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InAsien Thailand kulinarisch (Vorschau)

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Vor 200 Jahren mussten französische<br />

Missionare noch gestandene<br />

Kerle sein! Mut und<br />

Ausdauer gehörten neben einer<br />

gesteigerten Portion Gottvertrauen<br />

dazu, um sich in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts in das obere<br />

Mekong-Tal (Provinz Yunnan) zu<br />

wagen. Straßen gab es nicht, einzig<br />

brüchige Bergpfade führten über<br />

die bis über 4.000 Meter hohe Pässe.<br />

Heute bezeichnet man dieses<br />

Geflecht aus lokalen Wegen romantisch<br />

verklärt als die „Teestraße“.<br />

Den Karawanen, die mit jedem<br />

Weg zwischen Lhasa und Kunming<br />

für Seide, Tee und ein bescheidenen<br />

Auskommen ihr Leben riskierten,<br />

war diese Romantik wohl fremd.<br />

Von Nordvietnam kommend, ließen<br />

sich die französischen Missionare<br />

im 19. Jahrhundert jedoch vom<br />

Zauber der Lokalität anstecken<br />

und entdeckten im Mekong-Tal<br />

ein Stück mitteleuropäische Berglandschaft<br />

wieder, die eine ideale<br />

Basis für die Missionierungsambitionen<br />

darstellte und bestens<br />

für den Weinanbau geeignet war.<br />

Schließlich konnten die Sakramente<br />

nicht trockener Kehle durchgeführt<br />

werden. Ohnehin misstrauisch von<br />

der lokalen tibetischen Theokratie<br />

beäugt, war das Maß endgültig<br />

voll, als sich die Missionare für<br />

die Rechte der Bauern einsetzten<br />

und die religiöse Legitimation der<br />

Macht der Lamas in Frage stellten.<br />

Für viele der Kirchendiener wurde<br />

die Mission so zu einem Himmelfahrtskommando.<br />

Nur an wenigen<br />

abgelegenen Orten konnten<br />

sich vereinzelte christliche Dörfer<br />

mit ausländischen Pastoren halten,<br />

bis Anfang der 1950er Jahre alle<br />

ausländischen Gemeindevorstände<br />

die Volksrepublik China verlassen<br />

mussten. Die christliche Tradition<br />

hat sich in der Region dennoch<br />

gehalten. Ein gutes Dutzend katholische<br />

Kirchen gibt es heute noch<br />

im Mekong-Tal zwischen Deqin<br />

und Weixi. Das Gotteshaus in Cizhong<br />

ist bei weitem das am besten<br />

erhaltenste.<br />

Auf dem Boden des grauen, auch<br />

von innen unverputzten Backsteinbaus<br />

wölbt sich roter Teppich über<br />

einem unebenen Steinmosaikboden.<br />

Die Rundbögen, die das Mittelschiff<br />

von den beiden Seitenschiffen<br />

trennen, sind mit stilisierten blauen<br />

Blumen- und Rankenmotiven verziert.<br />

Über dem schlichten Altar<br />

im Sanktum schwebt eine eher unscheinbare<br />

geratene Jesusfigur. Dafür<br />

prunkt im rechten Seitenflügel<br />

eine bunte Ikone der Mutter Maria,<br />

gleich einer Figur des amerikanischen<br />

Künstlers Jeff Koons. Die<br />

hölzerne Kastendecke schmücken<br />

erdig bunte, aus dem Buddhismus<br />

entliehene Symbole.<br />

Zu Gast bei<br />

Weihrauch und Wein<br />

Von den knapp 2.000 Einwohnern<br />

Cizhongs seien gut 80 Prozent Katholiken,<br />

erzählt der greise Liu, seit<br />

ein paar Jahrzehnten Faktotum und<br />

gute Seele des Gotteshauses. Leider<br />

hätte die Gemeinde Cizhong keinen<br />

Priester und müsste sich mit Laien-<br />

Gottesdiensten begnügen. Nur an<br />

manchen hohen Feiertagen, etwa<br />

Weihnachten oder Ostern, käme ein<br />

Priester aus der Provinzhauptstadt<br />

Kunming ins Dorf. Hausmeister Liu<br />

ist ein herzlicher, aber äußerst kurzsichtiger<br />

Zeitgenosse. Das mag an<br />

seinem hohen Alter liegen. 85 Jahre<br />

alt ist er, zumindest sei dies die<br />

Schätzung, sagt er. So genau habe es<br />

damals keiner genommen, zwischen<br />

Revolution und Bürgerkrieg.<br />

Vom Kirchturm blickt man auf<br />

terrassierte Weinberge, die sich vom<br />

Ort bis fast an das Ufer des Mekong<br />

ziehen. Nur noch wenige Familien<br />

verstehen sich auf die Kunst des<br />

Weinausbaus. Unter anderem Lehrer<br />

Liu, der einst als Ministrant bei<br />

den französischen Padres diente und<br />

heute ein bescheidenes Gasthaus im<br />

Zentrum des Ortes betreibt. Gerne<br />

lädt er zur Weinprobe und erzählt<br />

von seinem turbulenten Leben. „Ich<br />

war Messdiener!“, erzählt er. „Die<br />

Patres haben viel Gutes hier in Cizhong<br />

getan, haben den Bauern Land<br />

gegeben und Schulen errichtet. Das<br />

hat mir als Junge sehr imponiert.<br />

Also bin ich nach der Schule in die<br />

Kirche gegangen und habe mir alles<br />

zeigen lassen. Wie man ministriert,<br />

ein wenig Französisch, ein paar<br />

Brocken Englisch. Nur Latein, das<br />

haben die Padres vergeblich versucht,<br />

uns Kindern beizubringen.“<br />

Er lässt seine Worte ein wenig<br />

wirken und fährt dann fort. An<br />

seiner Rhetorik und seinem Hang<br />

zur Theatralik merkt man, dass er<br />

des Öfteren Ausländer als Zuhörer<br />

hat. „1951 mussten dann die letz-<br />

Reise<br />

Tradition in der gut erhaltenen Altstadt von Deqin: Neujahrsbilder<br />

an der Haustür halten Geister und Dämonen fern<br />

Zeugnis französischer Missionierungsversuche im 19.<br />

Jahrhundert ist die Kirche von Cizhong<br />

01/2013<br />

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