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sprechend multifunktional ausgerichtet<br />
waren. Ein solches Kirchengestühl<br />
ist in aller Regel eine Sitzbank,<br />
die jeweils eine Hälfte des Kirchenschiffs<br />
ausfüllt, wobei sie in der<br />
Mitte und in größeren Kirchen auch<br />
an den Seiten einen mehr oder weniger<br />
breiten Gang frei lässt. Dieses<br />
Kirchengestühl beginnt vorne mit<br />
einem Betpult und endet hinten mit<br />
einer Sitzbank. Dazwischen sind<br />
Bänke und Pulte zu je einer organischen<br />
Einheit verschmolzen.<br />
Die vordere Betbank aber ist genau<br />
das Möbel, das ab dem 16. und 17.<br />
Jahrhundert auch in den privaten<br />
Bereich eindrang, ohne dort allerdings<br />
eine wirklich allgemeine Verbreitung<br />
zu finden. Die Kirchenbänke<br />
waren in aller Regel nicht so<br />
prunkvoll gestaltet wie das Chorgestühl,<br />
doch sind vor allem im Barock<br />
die seitlichen Wangen mehr oder<br />
weniger ornamental geschmückt.<br />
Die Funktionsweise ist so berechnet,<br />
dass alle Gläubigen während des<br />
Gottesdienstes gleichzeitig sitzen,<br />
stehen oder knien, so dass man sich<br />
nicht ins Gehege kommt. Beim privaten<br />
Betmöbel, das hier besprochen<br />
wird, handelt es sich nicht, wie der<br />
Betbank, 16. Jahrhundert und später,<br />
bemaltes Weichholz, H 98 cm. Deutlich<br />
erkennbar stammt die Malerei nicht<br />
aus der Renaissance, sondern wurde im<br />
Barock neu aufgetragen (Foto: Dorotheum)<br />
oft verwendete Begriff „Betstuhl”<br />
suggeriert, um einen Stuhl, sondern<br />
um ein Pult mit einem Vorsprung<br />
zum Knien. Warum dieses Betpult<br />
oder dieser Kneeler, wie es die Engländer<br />
nennen, im Deutschen so beharrlich<br />
Betstuhl genannt wird, ist<br />
nicht leicht zu sagen. Die eine Erklärung<br />
besagt, dass die Trennung von<br />
Stuhl und Bank im Kirchengestühl<br />
gar nicht möglich ist, weil es sich um<br />
ein Kombinationsmöbel handelt,<br />
wobei in der Bezeichnung aber nur<br />
auf das Sitzen verwiesen wird, was<br />
dann auf das Betpult übertragen<br />
wurde. Die andere Erklärung des<br />
Begriffs „Betstuhl” geht von der Tatsache<br />
aus, dass nicht wenige Exemplare<br />
dieser Betpulte im Grunde<br />
Stühle sind, die man zweckentfremdet<br />
oder verwandelt. Dazu wurde die<br />
Rückenlehne mit einem pultartigen<br />
Klapp-Betpult, Italien, 19. Jahrhundert,<br />
Holz und stoffbespannte Polsterung, H<br />
75 cm. Das Kniebrett liegt hier relativ<br />
hoch, weil es bei diesem Verwandlungsmöbel<br />
auch als Sitzfläche dient, wobei<br />
man auf ihm dann relativ niedrig sitzt.<br />
Es handelt sich also um einen Kompromiss<br />
Klapp-Betpult, Deutschland, um 1830,<br />
Nussbaum, H 71 cm. Das Pult kann zurückgeklappt<br />
werden, so dass seine Unterseite<br />
als Lehne des Stuhls dient, wobei<br />
die Kniefläche dann als Sitzpolster<br />
benützt wird (Foto: Hampel)