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Tradition2.pdf (Download) - Medienwissenschaft

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Optimierung. 136 Drastisch wurde die Kopplung von Gedächtnis und<br />

Kapital im Streit um die Auszahlung deutscher Stiftungsgelder<br />

an ehemalige polnische Zwangsarbeiter im III. Reich, Sommer<br />

2001: Zum Zeitpunkt des realen Geldtransfers und der<br />

Auszahlung hatte die Inflation des polnischen Sloti (die<br />

Auszahlungwährung) bereits einen Teil der Summe (des Wert ins<br />

deutscher Mark) zunichte gemacht. So eng gekoppelt ist der<br />

Diskurs von Gedächtnis an Übertragung.<br />

Die Metapher ist die rhetorische Figur der Übertragung.<br />

Schiffe bilden Metaphern der Übertragung und Speicherung<br />

zugleich: "Sie sind Mittel zum Aussenden wie zum Einsammeln<br />

, metaphorisch naturgemäß, denn metaphora, translatio<br />

oder Übertragung bedeuten allesamt das Schiff." 137 An eine<br />

neue Funktion der Arche Noah erinnern die Medienarchive der<br />

Gegenwart, die nicht mehr primär speichern, sondern als<br />

Produktionsarchive der Sendeananstalten ihrer permanenten<br />

Reaktivierung harren. In der textfixierten Kultursemiotik wird<br />

Kultur - zumal die europäische, abendländische – als Funktion<br />

ihres Gedächtnisses definiert. Demgegenüber war das 20.<br />

Jahrhunderts zunehmend von audiovisuellen Medien bestimmt,<br />

deren Wesen – technisch und ästhetisch - nicht mehr primär in<br />

der Speicherung, sondern in der Übertragung liegt - ein neuer<br />

Begriff von Tradition. Zwar entdeckten gerade die vormals<br />

flüchtigen Medien Fernsehen und Radio zur Jahrtausendwende das<br />

Kapital ihrer Produktionsarchive; der Computer aber und seine<br />

kommunikative Infrastruktur, das Internet, lassen die<br />

traditionellen Speicher-Metaphern obsolet erscheinen. Am Ende<br />

steht das Plädoyer für einen Begriff von Medienkultur, deren<br />

Akzent sich von der Speicherung hin zu einer Ästhetik, Technik<br />

und Politik der Übertragung verschiebt.<br />

Man denke nur an Ernst Jüngers hypermediennahe Theoriefiktion des Phonophor. Der Phonophor ist ja ein<br />

Allsprecher, der jeden mit jedem verbindet und damit das alte Ideal des pausenlosen Forums, der permanenten<br />

Tagung technisch implementiert; er ermöglicht die planetarische Volksversammlung genauso wie die instantane<br />

Volksbefragung. Der Phonophor ersetzt Identitätskarte, Uhr und Kompaß; er vermittelt die Programme aller<br />

Sender und Nachrichtenagenturen und gibt über ein Zentralarchiv Einblick in alle elektromagnetisch<br />

gespeicherten Texte. 138<br />

Übertragung wird zu immediater Induktion verkürzt. Niklas<br />

Luhmanns Kommunikationstheorie weist die energetische<br />

Übertragungsmetapher energisch zurück, um Kommunikation<br />

vielmehr kybernetisch als Emergenz der wechselseitigen<br />

Kopplung von Strukturen darzustellen. Erich Jantsch hat<br />

Kommunikation nach der physikalischen Analogie des<br />

Resonanzphänomens beschrieben: Schwingungen in einem Spektrum<br />

136<br />

In diesem Sinne der Beitrag von Torsten Meyer (be2act GmbH, eine<br />

TV/iTV/Internetdienstleistungsgesellschaft in Hamburg) zur Fachveranstaltung Medienkonvergenz im digitalen<br />

Zeitalter im Rahmen der IFA Convention (Internationale Funkausstellung Berlin), ICC Berlin, 28. August 2001<br />

137<br />

Bojan Budisavljevic, Die Überfahrt, ein Dichtertod: Hart Crane, in: Aufbrechen Amerika. Der Katalog, hg. v.<br />

d. Stadt Bochum 1992, 235. Vgl. Michel de Certeau, Kunst des Handelns, Berlin 1988, 209ff<br />

138<br />

Norbert Bolz, Am Ende der Gutenberg Galaxis: die neuen Kommunkationsverhältnisse, München (Fink)<br />

1993, 227<br />

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