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Sammler Journal Gemälde (Vorschau)

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GLAS 29<br />

Holzdekor war bei den europäischen<br />

Porzellanmanufakturen im 19. Jahrhundert<br />

sehr beliebt. Auch die Wiener Glasmaler<br />

um Anton Kothgasser ließen sich<br />

zu dieser Augentäuschung hinreißen.<br />

Detailgenau samt Astlöchern und dreigeteilter<br />

Maserung, die „echtes" Furnier<br />

suggerieren sollte, wurde dieser Ranftbecher<br />

aus der Zeit um 1825/30 gestaltet<br />

(Privatsammlung)<br />

zu widerstehen. Er schärfte seinen<br />

Blick zunächst in der Theorie,wälzte<br />

die Literatur,studierte Auktionskataloge<br />

und suchte das Gespräch mit<br />

erfahrenen <strong>Sammler</strong>n. Heute ist er<br />

sicher,dass er auf diese Weise vor so<br />

manchem Fehlkauf bewahrt wurde.<br />

Das transparent bemalte Biedermeierglas<br />

kehrte erst hundert Jahre<br />

nach seiner Blüte ins kulturelle Bewusstsein<br />

der Wiener zurück. Unter<br />

dem Eindruck des Zerfalls der Donaumonarchie<br />

und des Ersten Weltkriegs<br />

besann man sich in Österreich<br />

der eigenen großen künstlerischen<br />

und kunsthandwerklichen Tradition.<br />

Im Herbst 1922 rückte das Wiener<br />

Museum für Kunst und Industrie<br />

(heute MAK – Museum für angewandte<br />

Kunst) die Arbeiten aus den<br />

Werkstätten von Mohn und Kothgasser<br />

in den Fokus. Es wurden 1025<br />

Exponate aus dem eigenen Bestand<br />

und aus bedeutenden Privatsammlungen<br />

gezeigt. Der gleichzeitig veröffentlichte<br />

Katalog dient Historikern<br />

heute ebenso als wichtige Quelle<br />

wie das von Professor Gustav Pazaurek<br />

1923 herausgegebene Werk<br />

„Gläser der Empire- und Biedermeierzeit".<br />

Die neue Wertschätzung des farbigen<br />

Biedermeierglases führte im<br />

Nachklang der Ausstellung zu Preissprüngen<br />

beim Handel. In böhmischen<br />

Hütten wurden die erfolgreichen<br />

Modelle zuhauf kopiert – zunächst<br />

wohl in der hehren Absicht,<br />

den Glasmaler-Nachwuchs an diesen<br />

Beispielen zu schulen. Der Absatz<br />

von Nachahmungen und Anlehnungen<br />

florierte – und die Resultate<br />

dieser fragwürdigen Adaption vagabundieren<br />

bis heute auf dem Kunstmarkt,gemeinsam<br />

mit noch<br />

jüngeren Schöpfungen. Nur<br />

ein geschultes Auge entdeckt<br />

aus dem Angebot,was<br />

tatsächlich schon ein Biedermeierherz<br />

dahinschmelzen<br />

ließ.<br />

INFORMATION<br />

Ausstellung: „Gold und Farbe –<br />

Transparent bemaltes Biedermeierglas"<br />

ist noch bis zum 12.<br />

August im Museum Kunstpalast,<br />

Düsseldorf,zu sehen. Die Schau<br />

wird begleitet von einem bebilderten<br />

Katalog.<br />

Literatur: Paul von Lichtenberg:<br />

Mohn & Kothgasser – Transparent<br />

bemaltes Biedermeierglas,528<br />

Seiten,762 Abbildungen<br />

in Farbe,Text in Deutsch<br />

und Englisch,Hirmer Verlag<br />

München,2009.<br />

Fotos: Paul von Lichtenberg<br />

Hexe im Anflug auf Wien! Ranftbecher<br />

von Anton Kothgasser, um 1825 (Privatsammlung)<br />

Der Goldfisch scheint sich in diesem<br />

Ranftbecher (um 1825) wohl zu fühlen.<br />

Kothgasser benutzte gern Fische als<br />

Motiv. Auch sie vermitteln Botschaften:<br />

Ein einzelnes Exemplar kündet von einem<br />

einsamen Herzen, zwei Fische stehen<br />

für ein glückliches Paar, drei signalisieren:<br />

Hier ist einer zuviel... (Privatsammlung)

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