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Sammler Journal Gemälde (Vorschau)

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MÖBEL 31<br />

Betpult, Italien, 17. Jahrhundert, Nussholz,<br />

H 90 cm. Typologisch handelt es<br />

sich hier um ein Kompositionsmöbel, bei<br />

dem eine Kommode auf einen breiteren<br />

Sockel gestellt wurde<br />

Betpult, Italien, 19. Jahrhundert, Nussholz<br />

mit Intarsien, H 85 cm. Schubladenmöbel<br />

mit viel Stauraum, das Frömmigkeit<br />

mit dem Sinn für das Praktische verbindet<br />

Betbank, Frankreich, um 1750, furniertes<br />

Holz, H 81 cm. Erstaunlich modern anmutendes,<br />

sowohl funktionales wie elegantes<br />

Objekt, das abgesehen von der<br />

Furnierung und den geschwungen ausgesägten<br />

Seitenfenstern ganz ohne Ornament<br />

auskommt (Foto: Millon &<br />

Associés)<br />

tur eingelassen oder man stellte<br />

Klappsitze auf. Solche Klappsitze<br />

sind durchaus keine moderne Erfindung,<br />

sondern gehören zu den ältesten<br />

Sitzgelegenheiten überhaupt.<br />

Ab etwa dem 13. Jahrhundert entwickelten<br />

sich erste zusammenhängende<br />

Chorgestühle, aus dieser<br />

Zeit haben sich die frühesten erhalten.<br />

Solche Chorgestühle wuchsen<br />

sich in der Folgezeit zu großartigen<br />

schreinerischen und bildhauerischen<br />

Kunstwerken aus, die ihre Blütezeit<br />

zwischen der Spätgotik und dem<br />

Rokoko erlebten. Teilweise sind diese<br />

Chorgestühle, etwa das des Ulmer<br />

Münsters oder der Wallfahrtskirche<br />

in Buxheim, berühmte Kunstwerke<br />

für sich, die ihren Platz in der Kunstgeschichte<br />

haben und zum festen<br />

Kanon der kunsthistorischen Allgemeinbildung<br />

gehören. Diese Chorgestühle<br />

unterscheiden sich von den<br />

bescheidenen und zögerlichen Anfängen<br />

durch ihren oft bombastisch<br />

großartigen Gesamtorganismus, in<br />

dem die Rückenlehnen der Sitzgelegenheiten<br />

mit der Architektur verschmelzen<br />

und sich ihrem viel größeren<br />

Maßstab anpassen. Vor allem<br />

aber haben diese Chorgestühle als<br />

vorderen Abschluss ein Pult, dessen<br />

oberer Abschluss eine Ablagefläche<br />

für Gebetbücher und für die Hände<br />

bzw. Ellenbogen bietet – so wie unten<br />

ein Kniebrett, so dass man nicht<br />

mehr auf dem Boden knien muss.<br />

Mitunter waren diese Kniebretter<br />

bereits gepolstert. Dieses Chorgestühl<br />

aber war, wie der Name schon<br />

sagt, allein den Chorherrn vorbehalten.<br />

Das übrige Kirchenschiff für die<br />

Laien war leer, die Gemeinde stand<br />

oder kniete auf dem nackten Boden.<br />

Erst im Lauf der Zeit entwickelte sich<br />

dort, an die Wände des Kirchenschiffs<br />

angelehnt und in der Empore,<br />

die manche Kirchen ja nicht zuletzt<br />

aus statischen Gründen aufweisen,<br />

eine Möblierung, die dann aber bestimmten<br />

Honoratioren vorbehalten<br />

war.<br />

REFORMATION<br />

Die Bestuhlung des Kirchenschiffs<br />

für die normale Kirchengemeinde<br />

aber war eine Errungenschaft der Reformation.<br />

Die Reformation hat, anders<br />

als die katholische Kirche, ein<br />

Religionsverständnis, in dem es weniger<br />

um die Feier der Liturgie, also<br />

der Verwandlung von Wein und Brot<br />

in Leib und Blut Christi, geht, sondern<br />

um die Auslegung der Heiligen<br />

Schrift. Statt dem Feiern von Ritualen<br />

geht es eher um eine intellektuelle<br />

Arbeit, was auch lange Predigten<br />

einschließt. Da man sich auf erklärende<br />

Worte besser im Sitzen konzentrieren<br />

kann, kam es zu einer<br />

Bestuhlung des Kirchenraums. Diese<br />

Stühle aber waren lange Zeit nicht<br />

frei zugänglich, sondern entweder<br />

für bestimmte Personenkreise reserviert<br />

oder wurden von eigenen<br />

Stuhlfrauen – wie heute bei Strandkörben<br />

noch üblich – vermietet,<br />

wobei diese Stuhlmiete von der späteren<br />

Kirchensteuer ersetzt wurde.<br />

Erst durch das Vorbild der Protestanten<br />

kam es auch in der katholischen<br />

Kirche zu einer Bestuhlung der Kirchenschiffe,<br />

wobei diese Betstühle<br />

dem Vorbild des Chorgestühls ent-

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