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Tradition2.pdf (Download) - Medienwissenschaft

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Nicht von ungefähr greift Jules-Étienne Marey zu einer<br />

epigraphischen Metapher, um die Entzifferung der Schrift der<br />

Natur - die er mit seinen physiologischen Meßinstrumenten<br />

(appareils enregistreurs) erst in das Regime der Schrift<br />

zwingt - zu illustrieren:<br />

S´il fallait absolument une métaphore, j´aimerais mieux comparer l´étude des sciences naturelles au travail des<br />

archéologues qui déchiffrent des inscriptions écrites dans une langue inconnue; qui essayent tour à tour plusieurs<br />

sens à chaque signe, s´aidant à la fois des conditions dans lesquelles chaque inscription a été trouvée, et de l<br />

´analogie qu´elle présente avec des inscriptions déjà connues, et n´arrivent enfin qu´en dernier lieu à la<br />

connaissance des principes à l´aide desquels ils enseigneront à d´autres à déchiffrer cette langue. 23<br />

Diesem Schweigen gegenüber steht die Aufzeichnung der<br />

menschlichen Stimmlaute selbst, etwa durch Edouard Léon Scotts<br />

1857 patentierten Phon-Autographen ;<br />

hier schreibt sich die Natur als Stimme, und zwar analog zur<br />

Handschrift, so wie jedes Medium, McLuhan zufolge, ein anderes<br />

Medium zum Objekt hat: "Scotts Meßschreiber aber ließ sehen,<br />

was nur zu hören gewesen war und viel zu rasch für<br />

unbewaffnete Augen: hunderte von Schwingungen pro Sekunde"<br />

. Kittler erinnert an das<br />

experimentalphonetische Vorbild des modernen Pygmalion in<br />

George Bernhard Shaws Drama Pygmalion (1912), Professor<br />

Higgins. "Im modernen Pygmalion werden Spiegel oder Statuen<br />

unnötig; die Tonspeicherung ermöglicht einem jeden, daß er<br />

`seine eigene Stimme oder seinen eignen Vortrag in der Platte<br />

wie in einem Spiegel beobachten kann ´." 24<br />

Kanal / Übertragungswahrscheinlichkeit<br />

Wir treffen auf die unbeschriebenen Blätter im Buch der<br />

Geschichte; weißes Rauschen aber ist ein idealistischer<br />

Zustand, weil es ihn physikalisch nicht gibt. "Das Rauschen<br />

ist eine Störung, die im Kanal auftritt und die physische<br />

Struktur des Signals verändern kann" 25 - dem die Kodierung, d.<br />

h. die Übersetzung als Abstraktion in einen logischen Raum<br />

(Code, Zeichen) zu entrinnen sucht.<br />

Der Prozeß, der die Übertragungen von im Gedächtnis einer Generation enthaltenen Informationen in das<br />

Gedächtnis der nächsten erlaubt, kann als Kernfrage der menschlichen Kommunikation überhaupt angesehen<br />

werden. Beispielsweise werden "Geräusche" ­ d. h. Elemente, die bei der Übertragung in die Botschaft<br />

eindringen, ohne im Repertoire der Codes enthalten zu sein ­ im Fall der "natürlichen" Kommunikation zu<br />

23<br />

Étienne Jules Marey, Du Mouvement dans les Fonctions de la Vie, Paris (Baillière) 1868, 24<br />

24<br />

Kittler 1986: 45, unter Bezug auf: Rudolph Lothar, Die Sprechmaschine. Ein technisch-aesthetischer Versuch,<br />

Leipzig 1924: 48f<br />

25<br />

Umberto Eco, Das offene Kunstwerk, 5. Aufl. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1990, Kapitel „Offenheit, Information,<br />

Kommunikation“, 90-153 (93)<br />

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