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Betbank, Alpenraum, um 1780, Fichtenholz<br />
mit Nussbaumfurnier und Marketierung,<br />
H 104 cm. Die Verwandtschaft<br />
zu den im 18. Jahrhundert sehr verbreiteten<br />
Schreibkommoden drängt sich<br />
hier auf. Viele hatten eine ganz ähnlich<br />
gebaute Pultform als oberen Abschluss,<br />
den man nach vorne aufklappt, während<br />
sich unten Schubladen bzw. von<br />
Türen verschlossener Stauraum befinden<br />
(Foto: Dorotheum)<br />
Betpult „Prie-Dieu", Frankreich, um 1750,<br />
Eiche, Pflaume, Ahorn, Metallbeschläge,<br />
H 84 cm. Es handelt sich um ein sehr<br />
kunstvoll geschreinertes Rokokomöbel<br />
mit zeittypisch geschwungenen Kanten<br />
und aufwändig gearbeiteten Holzintarsien<br />
(Foto: Nagel)<br />
Jacob D., Betpult „Prie-Dieu", Paris, um<br />
1810, Nussbaum, besticktes Polster, H 84<br />
cm. Bei diesem französischen Betpult<br />
fällt die Kniefläche besonders tief aus, so<br />
dass man hier mit der ganzen Länge des<br />
Schienbeins niederknien kann, statt, wie<br />
sonst meist üblich, nur mit den Knien<br />
selbst. Dies ist wohl dem ausgeprägten<br />
Bedürfnis des Empire für statische Stabilität<br />
geschuldet, das in der Konstruktion<br />
des Möbels überall zu spüren ist und<br />
sich an antiken Architekturvorbildern<br />
orientiert (Foto: Tajan)<br />
tet waren, während sie uns im teilweise<br />
protestantischen Deutschland<br />
weniger häufig begegnen, ist kaum<br />
verwunderlich. Doch erklärt sich dieses<br />
Missverhältnis auch aus dem<br />
Umstand, dass im systematischen<br />
Deutschland im Grunde jede Dorfkirche<br />
ihr Kirchengestühl hat, während<br />
man im ländlichen Frankreich<br />
und Italien auf durchaus improvisiertere<br />
Bestuhlung trifft, so dass<br />
diese dann mit entsprechenden Einzelbetpulten<br />
ergänzt werden musste.<br />
Im 18. Jahrhundert wurde die<br />
Typenvielfalt der Möbel insgesamt<br />
stark erweitert, weil nun das Private<br />
im Wohnen und die Spezialisierung<br />
der Wohnfunktionen gegenüber der<br />
kalten Repräsentation des Barock zumindest<br />
in Adelskreisen betont wurde<br />
– und damit auch die Funktionalität<br />
der Möbel gegenüber der reinen<br />
ornamentalen Ausstattung repräsentativer<br />
Räume. Mit der Verbürgerlichung<br />
des Wohnens im 19. Jahrhundert<br />
wird diese Möbelspezialisierung<br />
noch einmal weiter getrieben, so<br />
dass es auch hier zu einem Schub der<br />
Betmöbel kommt, und zwar zu einem<br />
Typus, der nur ein Kniepodest<br />
ist und keine Kommode. Die sachliche<br />
Strenge von Klassizismus und<br />
Biedermeier wird dann im Historismus<br />
in eine allgemeine Beliebigkeit<br />
von Stil und Typus aufgelöst, wobei<br />
es allerdings zu einer wirklichen<br />
Wiederaufnahme der Betkommoden<br />
nicht kommt. Selbst Thonet hat sich<br />
dem Thema des Betmöbels angenommen.<br />
Im 20. Jahrhundert verschwindet<br />
das Betpult wieder aus<br />
dem Privatraum.<br />
TYPEN<br />
Es gibt mehrere Grundtypen des Betpultes.<br />
Da ist zunächst die Betkommode.<br />
Sie leitet sich aus einem kleinen<br />
Schrank oder einer Kommode,<br />
also einem Stauraum, her. Denn immer<br />
und überall, auch dann, wenn<br />
man Gott gegenüber tritt, braucht<br />
man irgendwelche Utensilien, die<br />
man verstauen muss. Da sind zunächst<br />
die Gebetbücher, also die Bibel,<br />
das alte und das neue Testament,<br />
Liederbücher, religiöse Erbauungsbücher,<br />
der Katechismus. Da<br />
lange Zeit die einzige Literatur, die<br />
weitere Verbreitung fand, religiöser<br />
Natur war, wundert es nicht, dass<br />
man diese Bücher in einem solchen<br />
Betpult verstaut hat, denn Bücherregale<br />
oder -schränke waren selten.<br />
Doch hat so eine Betkommode sicherlich<br />
mehr Stauraum, als man<br />
religiöse Literatur ansammelte; es<br />
liegt nahe, dass diese Kommoden oft<br />
für ganz „normale” Dinge genutzt<br />
wurden. Dem senkrecht aufragenden<br />
Schrank- bzw. Kommodenteil<br />
war unten noch ein vorspringender