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InAsien Thailand kulinarisch (Vorschau)

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Reise<br />

A<br />

vinash<br />

Brahmanen An der Spitze der Gesellschaft<br />

Sharma sitzt hinter einem<br />

Schreibtisch und versucht, Ordnung<br />

in die Ablage seines Import-Export-<br />

Geschäfts zu bringen. Er ist<br />

Brahmane, das ist aus seinem Nachnamen<br />

ersichtlich. Doch anders als<br />

alle seine Vorfahren ist er der erste,<br />

der den traditionellen Priesterberuf<br />

der Brahmanen aufgegeben hat.<br />

Zu wenig Geld bringe der Priesterjob<br />

ein und außerdem gäbe es<br />

neuerdings sogar Priester aus niedrigeren<br />

Kasten, was vor nicht allzu<br />

langer Zeit noch undenkbar gewesen<br />

wäre. Ganz oben im indischen Kastensystem<br />

stehen die Brahmanen,<br />

die traditionell Priester und Gelehrte<br />

waren und so die Gesellschaftsordnung<br />

fest im Griff hatten. Lange<br />

Zeit blieben Brahmanen unter sich.<br />

Sie waren die Priester der um 1.500<br />

v. Chr. eindringenden Arier und<br />

verstanden es ausgezeichnet, ihren<br />

sozialen und religiösen Status zu<br />

zementieren. Nur sie konnten wichtige<br />

Rituale ausüben, hatten religiöses<br />

Geheimwissen, Gelehrsamkeit<br />

und Machtpositionen inne.<br />

Reinheit war und ist teilweise<br />

noch heute ein wichtiger Aspekt,<br />

um die gesellschaftliche Hierarchie<br />

zu begründen. Fiel früher auch<br />

nur der Schatten eines Unberührbaren<br />

(Dalit) auf einen Brahmanen,<br />

musste er sich umfangreichen Reinigungsritualen<br />

unterziehen. Noch<br />

vor wenigen Jahrzehnten war es undenkbar,<br />

mit einem Unberührbaren<br />

Dabbawallahs Mumbais Henkelmänner<br />

ereits im Morgengrauen machen<br />

B sie sich auf den Weg. In ihren<br />

weißen Hosen, Jacken und Schiffchenmützen<br />

fallen sie auf, die 5.000<br />

Dabbawallahs, die täglich 200.000<br />

Mahlzeiten ausliefern.<br />

Currys, Chutneys, Chapatis –<br />

von den Gattinnen jeden Morgen<br />

zubereitet, in mehrteilige Henkelmänner,<br />

die Dabbas, gefüllt, werden<br />

sie mit dem traditionellen Lieferservice<br />

zu den Arbeitsplätzen<br />

ihrer Männer transportiert. Jeder<br />

Dabbawallah sammelt Dutzende<br />

silberner Metallbüchsen ein und<br />

eilt zu einem Treffpunkt, wo schon<br />

die Kollegen warten. Die Büchsen<br />

werden getauscht, in Kästen<br />

geschichtet und mit Karren, Fahrrädern,<br />

der Bahn oder per pedes<br />

durch Mumbai transportiert. Drei<br />

oder vier Stationen durchläuft eine<br />

Essensration mit einem jeweils<br />

anderen Lieferanten. Bis zu 70 Kilometer<br />

legt so manches Mittagessen<br />

dabei zurück. Ein logistisches<br />

Wunder, besonders, weil die meisten<br />

Dabbawallahs Analphabeten<br />

sind. Doch da die Essensbehälter<br />

Bild: Andrea Glaubacker<br />

zu speisen, etwas von ihm anzunehmen,<br />

aus dem gleichen Brunnen zu<br />

trinken. Weil manche Höherkastige<br />

auch heute noch keine von Niederkastigen<br />

zubereitete Speisen essen<br />

würden, sind Brahmanen oft Köche<br />

in besseren Restaurants. Heutzutage<br />

sind zumindest in den Städten<br />

die Strukturen aufgeweicht, auch<br />

wenn die Brahmanen noch immer<br />

in der Mehrheit wichtige Positionen<br />

in Politik und Wirtschaft besetzen.<br />

Und wenn davon berichtet wird,<br />

dass ein Minister aus der Brahmanenkaste<br />

das Büro seines Vorgängers,<br />

eines Dalit, ausräuchern ließ,<br />

erntet er dafür von vielen Indern<br />

Kopfschütteln – von mindestens<br />

ebenso vielen aber Verständnis.<br />

mit Codes aus Zahlen, Buchstaben<br />

und Farben versehen sind, die die<br />

Transportwege beschreiben, funktioniert<br />

der Service. Noch wundersamer<br />

ist in einer brodelnden,<br />

überfüllten Metropole wie Mumbai<br />

eine derartige Zuverlässigkeit<br />

der Lieferungen. Trotz alltäglichem<br />

Chaos, diverser Sammelstellen und<br />

Lieferantenhände erreicht das Essen<br />

mittags pünktlich auf die Minute<br />

den Empfänger – und der leere<br />

Behälter nachmittags wieder den<br />

Herd der Köchin.<br />

1998 hat das renommierte Wirtschaftsmagazin<br />

Forbes Global Magazine<br />

den Dabbawallahs eine Six<br />

Sigma-Bewertung verliehen, da die<br />

Fehlerquote der flinken Logistiker<br />

unter 0,0000001 Prozent liegt.<br />

Das bedeutet, dass nur einer von<br />

16 Millionen Henkelmännern entweder<br />

verloren geht oder falsch<br />

ausgeliefert wird. Somit dürften<br />

die in Kooperativen organisierten<br />

Dabbawallahs in Mumbai mit ihrem<br />

einzigartigen System die weltweit<br />

besten Logistiker sein.<br />

01/2013<br />

www.inasien.de 27

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