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Sammler Journal Gemälde (Vorschau)

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GLAS 27<br />

des so genannten Ranftbechers besonders<br />

häufig veredelt wurde. Der<br />

Begriff bezeichnet einen – im Vergleich<br />

zur schlichten Zylinderform –<br />

robusteren Becher mit leicht konischer<br />

Wandung und vorstehendem,<br />

dickem „Ranft" (ein altes Wort für<br />

Rand,Kante),in den senkrechte Kerben<br />

geschliffen wurden. Die Standfläche<br />

zeigt häufig einen mehrstrahligen<br />

Stern als Schliff-Dekor.<br />

ZEITGEIST<br />

Ihre massivere Form lässt die Wiener<br />

Gläser im Vergleich zu den Arbeiten<br />

aus dem Umfeld Samuel Mohns<br />

weitaus prätentiöser erscheinen. Allein<br />

der Zeitgeist,den die Sujets spiegeln,verbindet<br />

die sächsische mit<br />

der Wiener Variante: die Lust am<br />

Spiel mit Symbolen,die Liebe zu Allegorien<br />

und zur Mythologie,die versteckten<br />

Botschaften der Blumensprache.<br />

Ein fröhlicher Amor balanciert<br />

auf einem zwischen Rosen,<br />

Stiefmütterchen und Vergissmeinnicht<br />

gespannten Seil. Er scheint<br />

glücklich,hat seine Aufgabe erledigt<br />

und zwei Menschen in Liebe vereint.<br />

Schlechte Botschaft, aber charmant<br />

überbracht: Da hat sich jemand unglücklich<br />

verliebt! Amor sitzt im Käfig,<br />

sein Pfeil ist zerbrochen, der Bogen unerreichbar.<br />

Ranftbecher von Anton Kothgasser,<br />

um 1820/35 (Privatsammlung)<br />

In der Biedermeierzeit liebte man die<br />

Übermittlung geheimer Botschaften<br />

mit Hilfe von Allegorien, Bilderrätseln,<br />

mit Blumen- und Tiersymbolen. Besonders<br />

gern bedienten sich die Glasmaler<br />

des Akrostichons, um einen Becher zu<br />

einem persönlichen Geschenk zu machen.<br />

Die Anfangsbuchstaben der Blumenbezeichnungen<br />

ergeben den Namen<br />

der Verehrten. In diesem Fall hieß<br />

sie Theres: Tulpe – Hyazinthe – Erika –<br />

Rose – Erdbeere – Syringe. Anton Kothgasser,<br />

um 1820/30 (Museum Kunstpalast/Glasmuseum<br />

Hentrich, Düsseldorf)<br />

andere Maler der Wiener Porzellanmanufaktur<br />

seinem Beispiel folgten<br />

und sich ein Zubrot mit der Glasveredelung<br />

verdienten. Die Bezeichnung<br />

„Kothgassergläser" setzte sich<br />

schon zur Zeit ihrer Entstehung<br />

durch,sie war eine Art Qualitätsbezeichnung.<br />

Heute wird sie als Gattungsbegriff<br />

verstanden.<br />

Wie umfangreich die Produktion von<br />

Kothgasser und seinen Kollegen gewesen<br />

sein muss,belegt die Buchhaltung<br />

der „Nürnberger Handlung<br />

zur Goldenen Lampe" auf dem Wiener<br />

Stephansplatz. Allein in diesem<br />

Laden wurden zwischen 1815 und<br />

1822 Kothgassergläser für rund 3000<br />

Gulden verkauft – und es war beileibe<br />

nicht die einzige Verkaufsstelle,<br />

die die gefragten Souvenirs vertrieb.<br />

Die Rohware wurde aus böhmischen<br />

Hütten bezogen,wobei der Typus

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