27.04.2014 Aufrufe

Ökologische Umstellungen in der industriellen Produktion

Ökologische Umstellungen in der industriellen Produktion

Ökologische Umstellungen in der industriellen Produktion

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

68 Schr.-R. d. Deutschen Rates für Landespflege ( 1994), Heft 65, S. 68-72<br />

FrankClaus<br />

<strong>Ökologische</strong> Perspektiven des Umstellungsprozesses am Beispiel <strong>der</strong><br />

Chemiewirtschaft; Problematik und Aufgabenstellung aus <strong>der</strong> Sicht e<strong>in</strong>es Natur- und<br />

Umweltschutzverbandes; Konversion <strong>der</strong> Chemischen Industrie<br />

Das Thema des Beitrags enthält die Begriffe<br />

"Umstellung" und "Chemiewirtschaft". Zu<br />

Beg<strong>in</strong>n sollen daherdie Konsequenzen di e-<br />

ser Aufgabenstellung kurz beleuchtet werden.<br />

Mit "Umstellung" ist die umweltorientierte<br />

Verän<strong>der</strong>ung des E<strong>in</strong>satzes von Stoffen,<br />

von Prozessen, von Produkten und von<br />

Strukturen zwischen den Beteiligten (Branchen,<br />

Öffentlichkeit, <strong>in</strong>kl. Kommunikation)<br />

geme<strong>in</strong>t. Unter "Chemiewirtschaft" wird<br />

zwarpri mär die Erzeugung chemischer Stoffe<br />

und Produkte verstanden, dazu gehört aber<br />

nicht nur die Chemie<strong>in</strong>dustrie, son<strong>der</strong>n auch<br />

diejenigen Branchen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />

<strong>Produktion</strong> nachgeschaltet s<strong>in</strong>d; "Chemiewirtschaft"<br />

reicht letzlich bis h<strong>in</strong> zum<br />

Konsumenten.<br />

Zur Situation<br />

E<strong>in</strong>e Umweltbelastung durch chemische<br />

<strong>Produktion</strong> und Produkte besteht nach wie<br />

vor: Über die Emission von Produkten und<br />

<strong>der</strong>en Bestand ist die Tendenz noch zunehmend.<br />

Betrachtet man die Belastungssituation<br />

von Umweltmedien, so s<strong>in</strong>d Durchflußmedien<br />

(Luft, Wasser) entlastet worden<br />

während sich an den "Endstationen" Schadstoffe<br />

noch zunehmend anreichern (z.B.<br />

Boden).<br />

Aus Sicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz<br />

(BUND) hat die Chlorchemie<br />

wegen vieler schwer abbaubarer Produkte<br />

daran e<strong>in</strong>en nicht unerheblichen Antei 1. Der<br />

BUND hat dahernach se<strong>in</strong>er Schwermetallkampagne<br />

aus den 80er Jahre n für die 90er<br />

Jahre die drastische Beschränkung <strong>der</strong> chlorchemischen<br />

Produkte als Ziel formuliert.<br />

E<strong>in</strong> entsprechendes Konzept dazu wird im<br />

Hauptteil dieses Beitrags vorgestellt.<br />

Räumlich gesehen führen die Umweltbelastungen<br />

zunehmend zur(teilweise nicht vorhergesehenen)<br />

E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Flächennutzungen.<br />

Im Entwurf für e<strong>in</strong> Bodenschutzgesetz<br />

werden nicht zuletzt deshalb als neue<br />

planerische Instrumente Bodensanierungsgebiete<br />

e<strong>in</strong>geführt. Die Devise lautet: Retten,<br />

was noch zu retten ist. Die Instrumente<br />

sollen z.T. über Umwege zum Ziel führen.<br />

Der Wechsel von "Reparatur" zur Vorsorge<br />

hat nach wie vor nicht stattgefunden. Chemiepolitik<br />

ist <strong>der</strong>zeit überwiegend reaktiY<br />

statt aktiv. Erst wenn Schäden bemerkbar<br />

s<strong>in</strong>d, reicht <strong>der</strong> politische Druck aus, um<br />

Än<strong>der</strong>ungen zu bewirken. Die Chancen zur<br />

E<strong>in</strong>leitung e<strong>in</strong>er vorsorgenden Umweltpolitik<br />

s<strong>in</strong>d mit <strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>igung vorerst<br />

wie<strong>der</strong> zunichte gemacht worden.<br />

In dieser Phase arbeitet erfreulicherweise<br />

e<strong>in</strong>e Enquete-Kommission des Deutschen<br />

Bundestages an <strong>der</strong> übergreifenden Aufgabe,<br />

von den im Vor<strong>der</strong>grund stehenden E<strong>in</strong>zeleffekten<br />

ausgehend, zu e<strong>in</strong>er Orientierung<br />

politischer Konzepte auf die Stoffströme<br />

zu gelangen. Bislang existierende Gesetze<br />

betreffen nur den E<strong>in</strong>satzei nzelner Stoffe<br />

o<strong>der</strong> die Begrenzung von Emissionen, aber<br />

nicht <strong>der</strong>en Weg. Der Stoffstrom ist noch<br />

nicht Gegenstand <strong>der</strong> Politik. Dazu s<strong>in</strong>d im<br />

folgenden e<strong>in</strong>ige Überlegungen enthalten.<br />

Der <strong>in</strong> den 80er Jahren begonnene Dialog<br />

zwischen <strong>der</strong> Chemischen Industrie und <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Umweltverbänden organisierten kritischen<br />

Öffentlichkeit ist <strong>in</strong>s Stocken geraten.<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Verbände ist er gescheitert.<br />

Die Industriegewerkschaft Chemie, Papier,<br />

Keramik zieht <strong>in</strong> Umweltfragen überwiegend<br />

an e<strong>in</strong>em Strang mi t dem Verband<br />

<strong>der</strong> Chemischen Industrie (VCI). Die Informationspolitik<br />

<strong>der</strong> meisten Unterne hmen<br />

und erst recht des VCI ist nach wie vor<br />

restriktiv. Die Kampagne "Chemie im Dialog"<br />

soll darüber nur h<strong>in</strong>wegtäuschen. Dabei<br />

ist Zukunftsgestaltung ohne den Dialog<br />

über die Bee<strong>in</strong>flussung von Stoffströmen<br />

undenkbar. Voraussetzung für die Kommunikation<br />

über Sachfragen ist die Erfüllung<br />

<strong>der</strong> bereits 1988 akzeptierten Br<strong>in</strong>gschuld<br />

<strong>der</strong> Chemischen Industrie für Umweltdaten.<br />

Konversion <strong>der</strong> Chlorchemie<br />

E<strong>in</strong>e Anfor<strong>der</strong>ung an die Umstrukturierung<br />

<strong>der</strong> Chemiewirtschaft besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abkehr<br />

von <strong>der</strong> Chlorchemie. Der BUND hat zur<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> bereits seit längerem<br />

laufenden Debatte kürzlich e<strong>in</strong> ökologisch<br />

begründetes Konversionskonzept vorgelegt<br />

(BUND 1993). Auf die zahlreichen<br />

Argumente für die Verr<strong>in</strong>gerung des Chlor-<br />

Stoffstromes möchte ich hier nicht erneut<br />

e<strong>in</strong>gehen, sie s<strong>in</strong>d sattsam bekannt(vgl. z.B.<br />

BUND/Ev. Akademie Bad Boll 1990).<br />

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen<br />

hat 1990 se<strong>in</strong>e Position klargestellt: "Der<br />

Rat unterstützt daher alle s<strong>in</strong>nvollen Bestrebungen,<br />

die e<strong>in</strong>em weiteren Ausbau <strong>der</strong><br />

Chlorchemie vorbeugen können und die<br />

darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e tendenzielle Rückbildung<br />

ihrer dom<strong>in</strong>ierenden Rolle ermöglichen."<br />

(Abfallgutachten des SRU 1990, Tz.<br />

752.) Und: "Im H<strong>in</strong>blick auf den zeitlichen<br />

Rahmen <strong>der</strong> Substituierbarkeit und Rückbildung<br />

<strong>der</strong> Chlorchemie ist zu unterscheiden<br />

zwischen chlorhaltigen Produkten .. .<br />

und chlorhaltigen Reaktionsvermittlern <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Produktion</strong>. Während be.i ersteren e<strong>in</strong><br />

möglichst rascher Abbau, beg<strong>in</strong>nend bei<br />

den <strong>in</strong> die Umwelt gelangenden und dort<br />

persistierenden Verb<strong>in</strong>dungen zu for<strong>der</strong>n<br />

und möglich ist, bedarf es bei letzteren <strong>der</strong><br />

längerfristigen Umstellung." (Tz. 753) Diese<br />

Vorgehensweise verkennt nicht, daß Chlor<br />

nicht überall kurz- o<strong>der</strong> mittelfristig ersetzbar<br />

se<strong>in</strong> wird.<br />

Der BUND legt nun e<strong>in</strong> Szenario vor, an<br />

dem unsere Vorstellungen deutlicher werden.<br />

Das umweltbezogene Ziel besteht dar<strong>in</strong>,<br />

den Chlorverbrauch <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen<br />

Industrie bis zum Jahr 2010 um 70to zu<br />

reduzieren, um damit mittelfristig auch den<br />

E<strong>in</strong>trag von damit gekoppelten Stoffen <strong>in</strong><br />

die Umwelt zu verri ngern. Das Szenario<br />

dient dazu Prioritäten zu setzen, um e<strong>in</strong>e<br />

deutliche Umweltentlastung zu erreichen:<br />

<strong>der</strong> geordnete Rückzug wird beschrieben.<br />

Die Strategie sollte für die Hersteller und<br />

Nutzer von chlorchemischen Produkten<br />

Klarheit br<strong>in</strong>gen, denn nur dann ist mit<br />

Investitionen <strong>in</strong> alternative Prozesse und<br />

Produkte zu rechnen. Die Umstrukturierung<br />

kann dann auch sozial vernünftig abgefe<strong>der</strong>t<br />

werden, da es nicht um e<strong>in</strong>e Abschaffung<br />

<strong>der</strong> Chemie<strong>in</strong>dustrie, son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong>en geplanten<br />

Strukturwandel geht.<br />

Realistischerweise gehen wir davon aus,<br />

daß Chlor als Grundstoff nicht überall kurzbis<br />

mittelfristig ersetzbar se<strong>in</strong> wird. Es bedarf<br />

daher Übergangszeiten und Zwischenzielen.<br />

Denn die Schrumpfung <strong>der</strong> Chlorchemie<br />

<strong>in</strong> Deutschland darf nicht mit Problemverlagerungen<br />

erkauft werden. Beispielsweise<br />

ist die Stillegung von PVC-<br />

<strong>Produktion</strong>skapazitäten ke<strong>in</strong> Erfolg, wenn<br />

nicht auch die Verbrauchsmengen zurückgehen.<br />

Neben <strong>der</strong>räumlichen Problemverlagerung<br />

ist auch die Verlagerung toxischer Risiken<br />

zu beachten. Chlorierte Lösemittel werden<br />

beispielsweise häufig durch Kohlenwasser-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!