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Ökologische Umstellungen in der industriellen Produktion

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Diese E<strong>in</strong>wände - und es gibt <strong>der</strong>er noch<br />

mehrere 141 , hier sollten nur zwei exemplarisch<br />

genannt werden - sollen und können<br />

die Idee <strong>der</strong> Ökosteuern nicht entwerten; sie<br />

sollen jedoch e<strong>in</strong>e differenziertere Diskussion<br />

über E<strong>in</strong>satzmögl ichkeiten, Stellenwert<br />

und F<strong>in</strong>anzierungspotentiale dieser Vorschläge<br />

ermöglichen. Es würde <strong>der</strong> Diskussion<br />

nicht weiterhelfen, wenn euphorisch<br />

Vorschläge <strong>in</strong> den Raum gestellt werden,<br />

die bei näherer Prüfung erhebliche Schwachstellen<br />

aufweisen. Dies würde e<strong>in</strong>er Tendenz<br />

Vorschub leisten, die <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren deutlich zu beobachten war: Alle<br />

lieben pr<strong>in</strong>zipiell die sog. marktwirtschaftlichen<br />

Instrumente <strong>der</strong> Umweltpolitik; wenn<br />

es aber ernst wird, werden sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> politischen<br />

Praxis stiefmütterlich behandelt.<br />

6 Umsetzungsprobleme e<strong>in</strong>er<br />

preislichen Steuerung <strong>der</strong> Nutzung<br />

knapper Umweltressourcen<br />

Wi<strong>der</strong>stände gegen <strong>der</strong>artige Strategien lassen<br />

sich vor allem auf drei Ebenen festmachen.<br />

Zum e<strong>in</strong>en gibt es b<strong>in</strong>nenadm<strong>in</strong>istrative<br />

Vorbehalte gegenüber je<strong>der</strong> Art von<br />

Ressourcennutzung, die auf marktnahe Verfah<br />

ren setzt. Das Mißtrauen gegenüber autonomen<br />

Handlungsspielräumen und die<br />

Skepsis gegenüber sich <strong>in</strong> Grenzen selbst<br />

regulierenden Handlungsabläufen (etwa<br />

Zahlung e<strong>in</strong>er Abgabe an Stelle des Vorschreibens<br />

e<strong>in</strong>er Vermeidungstechnologie)<br />

ist groß. Die juristische Vorbildung <strong>der</strong><br />

M<strong>in</strong>isterialbürokratie erklärt zum Teil die<br />

Dom<strong>in</strong>anz ordnungsrechtlich strukturierter<br />

Ressourcennutzungspolitik.<br />

Die zweite L<strong>in</strong>ie des Wi<strong>der</strong>standes läßt sich<br />

bei den <strong>in</strong>dustriellen Interessenverbänden<br />

orten. Dies ist e<strong>in</strong>sichtig und auch folgerichtig,<br />

da es Verbandsaufgabe ist, zusätzliche<br />

Kostenbelastungen von den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

abzuwehren. Zur Absicherung <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Argumentation wird bei <strong>der</strong> Kostenbelastung<br />

zunehmend auf die Gefährdung<br />

des Wirtschaftsstandortes Deutschland<br />

verwiesen. Im Augenblick s<strong>in</strong>d jedoch<br />

Anhaltspunkte rar, daß durch die Umweltpolitik<br />

die Qualität des Wirtschaftsstandortes<br />

Deutschland generell bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

wird 151 •<br />

Wi<strong>der</strong>stand wird drittens bei den privaten<br />

Haushalten zu erwarten se<strong>in</strong>; auch dieser<br />

Wi<strong>der</strong>stand wird se<strong>in</strong>en Nachhall im Spektrum<br />

<strong>der</strong> politischen Parteien f<strong>in</strong>den. Denn<br />

die privaten Haushalte s<strong>in</strong>d diejenigen, die<br />

letztlich die Belastungen - als e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung<br />

ihrer Güterversorgung - zu tragen<br />

haben 161 • Es verwun<strong>der</strong>t nicht, daß bei<br />

den privaten Haushalten <strong>der</strong> Umweltschutz<br />

solange hoch geschätzt wird, solange die<br />

F<strong>in</strong>anzierungsfrage nicht gestellt wird.<br />

Man mag dies alles bedauern, die Akteure<br />

im politischen System des Dogmatismus<br />

zeihen, den Unternehmen ihre nur an e<strong>in</strong>zelwircschaftlichen<br />

Interessen ausgerichtete<br />

Argumentation vorhalten, die privaten Haushalte<br />

an ihre Verantwortung für zukünftige<br />

Generationen er<strong>in</strong>nern und sie ob ihrer mangelnden<br />

Solidarität mit an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong><br />

Welt schelten. Än<strong>der</strong>n wird man dies erst<br />

dann können, wenn neben den weiterh<strong>in</strong><br />

notwendigen staatlichen Interventionen, e<strong>in</strong><br />

(neues) ökologisches Bewußtse<strong>in</strong> entstanden<br />

ist, wenn die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er dauerhaften<br />

Entwicklung zum Leitpr<strong>in</strong>zip westlicher<br />

Industriegesellschaften geworden ist,<br />

wenn an<strong>der</strong>e Lebensstile und Konsummuster<br />

unsere heutigen auslaufenden Modelle<br />

abgelöst haben.<br />

Dazu ist es erfor<strong>der</strong>lich, auch im Bereich <strong>der</strong><br />

Interessenverbände, das Aufbrechen alter<br />

Verkrustungen und die Bildung neuer, strategischer<br />

Allianzen zu forcieren, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit die Notwendigkeit des Umbaus<br />

<strong>der</strong> <strong>Produktion</strong> deutlich herauszustellen.<br />

Dies nicht zuletzt, um öffentlichen Druck<br />

auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben.<br />

Als Beispiel soll hier das geme<strong>in</strong>same<br />

"Plädoyer für e<strong>in</strong>e ökologisch orientierte<br />

Soziale Marktwirtschaft" zweier Interessenverbände<br />

genannt werden, bei denen man<br />

auf den ersten Blick - da es sich um e<strong>in</strong>e<br />

Naturschutzorganisation und um e<strong>in</strong>en Unternehmerverband<br />

handelt - eher Dissens <strong>in</strong><br />

Sachen Umweltpolitik vermutet hätte. Der<br />

Bund für Umwelt- und NaturschutzDeutschland<br />

(BUND) und <strong>der</strong> Bundesverband junger<br />

Unternehmer (BJU) s<strong>in</strong>d sich jedoch<br />

e<strong>in</strong>ig 171 , daß die Lösung <strong>der</strong> (globalen)<br />

Umweltprobleme zur Kernfrage des Überlebens<br />

unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft<br />

geworden ist. Darüberh<strong>in</strong>aus ertei Jen<br />

sie den aktuellen Äußerungen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

augenblicklichen Situation e<strong>in</strong>er strukturellen<br />

und konjunkturellen Krise e<strong>in</strong>e Vertagung<br />

des Umweltschutzes für das angemessene<br />

Mittel halten, den "Standort Deutschland"<br />

zu festigen, e<strong>in</strong>e klare Absage.<br />

In ihrer Strategieempfehlung setzen sie auf<br />

zwei Eckpfeiler: die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er<br />

Schließung <strong>der</strong> Stoffkreisläufe und die Korrektur<br />

des Preissystems. Diese Korrektur<br />

sollte - womöglich - durch Zertifikate und -<br />

als zweitbeste Lösung- durch Umweltsteuern<br />

und -abgaben erfolgen. Als schnell realisierbare<br />

Maßnahme wird e<strong>in</strong>e aufkommensneutrale<br />

Umgestaltung des Steuersystems<br />

gefor<strong>der</strong>t. Diese Maßnahmen würden<br />

143<br />

dazu führen, und so endet <strong>der</strong> Strategieteil<br />

<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Erklärung, daß "wir heute<br />

die Produkte und Leistungen entwickeln,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft benötigt werden. Sie<br />

werden sich weltweiter Nachfrage erfreuen,<br />

da sie nachhaltigen Nutzen liefern und die<br />

Belastbarkeit <strong>der</strong> Ökosysteme berücksichtigen."<br />

Zusammenfassung<br />

Die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es ökologischen<br />

Umbaus unserer Volkswirtschaft ist weitgehend<br />

unbestritten. Dazu ist es notwendig,<br />

die ökonomischen Strukturen nachhaltig zu<br />

verän<strong>der</strong>n. Da "Preise" bei <strong>der</strong> Herausbildung<br />

dieser Strukturen maßgeblich<br />

beteiligt waren, liegt es nahe, sie auch für<br />

den Umbau nutzbar zu machen. Trotz e<strong>in</strong>iger<br />

E<strong>in</strong>wJnde im Detail ersche<strong>in</strong>en die "Öko-<br />

Steuern" hierfür als geeignetes Instrument.<br />

Vor dem praktischen E<strong>in</strong>satz von "Öko-<br />

Steuern" bZ\\'. <strong>der</strong> Durchführung e<strong>in</strong>er ökologischen<br />

Steuerreform s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Wi<strong>der</strong>ständen zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Anschrift des Verfassers<br />

Eckhard Bergmann<br />

(Arbeitskreis Wirtschaft und<br />

F<strong>in</strong>anzen des BUND)<br />

Kartäuserwall 19-21<br />

50678 Köln<br />

14) Vern iesen werden soll an dieser Stelle noch<br />

auf die verteilungspolitischen Probleme(Klaus<br />

ZIMl\IERMANN ( 1985): Umweltpolitik und<br />

Verteilung, Berl<strong>in</strong>), die rcgionalwirtschaftliche<br />

Dimension (Eckhard BERGMANN<br />

( 1992): Raumordnung, Umweltschutz und<br />

die Wahl <strong>der</strong> Instrumente. In: Informationen<br />

zur Raumentwicklung, Heft 2/3, S. 107 ff.)<br />

und auf die Schwierigkeiten mit dem F<strong>in</strong>anzausgleich<br />

(Erik GA WEL ( 1982): Fi nanzausgleichsprobleme<br />

e<strong>in</strong>es Öko-Steuersystems. In:<br />

Wirtschaftsdienst. Heft 8, S. 428 ff.).<br />

15) Siehe etwa die im Auftrag des Umweltbundesamtes<br />

erfolgte Untersuchung des DIW<br />

und des RWT zum Thema "Um\\ eltschutz und<br />

Standortqualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland". E<strong>in</strong>e knappe Zusammenfassung<br />

f<strong>in</strong>de! sich im Wochenbericht 16/93 des<br />

DIW. Kritische Anmerkungen hierzu s<strong>in</strong>d zu<br />

f<strong>in</strong>den bei G. VOSS (1993): Umweltschutz<br />

und Industriestandort. Beilage zum Um1\ eltreport<br />

311993. Institut <strong>der</strong> Deutschen Wirtschaft.<br />

Köln.<br />

16) Es ist bei vielen Szenarien - et\\ a Meadows -<br />

nicht leicht vorstellbar. "daß sich alle ökologisch<br />

angezeigten Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>Produktion</strong><br />

und Konsumtion ohne Verzicht machen<br />

lassen:· Bernd ULRICH ( 1992): Nicht weniger.<br />

nur an<strong>der</strong>s? ökologische Strategien und<br />

Wachstumskrise. S. 950. In: Blätter für deutsche<br />

und <strong>in</strong>ternationale Politik. Heft 8, S. 946<br />

ff.<br />

17) Geme<strong>in</strong>sames Statement von BJU und BUND<br />

( 1993): Plädoyer für e<strong>in</strong>e ökologisch orientierte<br />

soziale Marktwirtschaft. Bonn, August.

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