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Ökologische Umstellungen in der industriellen Produktion

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Schr.-R. d. Deutschen Rates für Landespflege (1994). Heft 65, S. 39-40 39<br />

Konrad Keller<br />

Von <strong>der</strong> Abfall- zur Kreislaufwirtschaft<br />

Die Umweltpolitik <strong>der</strong> 90er Jahre wird von<br />

zukünftigen Generationen auch daran gemessen<br />

werden, ob es gel<strong>in</strong>gt, vom jetzigen<br />

Reparaturbetrieb und se<strong>in</strong>er "end-of-pipe" -<br />

Technologie zu e<strong>in</strong>er vorsorgenden Handlungsweise<br />

zu gelangen, die unser gesamtes<br />

Wirtschaften umschließt. Wie auch die Tagung<br />

des Deutschen Rates für Landespflege<br />

<strong>in</strong> Loccum bewies, wird die Diskussion um<br />

die notwendigen Ziele und die Wege, wie<br />

man zu diesen Zielen gelangen will, <strong>in</strong> Fachkreisen<br />

zunehmend <strong>in</strong>tensiv geführt. Der<br />

Leitgedanke, sich auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bisher auf<br />

Konsum und Wachstum orientierten Gesellschaft,<br />

für die das "Unbrauchbare", nicht<br />

weiter nützliche Konsumgut als Abfall weggeschafft<br />

wird, am Pr<strong>in</strong>zip des natürlichen<br />

Kreislaufes zu orientieren, übt e<strong>in</strong>e Fasz<strong>in</strong>ation<br />

aus. Machen wir es <strong>der</strong> Natur nach,<br />

stellen wir unsere <strong>Produktion</strong>sweise auf<br />

geschlossene Kreisläufe um. Die täglich erzeugten<br />

Schadstoffe im <strong>Produktion</strong>s- und<br />

Verarbeitungsprozeß, die wir mit zum Teil<br />

irreversiblen Folgen <strong>in</strong> unsere Umwelt abgeben,<br />

müssen verschw<strong>in</strong>den, die nicht mehr<br />

gebrauchsfähigen Güter müssen zu gleichwertigen<br />

Gütern umgewandelt und wie<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> den Umlauf gegeben werden. Für je<strong>der</strong>mann<br />

ist e<strong>in</strong>sichtig, daß wir nur auf diese<br />

Art und Weise aus dem Dilemma <strong>der</strong> sich<br />

akkumulierenden Belastung <strong>der</strong> Biosphäre<br />

und aus <strong>der</strong> bisher praktizierten Ressourcenverschwendung<br />

herausf<strong>in</strong>den.<br />

Die Erreichung dieses Zieles sieht e<strong>in</strong>e tiefgreifende<br />

ökologische Umsteuerung unserer<br />

Wirtschafts- und Lebensweise voraus,<br />

die nur auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>es breiten gesellschaftlichen<br />

Konsenses gel<strong>in</strong>gen kann.<br />

Wenn e<strong>in</strong>e "nachhaltige" Wirtschaft als<br />

Modell geschaffen werden soll, das übertragbar<br />

ist, dann bedeutet dies<br />

• Aufbau e<strong>in</strong>er echten Kreislaufwirtschaft,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> die Hersteller fi.ir ihre Produkte von<br />

<strong>der</strong> Konstruktion an bis zu ihrer "Wie<strong>der</strong>geburt"<br />

die volle Verantwortung übernehmen;<br />

• Internalisierung <strong>der</strong> externen Umweltkosten<br />

<strong>in</strong> die Kostenrechnung <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>es Öko-Sozialproduktes;<br />

dies würde erhebliche Lenkungseffekte<br />

zugunsten e<strong>in</strong>er umweltverträglichen<br />

<strong>Produktion</strong> auslösen;<br />

• Schrittweise Ökologisierung des gesamten<br />

Steuersystems mit dem Ziel e<strong>in</strong>er Belohnung<br />

rohstoffschonen<strong>der</strong> und energieeffizienter<br />

Wirtschafts- und Lebensweisen;<br />

• Umstellung <strong>der</strong> Energieerzeugung, Dezentralisierung<br />

<strong>der</strong> Energieversorgung und<br />

• E<strong>in</strong>schränkung des Individualverkehrs.<br />

Wird es <strong>der</strong> Umweltpolitik <strong>der</strong> 90er Jahre<br />

gel<strong>in</strong>gen, wenigstens ansatzweisedieseZielvorstcllungen<br />

<strong>in</strong> die Gesetzgebung zu transportieren,<br />

um den richtigen Weg e<strong>in</strong>zuschlagen?<br />

Zum Ende <strong>der</strong> Legislaturperiode <strong>in</strong> Bonn<br />

werden wir mehr als e<strong>in</strong> Drittel des Jahrzehnts<br />

h<strong>in</strong>ter uns haben. Wie die aktuellen<br />

politischen Äußerungen zur Umweltpolitik<br />

zeigen, wird <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Ansatz das Abfallrecht<br />

se<strong>in</strong>, mitdemdie Umsteuerung begonnen<br />

werden kann, weil weitere wichtige<br />

umweltpoli tische Vorhaben nicht mehr auf<br />

<strong>der</strong> Agenta stehen. Die praktische Umweltpolitik<br />

muß sich also um e<strong>in</strong>e optimale<br />

Gestaltung dieses Regelwerkes kümmern,<br />

damit dort die notwendigen Grundlagen<br />

geschaffen werden.<br />

Es soll hier ke<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

dem Gesetzentwurf <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz<br />

erfolgen. Es geht vielmehr darum, die notwendigen<br />

Grundlagen aufzuzeigen, die e<strong>in</strong><br />

solches Gesetz legen muß, damit e<strong>in</strong>e "aufwärtskompatible"<br />

Regelung <strong>der</strong> Stoffwirtschaft<br />

<strong>in</strong>sgesamt möglich wird.<br />

Erster wesentlicher Punkt ist die Frage <strong>der</strong><br />

Zielhierarchie Vermeiden, Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

Verwerten. Was heute unter Abfallvermeidung<br />

gerechnet wird, verdient <strong>in</strong> vielen Fällen<br />

den Namen nicht. Auffallendes Beispiel<br />

ist die Verpackungsverordnung (Verpack V),<br />

<strong>der</strong>en Struktur gerade nicht <strong>in</strong> die skizzierte<br />

Richtung <strong>der</strong> Kreislaufwirtschaft geführt hat,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> die Hersteller die Verantwortung für<br />

ihr Produkt haben. Sie hat im Gegenteil zum<br />

Ergebnis, daß sich die Hersteller ihrer Verantwortung<br />

durch den Aufbau e<strong>in</strong>er gigantischen<br />

"Entsorgungs- und Verwertungswirtschaft"<br />

mit zweifelhaftem Erfolg entziehen<br />

konnten. Die Verpack V spricht von<br />

"Abfall vermeiden" durch Verwerten. Diese<br />

bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> offiziellen Politik vorherrschende<br />

Auffassung muß gesetzlich abgeschafft<br />

werden. Wir wollen we<strong>der</strong> Abfälle<br />

vermeiden, <strong>in</strong>dem wir sie e<strong>in</strong>fach begrifflich<br />

zu "Rückständen" o<strong>der</strong> "Werkstoffen" deklarieren,<br />

noch wollen wir sie vermeiden,<br />

<strong>in</strong>dem wir sie bed<strong>in</strong>gungslos verwerten.<br />

Wenn verwertet wird, sollte das beim Namen<br />

genannt werden, damit die Problemlage<br />

klar und deutlich wird. Es muß dann<br />

entschieden werden, was mit Reststoffen zu<br />

geschehen hat und welche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

konkret an die Verwertung von Stoffen zu<br />

stellen s<strong>in</strong>d.<br />

Vermeidung ist auf verschiedenen Ebenen<br />

zu betrachten: E<strong>in</strong>erseits im <strong>Produktion</strong>sprozeß,<br />

<strong>in</strong> dem geprüft werden kann, ob<br />

Verfahren denkbar s<strong>in</strong>d, die zu wenigero<strong>der</strong><br />

gar ke<strong>in</strong>en Reststoffen o<strong>der</strong> aber zu wie<strong>der</strong>nutzbaren<br />

Reststoffen führen. Dazu gehört<br />

auch die Prüfung <strong>der</strong> Frage, <strong>in</strong>wieweit Sekundärrohstoffe<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden können.<br />

Denn auch durch ihren E<strong>in</strong>satz können Abfälle<br />

vermieden werden, die bei <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nung<br />

von Rohstoffen anfallen. Der E<strong>in</strong>satz<br />

beispielsweise von Altmetall ist daher nicht<br />

nur Verwertung, son<strong>der</strong>n auch Vermeidung.<br />

Vermeidung geht aber weiter. Ernstgenommen<br />

hat sie Auswirkungen auf das Produkt.<br />

Die Konstruktion von langlebigen und reparaturfreundlichen<br />

Produkten trägt erheblich<br />

zur Abfall vermeidung bei, weil weniger dieser<br />

Produkte <strong>in</strong> Umlauf geraten. Ich brauche<br />

das Bügeleisen, bei dem e<strong>in</strong> elektrischer<br />

Kontakt defekt ist, nicht wegzuwerfen, wenn<br />

ich es aufschrauben und reparieren kann.<br />

Folglich brauche ich auch kei n neues zu<br />

kaufen. Der Langlebigkeit wird entgegengehalten,<br />

daß sie den technischen und damit<br />

auch ökologischen Fortschritt hemme; dieses<br />

Argument muß natürlich ernst genommen<br />

werden; bei <strong>in</strong>telligenter Konstruktion<br />

von Gebrauchsgütern schließen sich diese<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen aber nicht zwangsläufig aus.<br />

Schließlich stellt sich bei <strong>der</strong> Vermeidung<br />

die Frage <strong>der</strong> Notwendigkeit des E<strong>in</strong>satzes<br />

von Gebrauchsprodukten überhaupt. Ich will<br />

die Problematik mit zwei Stichworten anreißen,<br />

ohne hier weiter darauf e<strong>in</strong>gehen zu<br />

können: Braucht die zukünftige Gesellschaft<br />

E<strong>in</strong>wegfeuerzeuge o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>wegkameras?<br />

Und muß je<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Auto haben o<strong>der</strong> si nd<br />

Modelle wie "car-shar<strong>in</strong>g" o<strong>der</strong> das Vermitteln<br />

von Dienstleistungen für den Indi\'idual<br />

verkehr von Autofirmen nicht zukunftsträchtig?<br />

Diese Fragen rütteln an den Grundlagen<br />

<strong>der</strong> Marktwirtschaft, aber sie stellen<br />

sich nach me<strong>in</strong>er Auffassung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft

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