InAsien Thailand kulinarisch (Vorschau)
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Kultur<br />
Das Auftragen des Make-ups ist eine Kunst für sich und dauert manchmal Stunden. Farben und Muster sind bedeutungstragend<br />
und einendes Element alle chinesischen Opernformen. Sie geben Auskunft über den verkörperten Charakter<br />
singt, muss die kulturellen Zusammenhänge<br />
verstehen, um die es in<br />
der Geschichte geht. Oberflächlich<br />
betrachtet geht es da oft um Intrigen<br />
am Hof, um Liebesgeschichten, es<br />
werden alte Legenden erzählt. Aber<br />
dahinter stehen Jahrtausende chinesischer<br />
Kultur und Philosophie.<br />
All das muss man dann auch noch<br />
gesanglich zum Ausdruck bringen.<br />
Und man muss sehr genau auf die<br />
Tonhöhen und ihre Akzentuierung<br />
achten. Das kann kaum einer.“<br />
Wer tatsächlich etwas kann und<br />
wer nicht, spricht sich herum. Laienvorstellungen<br />
leben eben von der lokalen<br />
Mund-zu-Mund-Propaganda.<br />
Mir persönlich reichte ein einziges<br />
Hörerlebnis, mein Interesse an<br />
der Chinesischen Oper zu wecken<br />
– und das eher zufällig. Als ich<br />
meine langjährige Freundin Yee<br />
Lee 2007 in Hong Kong besuchte,<br />
sprach ich kein Wort Kantonesisch,<br />
ihre Mutter verstand weder Englisch<br />
noch Mandarin; die Konversation<br />
drohte etwas zäh zu werden. So<br />
holte sie kurzerhand ein Foto von<br />
sich im Opernkostüm hervor und<br />
begann, mir vorzusingen. Ich war so<br />
begeistert, dass mich das Kantonoper-Fieber<br />
packte und seitdem nicht<br />
mehr losließ.<br />
Wiedergewonnene Identität<br />
Li Sin Wah hat aus ihrem Talent<br />
ein Hobby gemacht. Heute tritt sie<br />
regelmäßig recht erfolgreich auf,<br />
manchmal als Solistin, manchmal<br />
in Dialogszenen. An ihrem Ausdruck<br />
arbeitet sie hart. „Ich habe<br />
mich sehr verbessert“, sagt sie,<br />
„aber zufrieden bin ich trotzdem<br />
oft nicht. Ich feile dann stundenlang<br />
zuhause am Ausdruck einzelner<br />
Szenen und versuche, die Gefühle<br />
besser zum Ausdruck zu bringen.“<br />
Wie für Li Sin Wah sind die Motive<br />
der meisten Laiensänger meist eine<br />
Kombination aus dem Wunsch, ein<br />
vorhandenes Talent zu entwickeln,<br />
dem Interesse an der eigenen Tradition<br />
und dem Bedürfnis, Gleichgesinnte<br />
kennenzulernen.<br />
In Sheung Shui gibt Lehrer Tse<br />
Chiu Ming Notenblätter aus. Heute<br />
steht eine Szene mit einem Dialog<br />
zwischen einem Liebespaar<br />
auf dem Programm. Die Frauen<br />
nehmen entsprechend ihrer Rolle<br />
Platz: Links sitzen die Besetzungen<br />
für die männlichen Rollen (kant.<br />
sang), rechts für die Rolle der weiblichen<br />
Geliebten (kant. daan). Zur<br />
zweiten Gruppe gehört auch Li Sin<br />
Wah. Doch zuerst erklärt Tse Chiu<br />
Ming die Besonderheiten der Szene.<br />
Heute wird er mit einer Geige<br />
begleiten.<br />
Manchmal, vor allem, wenn Aufführungen<br />
vorbereitet werden, übt<br />
die Gruppe auch mit anderen Musikern<br />
zusammen, die mit den für eine<br />
Kantonoper typischen, chinesischen<br />
Instrumenten spielen. Die Gruppe<br />
beginnt zu singen. Nach etwa drei<br />
Minuten unterbricht Tse. Er ist nicht<br />
zufrieden mit seinen Schülerinnen<br />
und erklärt noch einmal, worauf es<br />
im Ausdruck ankommt. Die Szene<br />
beginnt von vorn.<br />
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01/2013