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Tradition2.pdf (Download) - Medienwissenschaft

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Nachrichtentheorie angelangt wären, dem ultimativen Schlußwort<br />

von Medienkultur.<br />

Geistersignale, telepathisches Rauschen<br />

Sind aus dem Rauschen eines Kurzwellenradios zwischen den<br />

Frequenzen sphärenhafte Anrufe und Botschaften herauszuhören?<br />

Im Film First Contact gelingt es Jody Foster, auf der<br />

teleskopischen Suche nach Kommunikation mit Außerirdischen<br />

eine 1936 im damaligen Fernsehen übertragene Hitler-Rede zur<br />

Olympiade in Berlin per Satellitenschüssel aus dem Weltraum<br />

empfangen, wo die Signale zeitversetzt strahlen. 104<br />

Eine Szene in Homers Odyssee konfrontiert den Protagonisten<br />

mit den Toten im Hades, von denen er Auskunft über die<br />

Möglichkeit seiner Rückkehr in die Heimat zu erfahren hofft:<br />

Unentwirrbares Geschrei dröhnt ihm entgegen. Es genügt nicht, nur den Speicher einzuschalten. Odysseus<br />

benötigt eine Suchmaschine, mit der er den unstrukturierten Lärm dekodieren kann. Diese Suchmaschine ist das<br />

lineare Erzählen. Um überhaupt etwas verstehen zu können, zieht Odysseus sein Schwert . Er zwingt die<br />

Verstorbenen "in Ordnung und Reihenfolge, nötigt jede und jeden, sich zu identifizieren, und befragt auf diese<br />

für ihn sinnvoll werdende, ihn sinngewiss machende Weise alle. Wenn sich der weiße Lärm der Vergangenheit<br />

nicht in Farben und Konturen, in eine Reihe von Stimmen ordnet, die man Name für Name, Geschichte für<br />

Geschichte anhören kann, lösen die Bilder der Vergangenheit sich ineinander auf und verlieren die Form, in der<br />

das Ich sich an sie und sie an sich selbst zu erinnern vermag. 105<br />

Narration also ist das Medium, aus Rauschen Geschichte(n) zu<br />

machen - in diesem Falle eine von Odysseus gewaltsam<br />

durchgesetzte lineare Textstrategie, die auch von Alexander<br />

Kluge und Oskar Negt in Kapitel III von Geschichte und<br />

Eigensinn beschriebene "Gewalt des Zusammenhangs".<br />

Die Ethnologie kennt den Begriff des „Ahnenmediums“, welches<br />

zwischen Vergangenheit und Gegenwart medial (musikalisch etwa)<br />

vermittelt und somit Tradition herstellt. 1959 glaubt<br />

Friedrich Jürgensen beim Abhören von auf Tonmband<br />

aufgenommenen Vogelstimmen die zudem hörbaren überraschenden<br />

Geräusche, denen er Signalwert zuschreibt, als Sprechfunk mit<br />

Verstorbenen interpretieren zu dürfen (so der Titel seines<br />

Buches); Thomas Alva Edison hat mit solcher Kontaktaufnahme<br />

experimentiert.<br />

Im 19. Jahrhundert arbeitet die Photochemie am Bild,<br />

verrauscht es, ver- oder zerstört es. Hier handelt es sich<br />

104<br />

Siehe auch Jeffrey Sconce, The voice from the void. Wireless, modernity and the distant dead, in:<br />

International Journal of Cultural Studies Bd. 1, Heft 2 (1998), 211­232<br />

105<br />

Klaus Bartels, Erinnern, vergessen, entinnern. Das Gedächtnis des Internet, in: Lab. Jahrbuch 2000 für Künste<br />

und Apparate, hg. Kunsthochschule für Medien Köln gemeinsam mit dem Verein der Freunde der KHM, Köln<br />

(König) 2000, 7-16 (11), unter Bezug auf: Wolfram Malte Fues, Re-membering, Dis-membering: Fictionality and<br />

Hyperfiction, in: Thomas Wägenbauer (Hg.), The Poetics of Memory, Tübingen 1998, 391-398; Bartels zitiert<br />

hier nach dem deutsche unveröff. Typoskript: Erinnerung, Entinnerung, 4f<br />

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