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Ökologische Umstellungen in der industriellen Produktion

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118 Schr.-R. d. Deutschen Rates für Landespflege (1994), Heft 65, S. 118-123<br />

Mart<strong>in</strong> Held<br />

Ökobilanzen und Produktl<strong>in</strong>ienanalysen als Methoden des Stoffstrommanagements<br />

- zur Kontroverse um die E<strong>in</strong>beziehung von Nutzenaspekten<br />

1 Bedeutung <strong>der</strong> Stoffströme<br />

Stoff- und Energieströme bestimmen die<br />

anorganische Welt und das Leben. Die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> anthropogen umgesetzten Energieströme<br />

- üblicherweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong><br />

Ökonomen als Energieverbrauch bezeichnet,<br />

wobei eigentlich nur Ordnungsgrade,<br />

nicht aber die Energie verbraucht wird -<br />

wurde gesellschaftlich vergleichsweise frühzeitig<br />

erkannt. Öffentliche Debatten, aufwühlende<br />

Demonstrationen, <strong>in</strong>tensivste<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um die angemessenen<br />

Ziele, e<strong>in</strong>zuschlagenden Strategien und<br />

anzuwendenden Techniken s<strong>in</strong>d uns allen<br />

seit <strong>in</strong>zwischen vielen Jahren geläufig und<br />

beschäftigen die Öffentlichkeit wie die Entscheidungsträger<br />

nach wie vor.<br />

Demgegenüber blieb die Aufmerksamkeit<br />

für das Komplement, die anthropogenen<br />

Stoffströme, für lange Zeit vergleichsweise<br />

ger<strong>in</strong>g. Unterschiedlichste Entwicklungen<br />

führten dazu, daß sich dies zu än<strong>der</strong>n beg<strong>in</strong>nt.<br />

Beispielsweise hatten Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> den Gewässern (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />

Eutrophierung) zur Folge, daß sich vere<strong>in</strong>zelte<br />

Forschergruppen systematisch mitden<br />

Folgen menschlichen Umgangs mit Stoffen<br />

auf den natürlichen Stoffhaushalt zu <strong>in</strong>teressieren<br />

begannen. Beson<strong>der</strong>s ist an dieser<br />

Stelle die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Abteilung Abfallwirtschaft<br />

und Stoffhaushalt an <strong>der</strong> Eidgenössischen<br />

Anstalt bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten<br />

Hälfte <strong>der</strong> achtziger Jahre zu nennen. 11 Erfahrungen<br />

mit <strong>der</strong> Aufarbeitung <strong>der</strong>im S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>der</strong> Chemikaliengesetzgebung sogenannten<br />

Altstoffe, Verbesserungen <strong>der</strong> Analytik,<br />

die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die un \'ermeidliche Begrenztheit<br />

ökotoxikologischer Forschung angesichts<br />

des realen Zusammenwirkens <strong>der</strong> Stoffe<br />

<strong>in</strong> den Ökosystemen, Folgen von Diskussionen<br />

über spektakuläre Unfälle .„ - e<strong>in</strong>e<br />

Vielzahl von unterschiedlichsten Strängen<br />

führten zu e<strong>in</strong>er vertieften Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> anthropogenen Stoffströme<br />

für die Umwelt.<br />

Folgende L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

<strong>in</strong> jüngster Zeit von beson<strong>der</strong>er Bedeutung:<br />

• Die Diskussion über den anthropogen<br />

verursachten Treibhauseffekt und die Gefährdung<br />

des Ozonschutzschildes <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Stratosphäre führten zur E<strong>in</strong>sicht, wie groß<br />

die Potenz menschlicher Stoffströme, bezogen<br />

auf Auswirkungen <strong>in</strong> den natürlichen<br />

Stoff- und Energiehaushalten, zwischenzeitlich<br />

ist. Zu nennen s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Arbeit <strong>der</strong> Enquete-Kommission<br />

Klimaschutz und auf <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Ebene die zusammenfassende<br />

Darstellung und Bewertung durch das<br />

Intergovernmental Panel on Climatic<br />

Change. 21 Gerade die zunächst als harmlos<br />

geltenden, da nicht unmittelbar toxischen<br />

Stoffe können <strong>in</strong>direkt die Lebensgrundlagen<br />

massiv bee<strong>in</strong>flussen.<br />

• Die Folgen des wirtschaftlichen Erfolges<br />

s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> Outputseite nicht mehr so<br />

ohne weiteres zu verdrängen. Die Abfälle<br />

unseres Wirtschafts- und Lebensstils erzw<strong>in</strong>gen<br />

sich Aufmerksamkeit über akute<br />

Unfälle und die Toxizität e<strong>in</strong>zelner Stoffe<br />

h<strong>in</strong>aus. Im Son<strong>der</strong>gutachten "Abfallwirtschaft''<br />

des Sachverständigenrates für<br />

Umweltfragen führte dies konzeptionell<br />

zu weiterführenden Überlegungen <strong>in</strong> Richtung<br />

stoffökologischer Perspektiven <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Industriegesel 1schaft. 31<br />

• Im Gefolge <strong>der</strong> weltweiten Diskussion<br />

des Berichtes <strong>der</strong> sog. Brundtlandkommission<br />

"Our Common Future" 41 wi rd<br />

das Leitbild "susta<strong>in</strong>able development"<br />

diskutiert. Bedauerlicherweise wird dies<br />

,·ielfach rhetorisch nur als Floskel verwendet.<br />

Zugleich beg<strong>in</strong>nt sich aber <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

umweltpolitischen Geme<strong>in</strong>schaft die Erkenntnis<br />

zu verbreiten, daß dies e<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende<br />

Leitl<strong>in</strong>ie für die Zukunft unseres<br />

Wirtschaftens ist, wollen wir nicht <strong>der</strong>en<br />

Voraussetzungen für die Zukunft untergraben.<br />

Damit werden die Beachtung <strong>der</strong><br />

Ressourcen ebenso wie die Assimilationsfähigkeiten<br />

<strong>der</strong> Ökosysteme zw<strong>in</strong>gend.<br />

Diese hier nur knapp skizzierten L<strong>in</strong>ien und<br />

Diskussionspunkte führten 1992 zur E<strong>in</strong>setzung<br />

e<strong>in</strong>er Enquete-Kommission des<br />

Deutschen Bundestages "Schutz des Menschen<br />

und <strong>der</strong> Umwelt - Bewertungskriterien<br />

und Perspektiven fürumwelt,·erträgliche<br />

Stoffkreisläufe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Industriegesellschaft".<br />

E<strong>in</strong> Zwischenbericht dieser Kommission mit<br />

dem Titel "Verantwortung für die Zukunft-<br />

Wegezum nachhaltigen Umgang mitStoffund<br />

Materialströmen" liegt bereits vor 51 •<br />

Durch die Arbeit <strong>der</strong> Kommission wurden<br />

viele <strong>der</strong> vorher isoliert diskutierten Aspekte<br />

nun zusammengeführt und stärker fokussiert.<br />

Es geht nicht darum, ausschließlich<br />

e<strong>in</strong>zelne Chemikalien o<strong>der</strong> die chemische<br />

Industrie betreffende Fragen für sich genommen<br />

anzugehen. Vielmehr geht es darum,<br />

umfassende Stoffströme entlang <strong>der</strong><br />

Produkt! i nien -ökonomisch <strong>der</strong> Wertschöpfu<br />

ngsketten - im H<strong>in</strong>blick auf ihre Gesundheits-<br />

und Umweltverträglichkeit anzugehen.<br />

Zusammenfassend geht es darum, stoffökologische<br />

Perspektiven <strong>der</strong> Industriegesellschaft<br />

gemäß dem Leitbild <strong>der</strong> nachhalti<br />

g zukunftsverträglichen Entwicklung (susta<strong>in</strong>able<br />

development) zu entwickeln und<br />

umzusetzen. Neue Stichworte wie Stoffeffizienz,<br />

über e<strong>in</strong>zelne Grenzwerte h<strong>in</strong>ausgehende<br />

Betrachtung <strong>der</strong> Stoffströme, Produktl<strong>in</strong>ie<br />

nbetrachtungen etc. werden zur<br />

Diskussion gestellt. Angelehnt an e<strong>in</strong>en<br />

Ansatz, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen vom dortigen<br />

Verband <strong>der</strong> chemischen Industrie <strong>in</strong>duziert<br />

wurde - <strong>in</strong>tegrated substance-cha<strong>in</strong><br />

management 61 - wird die Aufgabenstellung<br />

1) BACCJNI, Peter et al.: Von <strong>der</strong> Entsorgung<br />

zum Stoffhaushalt. Dre Steuerung anthropogener<br />

Stoffflüsse als <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Aufgabe.<br />

l\lüll und Abfall 17 (4), 1985, S. 99-106.<br />

BACCINf, Peter und BRUNNER, Paul H.:<br />

Metabolism of the Anthroposphere. Spr<strong>in</strong>ger-Verlag<br />

Berl<strong>in</strong> u.a., 1991.<br />

2) ENQUETE-KOl\1MISSION des 11. Deutschen<br />

Bundestages Vorsorge zum Schutz<br />

Erdatmosphäre (Hg.): Schutz <strong>der</strong> Erdatmosphäre-<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

Zwischenbericht, Zur Sache 5/1988, Deutscher<br />

Bundestag, Bonn;<br />

s. ebenda: Schutz <strong>der</strong> Erde - E<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme<br />

mit Vorschlägen zu e<strong>in</strong>er neuen<br />

Energiepolitik. 3. Bericht <strong>der</strong> Kommission,<br />

Zur Sache 19/1990, Deutscher Bundestag<br />

(auch im Economica-Verlagerschicnen). Siehe<br />

auch die Studien des INTERGOVERNl\1ENT<br />

AL PANEL ON CLIMATIC<br />

CHANGE, e<strong>in</strong>e Organisation <strong>der</strong> World<br />

Meteorological Organization <strong>in</strong> Genf.<br />

3) DER RAT VON SACHVERSTÄNDIGEN<br />

FÜR UMWELTFRAGEN (Hg.): Abfallwirtschaft.<br />

Son<strong>der</strong>gutachten. Verlag H. Heger,<br />

Metzle r. Poeschcl.<br />

4) WORLD COMMISSION ON<br />

ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT<br />

(Hg.): OurCommon Future. Oxford University<br />

Press, Oxford, New York, 1987. Zur Diskussion<br />

dieses Leitbildes s. auch ENQUETE-<br />

KOl\1MISSION des 12. Deutschen Bundestages<br />

Schutz des Menschen und <strong>der</strong> Umwelt<br />

(Hg.): Verantwortung für die Zukunft. Wege<br />

zum nachhaltigen Umgang mit Stoff- und<br />

Matenalströmen. 3. Kapitel, Leitbil<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Stoffpolitik. Economica Verlag, 1993, Bonn.<br />

5) a.a.O., auch erschienen als Drucksache des<br />

Deutschen B undcstages 12/5812, 30.09 .1 993.<br />

6) VNCI (Verband <strong>der</strong>nie<strong>der</strong>ländischen chemischen<br />

Industrie) (Hg.): lntegratcd Substance<br />

Cha<strong>in</strong> Management. 1992, Leidschendam.

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