UND LANDWIRTSCHAFT - Schweizer Fleisch
UND LANDWIRTSCHAFT - Schweizer Fleisch
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im Jahr 2050 ein Hektar Ackerfläche 5,5<br />
bis 6 Menschen ernähren muss.<br />
Von der Übernahme ausländischer<br />
Ideen zur Nutztierhaltung und der in die<br />
Wege geleiteten Ablösung der bäuerlichen<br />
Tierhaltung durch industrielle Tierproduktionsformen<br />
profitierten in der<br />
Schweiz zwischen 1965 und 1985 primär<br />
Metzger, Detailhandel und Konsumenten.<br />
Was früher wenigen Reichen vorbehalten<br />
war, wurde in kurzer Zeit – weil<br />
nun für jedermann erschwinglich – zu<br />
einer Selbstverständlichkeit: unser täglich<br />
<strong>Fleisch</strong>. Doch während die Tierhaltung<br />
boomte und Milchprodukte, <strong>Fleisch</strong><br />
und Eier immer billiger wurden, bezahlten<br />
die Nutztiere die Zeche. Denn die von<br />
Wissenschaft und Beratung propagierten<br />
platz- und arbeitssparenden Haltungsformen<br />
sowie die einseitige Leistungszucht<br />
blendeten das Wesen und die Biologie der<br />
Tiere fast vollkommen aus. Deren Bedürfnisse<br />
wurden auf Nahrung und Wasser<br />
reduziert, also weniger, als jeder Pflanze<br />
zugestanden werden muss. Selbst das Tageslicht<br />
wurde den Schweinen und Hühnern<br />
damals gestrichen!<br />
Besonders hart traf es die Schweine.<br />
Durften sich Muttersauen in der ersten<br />
Hälfte des 20. Jahrhunderts noch zusammen<br />
auf den Weiden tummeln und erhielten<br />
Mastschweine regelmässigen Auslauf<br />
ins Freie, wurden sie ab den 1960er-Jahren<br />
komplett eingesperrt. An einem eng<br />
gezurrten Riemen um die Brust angebunden<br />
oder lebenslänglich in einen Käfig<br />
aus Eisenrohren gesteckt, dem sogenannten<br />
Kastenstadn, in dem sich das<br />
Tier nicht einmal drehen konnte, so stellte<br />
sich die brutale Realität für Generationen<br />
von Muttersauen dar! Ihren Kindern, den<br />
Mastschweinen, erging es nicht besser.<br />
Kurz nach der Geburt wurden ihnen routinemässig<br />
die Eckzähnchen herausgebrochen<br />
und der Schwanz abgeschnitten,<br />
die männlichen Tiere wurden kastriert<br />
– alles ohne Schmerzausschaltung! In<br />
Zehnergruppen vegetierten sie in dunklen<br />
Ställen ohne Einstreu, auf vollperforierten<br />
Betonböden und in Kot und Harn<br />
liegend der Schlachtung entgegen. Wenigstens<br />
war man damals noch ehrlich:<br />
Vertreter der Mastleistungsprüfungsanstalt<br />
Sempach bezeichneten in den<br />
1970er-Jahren diese Vollspaltenbodenhaltung<br />
Besuchern gegenüber als «hart»;<br />
man wusste also, was man den Tieren antat.<br />
Erst zehn Jahre später, als diese Tierquälerei<br />
verstärkt in die öffentliche Kritik<br />
geriet, behaupteten die Branchenfunktio-<br />
In den Kastenständen<br />
konnten sich die Sauen<br />
nicht mehr bewegen<br />
näre zynisch, den Schweinen würde es an<br />
nichts fehlen, schliesslich wüchsen sie ja<br />
und setzten fleissig <strong>Fleisch</strong> an.<br />
Die einst mit Recht stolzen <strong>Schweizer</strong><br />
Viehzüchter verloren ihre Verbundenheit<br />
mit den Kühen und liessen sich in<br />
jener Zeit von den angeblichen Vorzügen<br />
der dauernden Anbinde- und Stallhaltung,<br />
extrem kurzen Lägern und dem<br />
elektrischen Kuhtrainer überzeugen. Sie<br />
beerdigten ihre eigenen Vorstellungen<br />
von Tierzucht und deren Zielen und begannen,<br />
mehr und mehr Genetik zu importieren.<br />
Das ursprüngliche Freiburger<br />
Schwarzfleckvieh verschwand vollständig.<br />
Die auf Zweinutzung gezüchteten<br />
«Original»-Simmentaler- und Braunviehkühe<br />
stellen heute kleine Minderheiten<br />
dar; durchgesetzt haben sich milchbetonte<br />
US-Holstein- (rot und schwarz) und<br />
Brownswiss-Herkünfte. Wie Schweine<br />
wurden auch Mastrinder und -munis in<br />
Vollspaltenbodenbuchten platzsparend<br />
gemästet. Auf der Fläche eines durchschnittlichen<br />
Wohnzimmers von 30 Quadratmetern<br />
quetschte man bis zu fünfzehn<br />
der 500 Kilogramm schweren Mastmunis<br />
zusammen. Kälbchen zog man Maulkörbe<br />
an, damit sie ja kein Hälmchen Heu fressen<br />
konnten und ihr <strong>Fleisch</strong> blendend<br />
weiss wurde. Einzeln vegetierten sie in<br />
kleinen Holzverschlägen, aus denen sie<br />
erst zur Schlachtung herauskamen.<br />
Ein Grossteil der <strong>Schweizer</strong> Bauern<br />
brach in den Jahrzehnten zwischen 1960<br />
und 1980 fast vollständig mit den in der<br />
ersten Jahrhunderthälfte fleissig praktizierten<br />
Weide-, Freiland- und Auslaufhaltung.<br />
Das Tier wurde vielerorts zum reinen<br />
Produktionsfaktor, die Mensch-Tier-<br />
Beziehung auf ein Minimum heruntergefahren.<br />
Gleichzeitig weigerten sich die<br />
meisten Landwirtschaftsverbandsfunktionäre<br />
jahrzehntelang, die sich seit Ende<br />
der 1970er-Jahre häufenden praktischen<br />
und wissenschaftlichen Erkenntnisse über<br />
die für Tierwohl und -gesundheit negativen<br />
Folgen der intensiven Tierproduktion<br />
zur Kenntnis zu nehmen und verleugneten<br />
das tierschützerische Gedankengut ihres<br />
ersten Bauernsekretärs völlig.<br />
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SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS