

Diese gespenstische Vorstellung, wie da Tausende in den Äther hinauslauschten, um unverständliche<br />

Bucshtabenfolgen aufzuschnappen, fängt Apted in einer Szene auf, wo der Mathematiker von einer der fleißigen<br />

Abhörbienen gefragt wird, ob ihre Arbeit auch wirklich wichtig sei. Da tut sich plötzlich ein gähnendner<br />

Abgrund vom Irrwitz des Projekts auf, der flüchtigen Buchstabensuppe eine Form zu geben. 83<br />

In diesem Moment stehen Abhörpraxis und Tradition im<br />

nachrichtentechnischen Bund: Der Entzifferer der kretischmykenischen<br />

Schrift Linear B, Michael Ventris, war im Zweiten<br />

Weltkrieg als Navigator bei der Royal Air Force mit<br />

Decodierung befaßt, bevor er im Juni 1952 seine Hypothese<br />

verkünden konnte, daß die mit dieser Schrift verbundene<br />

Sprache das Altgriechische ist - eine aus dem Geist der<br />

Kryptologie.<br />

Bletchley Park nördlich von London war der Ort, an dem im<br />

Zweiten Weltkrieg Tausende von Menschen mit dem Auffangen,<br />

Archivieren und Entschlüsseln von deutschen Funksprüchen<br />

beschäftigt waren und damit einen Medienverbund formierten,<br />

ein Medium im nachrichtentechnischen Sinne. Tatsächlich aber<br />

hat erst das Meta-Medium Computer (der auf Turings<br />

Berechenbarkeits-These beruhende Colossus) die automatisierte<br />

Dechiffrierung einer Maschine, welche bei jeder Einstellung<br />

ihren Code änderte, ermöglicht, weil er sie in begrenzter Zeit<br />

berechenbar machte. Ein Moment im Film zeigt die Kodeknackerin<br />

Kate vor dem Exemplar der deutschen Enigma, der<br />

Chiffriermaschine, der sie abgefangene Funksprüche eingibt, um<br />

ihre Dekodierung herauszufinden. In einem solchen Moment sitzt<br />

83<br />

Filmrezension Michael Althen, Im Krieg ist ein Kuß nicht ein Kuß, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 22<br />

v. 26. Januar 2002, 42<br />

26

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