gwf Wasser/Abwasser Qualität auf den ersten Blick (Vorschau)
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FACHBERICHTE Tagungsbericht<br />
und Versorgungsbedingungen der 38 größten deutschen<br />
Unternehmen untersucht wor<strong>den</strong>, um daraus<br />
eine verlässliche Datenbasis zu gewinnen. Als Vergleichsunternehmen<br />
seien die Versorger der Städte<br />
Hamburg, München und Köln gewählt wor<strong>den</strong> – nicht<br />
um <strong>den</strong> billigsten Anbieter zu fin<strong>den</strong>, sondern um eine<br />
gute, auch gerichtsfeste Vergleichbarkeit zu haben, was<br />
Versorgungsdichte, Kun<strong>den</strong>- und Infrastruktur betrifft.<br />
Auf dem Weg der sachlichen Rechtfertigung könne der<br />
teuerste Versorger dann darlegen, dass der Unterschied<br />
im Preis <strong>auf</strong> Umstän<strong>den</strong> beruhe, die ihm nicht zurechenbar<br />
sind.<br />
Bei <strong>den</strong> Berliner <strong>Wasser</strong>betrieben habe die Behörde<br />
einen abgabenbereinigten Durchschnittserlösvergleich<br />
– ohne <strong>Wasser</strong>entnahmeentgelt und Konzessionsabgabe<br />
– über alle Tarifstufen hinweg vorgenommen mit<br />
dem Ergebnis, dass die <strong>Wasser</strong>preise in Berlin gegenüber<br />
<strong>den</strong> Vergleichsunternehmen in <strong>den</strong> Jahren 2009<br />
bis 2011 und auch gegenüber <strong>den</strong> anderen befragten<br />
Unternehmen deutlich überhöht waren.<br />
Für überhöhte Preise könne es natürlich Rechtfertigungsgründe<br />
geben wie schlechtere, kostentreibende<br />
Versorgungsbedingungen. Grundsätzlich könnten auch<br />
Kosten für Investitionen in eine qualitativ hohe und<br />
nachhaltige <strong>Wasser</strong>versorgung anerkannt wer<strong>den</strong>.<br />
Unter diesen Gesichtspunkten seien die Bedingungen<br />
der <strong>Wasser</strong>versorgung in Berlin jedoch günstig. Ausdrücklich<br />
berücksichtigt wur<strong>den</strong> in Berlin die Kosten für<br />
die Wiedervereinigung. Auch Sicherheitszuschläge<br />
seien großzügig anerkannt wor<strong>den</strong>.<br />
Im Ergebnis, resümierte der Bundeskartellamtspräsi<strong>den</strong>t,<br />
sei für die Berliner <strong>Wasser</strong>betriebe eine Senkung<br />
der <strong>Wasser</strong>preise um 18 Prozent verfügt wor<strong>den</strong>. Die<br />
Verfügung müsse mit der Jahresabrechnung 2012<br />
durchgeführt wer<strong>den</strong>, spätestens bis zum 31.12.2013.<br />
Derzeit l<strong>auf</strong>e ein Beschwerdeverfahren vor dem OLG<br />
Düsseldorf, die im Dezember 2012 erwidert werde.<br />
Unternehmen, die Gebühren erheben, könnten laut<br />
Beschluss des BGH zumindest Adressat eines Auskunftsbeschlusses<br />
wer<strong>den</strong>. Offen gelassen habe der BGH<br />
jedoch, ob Gebührenunternehmen auch Adressat einer<br />
kartellrechtlichen Preissenkungsverfügung sein könnten.<br />
Die Berliner <strong>Wasser</strong>betriebe hätten sich nicht als<br />
Adressat des Kartellrechts gesehen, berichtete Mundt,<br />
und <strong>auf</strong> dem Verwaltungsgerichtsweg versucht, die<br />
Umsetzung der Verfügung zu stoppen. Argument war,<br />
das es sich in Berlin nicht um <strong>Wasser</strong>preise, sondern um<br />
Gebühren im materiellen Recht handelte, das Bundeskartellamt<br />
also einen unzuständigen Übergriff vorgenommen<br />
habe. Die Verwaltungsgerichte wären dieser<br />
Auffassung nicht gefolgt.<br />
Missbrauchs<strong>auf</strong>sicht oder Regulierung? Mundt war<br />
der Meinung, dass <strong>Wasser</strong>versorger im Bereich der<br />
Missbrauchs<strong>auf</strong>sicht gut <strong>auf</strong>gehoben seien. Es ginge<br />
schließlich auch um <strong>den</strong> Gestaltungsspielraum der<br />
Kommunen. So sollte nicht flächendeckend reguliert<br />
wer<strong>den</strong>, lediglich Ausreißer bedürften einer genaueren<br />
Untersuchung. Wegen einiger weniger Schwarzer<br />
Schafe sollte nicht eine ganze Branche reguliert wer<strong>den</strong>,<br />
Nutzen und Aufwand stün<strong>den</strong> dabei in keiner vernünftigen<br />
Relation.<br />
Kartellverfahren Berliner <strong>Wasser</strong>betriebe –<br />
Präze<strong>den</strong>zfall für die Branche?<br />
Jörg Simon, Vorstandsvorsitzender der Berliner <strong>Wasser</strong>betriebe<br />
beschrieb das Kartellverfahren gegen die Berliner<br />
<strong>Wasser</strong>betriebe als Präze<strong>den</strong>zfall für die Branche.<br />
Die Berliner <strong>Wasser</strong>betriebe hätten einen sehr komplexen<br />
rechtlichen Rahmen, erklärte Simon, durch <strong>den</strong><br />
der Tarif genau festgelegt werde. Man habe versucht,<br />
dies auch gegenüber dem Kartellamt darzustellen –<br />
allerdings ohne Gehör zu fin<strong>den</strong>. Dar<strong>auf</strong>hin habe man<br />
beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht, weil eine<br />
Anstalt des Öffentlichen Rechts an dieser Stelle ein<br />
Schutzbedürfnis habe; diese sei jedoch abgewiesen<br />
wor<strong>den</strong>. Im Juni 2012 wurde dann eine Preissenkungsverfügung<br />
in Höhe von 18 Prozent des Nettoerlöses –<br />
das seien 15 Prozent <strong>auf</strong> <strong>den</strong> tatsächlichen Preis gerechnet<br />
– erlassen, was für das Unternehmen einen Erlösausfall<br />
von rund 60 bis 70 Mio. Euro zur Folge haben werde.<br />
Gegen die Preissenkungsverfügung haben die Berliner<br />
<strong>Wasser</strong>betriebe eine Beschwerde beim OLG Düsseldorf<br />
eingereicht. Zur Wahrung der Frist werde jedoch bereits<br />
vor einem Urteil damit begonnen, das Geld auszuschütten,<br />
allerdings ohne eine Rechtspflicht anzuerkennen.<br />
Die Frage sei, ob ein Preismissbrauch trotz gesetzlicher<br />
Vorgaben und unabhängiger Prüfung der Preise<br />
überhaupt vorliegen kann, ob in diesem Fall Landesrecht<br />
oder Kartellrecht gelte. Als gesetzliche Vorgaben<br />
führte Simon das Berliner Betriebe-Gesetz, die <strong>Wasser</strong>tarifverordnung<br />
und das Gesetz zur Teilprivatisierung<br />
an. In diesen Gesetzen sei die Kalkulation der <strong>Wasser</strong>preise<br />
geregelt. Etwa die Hälfte des <strong>Wasser</strong>preises sei<br />
durch die gesetzlichen Regelungen determiniert, käme<br />
also zustande wie eine öffentlich-rechtliche Gebühr. Für<br />
<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>, erklärte Simon, bestehe vollständige Transparenz<br />
bei der Tarifkalkulation und beim Genehmigungsverfahren.<br />
Der Vorstandsvorsitzende der BWB ist sich sicher,<br />
dass es somit bei rechtmäßigem Verhalten keinen Preismissbrauch<br />
geben könne. Ein vorgegebener gesetzlicher<br />
Rahmen passe mit dem Vergleichsmarktprinzip<br />
nicht zusammen. Grundsätzlich müsse geklärt wer<strong>den</strong>,<br />
ob das eine oder das andere gelten soll, um Rechtssicherheit<br />
zu haben.<br />
Der Berliner <strong>Wasser</strong>kreisl<strong>auf</strong> erfordere, anders als<br />
etwa in München, einen hohen technischen Aufwand,<br />
berichtete Simon. Dies sei auch dem Bundeskartellamt<br />
nachgewiesen wor<strong>den</strong>. Außerdem sei der <strong>Wasser</strong>verbrauch<br />
deutlich zurückgegangen – vor allem in <strong>den</strong><br />
neuen Bundesländern. Die Wiedervereinigung habe<br />
besonders hohe Investitionen erforderlich gemacht.<br />
Januar 2013<br />
114 <strong>gwf</strong>-<strong>Wasser</strong> <strong>Abwasser</strong>