Forschung für die Nachhaltigkeit - Fona
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FÖRDERZIELE IM DETAIL Aktionsfeld 4<br />
33<br />
Börsencrashs erreichen auch europäische Finanz- und Arbeitsmärkte.<br />
Krankheiten wie AIDS und SARS betreffen Länder rund<br />
um den Erdball. Die Welt ist kleiner geworden.<br />
Dem Weltmarkt eine soziale und ökologische Richtung<br />
geben<br />
Die Ursachen, Wirkungsmechanismen und Folgen der Globalisierung<br />
lösen euphorische Zukunftsvisionen ebenso wie diffuse<br />
Ängste aus. Einerseits wird behauptet, dass ein liberalisierter Freihandel<br />
entlang „komparativer Kostenvorteile“ Industrie-, Schwellen-<br />
und Entwicklungsländern gleichermaßen zugute komme.<br />
Andererseits warnen immer mehr Stimmen in Praxis und Theorie<br />
vor ökonomischen Globalisierungsverlierern in Nord und Süd.<br />
Wie müsste ein Welthandelsregime beschaffen sein, das eine<br />
möglichst große Anzahl von Menschen an den erhofften Wohlfahrtssteigerungen<br />
teilhaben lässt? Oder brauchen wir etwa eine<br />
Eindämmung globaler Finanz-, Waren- und Dienstleistungsströme<br />
mittels Rationierung bzw. Steuern?<br />
Die zu beobachtende Abkoppelung des wirtschaftlich-technologischen<br />
Handelns von den gesellschaftspolitischen Anstrengungen<br />
stellt <strong>die</strong> Wirksamkeit nationaler oder gar europäischer<br />
Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Frage. Ein institutioneller<br />
Wettbewerb, der sich zum einen im Deregulierungswettlauf<br />
und zum anderen in deutlichen Senkungen von Unternehmens-<br />
und Kapitalertragsteuern niederschlägt, hat mittlerweile<br />
eingesetzt. Dabei ist offen, ob letztendlich Volkswirtschaften mit<br />
vereinheitlichten Standortfaktoren im globalisierten Wettbewerb<br />
bestehen werden oder solche Länder, <strong>die</strong> mittels Differenzierung<br />
und Innovation ein unnachahmliches Profil entwickeln.<br />
Analog zu den Produktmärkten erwarten Optimisten eine<br />
effizientere Umwelt- und Sozialpolitik durch einen internationalen<br />
institutionellen Wettbewerb zwischen disziplinierteren<br />
Nationalregierungen. Kritiker einer deregulierten Globalisierung<br />
befürchten dagegen eine umwelt- und sozialpolitische Abwärtsspirale,<br />
bei der sowohl nationale als auch internationale Spielräume<br />
für Umverteilung und <strong>Nachhaltigkeit</strong> erheblich eingeschränkt<br />
werden.<br />
Der Druck auf <strong>die</strong> sozialen Sicherungssysteme in den Industrieländern<br />
sowie <strong>die</strong> weltweite Zunahme von Migrationsbewegungen<br />
und Verkehrsleistungen verdeutlichen <strong>die</strong> sozialen und<br />
ökologischen Schattenseiten der zunehmenden wirtschaftlichen<br />
und technologischen Verflechtung. Stellen Öko- oder Sozialstandards<br />
moderne Formen des Protektionismus dar oder können sie<br />
<strong>die</strong> Nebenwirkungen der Globalisierung abfedern, sofern ihnen<br />
überhaupt weltweite Geltung verschafft werden kann? Wie verhalten<br />
sich Sozial- und Ökostandards zur gleichzeitigen Forderung<br />
nach einer einseitigen Öffnung des EU-Marktes für Produkte<br />
der Entwicklungsländer?<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sforschung schlägt den Bogen vom Verständnis<br />
der Globalisierung zur Suche nach Problemlösungen für eine<br />
nachhaltigere Gestaltung der Globalisierungsprozesse. Eine handlungsorientierte<br />
<strong>Forschung</strong> muss aufzeigen, wie <strong>die</strong>se Verantwortung<br />
durch supranationale Institutionen, völkerrechtlich verbindliche<br />
Konventionen und Regeln, nationale Vorreiterschaft und<br />
Global Governance<br />
Weltweite Sozial- und Umweltprobleme sind so virulent<br />
geworden, dass wir <strong>die</strong> Herausbildung einer Weltregierung<br />
(Global Government) zur Lösung <strong>die</strong>ser Probleme<br />
nicht abwarten können. Vielleicht ist das auch gut so.<br />
Denn zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
versprechen sich von einem Wettbewerb der<br />
Ideen, Institutionen und dezentralen Handlungskonzepte<br />
zwischen vielfältigen staatlichen und nicht-staatlichen<br />
Akteuren (Governance) viel schnellere und wirksamere<br />
Verbesserungen als durch zentralisierte und schwerfällige<br />
Abstimmungsprozesse. Fehlt eine überstaatliche Instanz,<br />
lassen sich dabei oft nur Minimalkompromisse erzielen,<br />
wie viele internationale Vereinbarungen gezeigt haben<br />
(Kyoto; Johannesburg). Wirtschaftlich schwächere Länder,<br />
<strong>die</strong> möglicherweise eine viel größere Einwohnerzahl<br />
repräsentieren, partizipieren zudem in der Regel unterproportional<br />
an der Entscheidungsfindung.<br />
Vielversprechend erscheinen deshalb dezentrale Ansätze,<br />
bei denen beispielsweise einzelne Nationalstaaten Lösungen<br />
entwickeln und umsetzen oder in größere, internationale<br />
Zusammenhänge einbringen. So werden z.B. national<br />
erprobte Konzepte der ökologischen Besteuerung oder<br />
der Förderung erneuerbarer Energien von anderen Ländern<br />
aufgegriffen und weiterentwickelt. Neben staatlichen<br />
Pionieren gewinnen Nichtregierungsorganisationen<br />
zunehmend an Bedeutung. Global agierende Unternehmen,<br />
schlagkräftige Umweltorganisationen und sozialpolitische<br />
Interessengruppen beeinflussen gesellschaftliche<br />
Debatten. Auch <strong>die</strong> UNO bezieht nicht-staatliche Akteure<br />
zunehmend in ihre Entscheidungsprozesse ein.<br />
Andere warnen jedoch vor einer „Governance-Euphorie“.<br />
Sie fragen insbesondere nach der demokratischen Legitimation<br />
nichtgewählter Interessengruppen und nach der<br />
Organisierbarkeit unterschiedlicher Interessen. So lassen<br />
sich sehr spezifische Partikularinteressen mit wenigen<br />
mächtigen Nutznießern wesentlich einfacher bündeln als<br />
große Gruppen, insbesondere wenn individuelles Engagement<br />
positive externe Effekte erzeugt und lediglich einen<br />
geringen individuellen Vorteil verspricht. Trittbrettfahrer-<br />
Verhalten kann <strong>die</strong> Folge sein. In der Vergangenheit zeigte<br />
sich zudem, dass das Fehlen einer übergeordneten<br />
Instanz regelmäßig zu einem geringeren Ausmaß an<br />
Umverteilung führte.<br />
Die Potenziale und Grenzen von Governance-Prozessen<br />
sind Bestandteil mehrerer sozial-ökologischer <strong>Forschung</strong>sprojekte.<br />
So wird am Beispiel des Klimaschutzes untersucht,<br />
wie <strong>die</strong> verschiedenen regulativen Ebenen (lokal,<br />
regional, national, global) und Aktivitäten unterschiedlicher<br />
Akteure ineinander greifen, sich gegenseitig verstärken<br />
oder blockieren. Hieraus werden Empfehlungen an<br />
<strong>die</strong> Politik zur Gestaltung nachhaltigerer Institutionenund<br />
Regelungsgeflechte abgeleitet und bei den Akteuren<br />
Lernprozesse für erfolgreichere Governance angestoßen.