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Ökologische Umstellungen in der industriellen Produktion

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3. Zusätzliche Stressoren<br />

Befall des geschwächten Organismus<br />

durch Nematoden <strong>in</strong> Lunge und Herz (Parasitenbefall<br />

II).<br />

Grundsätzliche Bedeutu11g <strong>der</strong> Analyse:<br />

Katastrophen und Epidemien gehören zum<br />

natürlichen Geschehen <strong>der</strong> Biosphäre. Es<br />

g<strong>in</strong>g bei <strong>der</strong> vorliegenden Analyse des Seehundsterbens-wie<br />

bei den meisten ökologischen<br />

Prozessen - nicht um die Entdeckung<br />

<strong>der</strong> Ursache, son<strong>der</strong>n um den Versuch <strong>der</strong><br />

Erfassung <strong>der</strong> ganzen Vielschichtigkeit des<br />

Geschehens, vor allem aber auch um die<br />

Überlagerung natürlicher Prozesse <strong>in</strong> Nordsee<br />

und Wattenmeer mit menschlich verursachten,<br />

korrigierbaren E<strong>in</strong>griffen und Belastungen.<br />

Das Beispiel Seehundsterben<br />

1988 vermittelt so e<strong>in</strong>e modellhafte Vorstellung<br />

vom möglichen Ablauf ökologischer<br />

Belastungsprozesse.<br />

Nordsee und Wattenmeer als<br />

Endlager für Schadstoffe<strong>in</strong>träge -<br />

Konsequenzen<br />

Spätestens seit dem Vorliegen <strong>der</strong> Ergebni<br />

sberichte <strong>der</strong> Forschungsvorhaben<br />

"ZIS CH" und "TOSCH" (DEGENS &<br />

SÜNDERMANN 1989) wissen wir, daß<br />

die Nordsee Endlager für den überwiegenden<br />

Teil <strong>der</strong> e<strong>in</strong>geleiteten Schadstoffe ist.<br />

Dies gilt nicht nur für die 705 m tiefe Senke<br />

des Skagerrak, son<strong>der</strong>n - nach unserem heutigen<br />

Wissensstand - m<strong>in</strong>destens auch für<br />

die zentrale Nordsee. Jede künftige Umweltpolitik<br />

zur Sicherung von Wattenmeer<br />

und Nordsee muß hiervon ausgehen. Die<br />

Schadstoffanreicherung hat <strong>in</strong> Teilen <strong>der</strong><br />

Nordsee und im Wattenmeer zu chronischen<br />

und akuten Störungen und Än<strong>der</strong>u ngsprozessen<br />

<strong>in</strong> den Ökosystemen geführt. Die<br />

Erfahrungen an den mitteleuropäischen<br />

Waldökosystemen haben gezeigt, daß chronische<br />

Phasen ökologischer Störungsprozesse<br />

unerwartet und schnell <strong>in</strong> die akute<br />

Phase <strong>der</strong> Funktionsunfähigkeit und des<br />

Absterbens <strong>der</strong> Systeme führen können. Es<br />

ist möglich, daß sich mar<strong>in</strong>e Ökosysteme<br />

ähnlich verhalten. Das Risiko e<strong>in</strong>er solchen<br />

auf uns zukommenden Entwicklung ist erheblich<br />

und erfor<strong>der</strong>t umfassendes und rasches<br />

Handeln, nämlich e<strong>in</strong>e radikale Umstellung<br />

<strong>der</strong> bisherigen umweltpolitischen<br />

Vorstellungen und Maßnahmen im Küstenraum<br />

und im weiteren E<strong>in</strong>zugsbereich <strong>der</strong><br />

Nordsee.<br />

Um auch nur den heutigen Belastungszustand<br />

von Deutscher Bucht und Wattenmeer<br />

nicht weiter zu verschlechtern, dürfte ke<strong>in</strong>e<br />

weitere Ei nleitung von Schadstoffen und<br />

düngenden Substanzen erfolgen. Weitere<br />

alarmierende ökologische Funktionsstörungen<br />

o<strong>der</strong> gar katastrophale Ereignisse dürfen<br />

nicht mehr abgewartet werden.<br />

Weshalb reichen die bisherigen<br />

umweltpolitischen Instrumente<br />

(Grenzwerte) nicht mehr zur<br />

Sicherung nachhaltiger Leistungen<br />

<strong>der</strong> Naturpotentiale aus? Die<br />

Umstellung von <strong>der</strong> Nach- zur<br />

Vorsorge<br />

Aus <strong>der</strong> ökologischen Situationsanalyse<br />

geht hervor, daß <strong>in</strong> großen Teilen <strong>der</strong> Nordsee<br />

wie im Wattenmeer kritische Situationen<br />

mit Degradationen rnn Ökosystemen<br />

und <strong>der</strong>en Lebensgeme<strong>in</strong>schaften erreicht<br />

s<strong>in</strong>d. Zu den Konsequenzen angesichts dieser<br />

Situationen hat sich <strong>der</strong> Rat von Sachverständigen<br />

für Umweltfragen (S RU) bereits<br />

im Gutachten "Umweltprobleme <strong>der</strong><br />

Nordsee" ( 1980) klar geäußert. Er vertrat<br />

damals erstmalig den heute <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ökologie<br />

durchgehend akzeptierten Grundsatz: Zeigt<br />

sich für e<strong>in</strong> Ökosystem bei E<strong>in</strong>trag von<br />

Schadstoffen e<strong>in</strong> deutlich erkennbares Risiko,<br />

so s<strong>in</strong>d Maßnahmen <strong>der</strong><br />

Umweltvorsorge zu ergreifen, auch wenn<br />

die vermuteten Ursachen noch nicht e<strong>in</strong>deutig<br />

und durch langfristige Untersuchungen<br />

nachweisbar s<strong>in</strong>d (SRU 1980,<br />

Teilziffern 1439, 1442):<br />

Tz. 1439<br />

"E<strong>in</strong>e erfolgreiche Umweltpolitik für das<br />

Ökosystem Nordsee muß sich am Vorsorgepr<strong>in</strong>zip<br />

orientieren. Die Nordsee wird geradezu<br />

zum Testfall für die Durchsetzung<br />

des Vorsorgepr<strong>in</strong>zips. Solange katastrophale<br />

Ereignisse und alarmierende ökologische<br />

Funktionsstörungen noch nicht aufgetreten<br />

s<strong>in</strong>d, fehlt es möglicherweise an dem notwendigen<br />

Problemdruck, um geeignete<br />

umweltpolitische Maßnahmen noch rechtzeitig<br />

<strong>in</strong> die Wege zu leiten. An<strong>der</strong>erseits<br />

dürften Schädigungen, die das Ökosystem<br />

Nordsee im ganzen verän<strong>der</strong>n, weitgehend<br />

irreversibel se<strong>in</strong>. Die Wirkungsmechanismen,<br />

die die Grenzen <strong>der</strong> Belastbarkeit des<br />

Ökosystems bestimmen, s<strong>in</strong>d zudem weitgehend<br />

unbekannt. Die Umweltpolitik muß<br />

also ökologischen Fehlentwicklungen vorbeugen,<br />

ohne sich bei den im e<strong>in</strong>zelnen<br />

gebotenen Maßnahmen alle<strong>in</strong> an bereits<br />

abgestuft feststell baren Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

<strong>der</strong> Meeresumwelt ausrichten zu können."<br />

Tz. 1442<br />

"Daher fände das Vorsorgepr<strong>in</strong>zip se<strong>in</strong>en<br />

deutlichsten Ausdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong> allen Verursachern<br />

auferlegten Verpflichtung, bei ihren<br />

Nutzungen die jeweils verfügbare Vermeidungstechnik<br />

auch dann anzuwenden, wenn<br />

noch nicht nachweisbar ist, daß sonst mit<br />

konkreten Gefahren o<strong>der</strong> Schäden für die<br />

Meeresökologie gerechnet werden müßte."<br />

Diese For<strong>der</strong>ung des Sachverständigenrates<br />

haben sich seitdem die mit Belastungsfragen<br />

befaßten Meeresökologen weitgehend<br />

zu eigen gemacht.<br />

<strong>Produktion</strong>s<strong>in</strong>tegrierter und<br />

produktorientierter Umweltschutz<br />

im <strong>in</strong>dustriellen Bereich<br />

Stand <strong>der</strong> Methodik und Verfahren:<br />

Das Instrument <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung von Grenzweiten<br />

<strong>der</strong> Konzentration bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitung<br />

belasten<strong>der</strong> Stoffe <strong>in</strong> die Umweltmedien hat<br />

sich angesichts <strong>der</strong> weitgehenden I1Teversibilität<br />

des Anreicherungsprozesses als ungeeignet<br />

erwiesen. An se<strong>in</strong>e Stelle muß die<br />

Unschädlichmachung umweltbelasten<strong>der</strong><br />

Nebenprodukte im <strong>Produktion</strong>sprozeß treten<br />

bzw. die Substitution umweltschädlicher<br />

Endprodukte durch umweltverträgliche,<br />

d.h. Vorsorge statt Nachsorge.<br />

Dies gilt zunächst für die <strong>in</strong>dustrielle und<br />

gewerbliche <strong>Produktion</strong>. Zur Zeit verlagern<br />

wir hier lediglich die Probleme. Wir schieben<br />

sie vor uns her und belasten an<strong>der</strong>e<br />

Räume und Menschen sowie kommende<br />

Generationen durch Deponien, Zwischenlager,<br />

Verklappung <strong>in</strong> das Meer, Verbrennungsanlagenauf<br />

dem Festland und auf See<br />

durch Immissionen <strong>in</strong> die Umweltmedien<br />

Luft, Wasser und Boden. Unsere heutigen<br />

umweltpolitischen Maßnahmen stoßen nicht<br />

zu den Ursachen vor. Wir setzen überwiegend<br />

nur Re<strong>in</strong>igungstechniken e<strong>in</strong>, statt die<br />

Schadstoffentstehung im <strong>Produktion</strong>sprozeß<br />

zu ,·erh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Nötig wird e<strong>in</strong>e umweltpolitische<br />

Strategie, die zum Zentrum <strong>der</strong><br />

Risikoproduktion vorstößt, um mittel- bis<br />

langfristig vorsorglich umweltverträgliche<br />

<strong>Produktion</strong>sverfahren durchzusetzen (dazu<br />

BUCHWALD 1991 , Kap. 8).<br />

Der Zwang zur Entwicklung neuer, umwel<br />

tverträglicher Technologien ohne schädliche<br />

Neben- und Endprodukte ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />

größten Herausfor<strong>der</strong>ungen an die wissenschaftliche<br />

und technische Leistungsfähigkeit<br />

unserer Generation. Nehmen wir diese<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungjetzt, d.h. noch rechtzeitig,<br />

an, wird sich die so ausgelöste Innovationswelle<br />

kurz- und mittelfristig auch ökonomisch<br />

positiv auswirken.<br />

Umweltverträgliche<br />

<strong>Produktion</strong>sumstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft als Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong>e Reduzierung <strong>der</strong><br />

Eutrophierung und Biozidbelastung<br />

Umweltverträgliche <strong>Umstellungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Produktion</strong><br />

mit neuen Technologien werden<br />

flächendeckend auch für die Landwirtschaft<br />

nötig. Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Produktion</strong>smethoden<br />

<strong>der</strong> Landwirtschaft im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Umweltvorsorge<br />

heißt:<br />

• Extensi vierung auf ganzen Flächen durch<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Düngergaben, Verzicht<br />

auf Biozidgaben bzw. ihre Reduzierung<br />

und damit Reduzierung <strong>der</strong> <strong>Produktion</strong>smengen;

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