UND LANDWIRTSCHAFT - Schweizer Fleisch
UND LANDWIRTSCHAFT - Schweizer Fleisch
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6.2 Information und Beratung<br />
Schon früh wurde dem Tierschutz klar:<br />
Eine tierfreundliche Haltung fällt nicht<br />
vom Himmel, und auch sie kann Mensch<br />
und Tier Probleme bereiten – einfach andere<br />
als eine konventionelle Tierhaltung.<br />
Seit anfangs der 1990er-Jahre publiziert<br />
der STS deshalb Broschüren, unter anderem<br />
zur Hühner- und Schweinehaltung,<br />
zur Tierzucht, zur Vermeidung von Unfällen<br />
mit Nutztieren oder zum Tierkomfort,<br />
Merkblattserien zu kostengünstigen<br />
und tierfreundlichen Aufstallungsformen<br />
und Flyer zur Gestaltung von Ausläufen<br />
und Weiden. Rund 500 000 Exemplare<br />
konnten seither an Interessierte abgegeben<br />
werden.<br />
Der STS scheute sich nicht, zur Erarbeitung<br />
von Richtlinien zur tierfreundlichen<br />
Haltung sowie zum Transport und<br />
zur schonenden Schlachtung von Rindern,<br />
Schweinen oder Hühnern auch auf<br />
externe Fachleute – Bauern, Tierärzte und<br />
Wissenschaftler – zurückzugreifen. Darüber<br />
hinaus schuf er eine Beratungsstelle<br />
für artgerechte Nutztierhaltung. Diese<br />
hatte die Aufgabe, Landwirte über tierfreundliche<br />
Haltungsformen zu informieren<br />
und Konsumenten den Zusammenhang<br />
zwischen Einkaufsverhalten und<br />
Art der Tierhaltung näherzubringen. Aufgrund<br />
der Erfahrungen mit dieser Stelle<br />
führte der STS später weitere Fachstellen<br />
für Heim-, Wild- und Versuchstiere sowie<br />
für die tierärztliche Beratung ein und<br />
gründete einen Kontrolldienst für artgerechte<br />
Nutztierhaltung.<br />
Die Labeltierhaltung erforderte teilweise<br />
völlig neue Aufstallungs- und Betriebsformen.<br />
So entwickelte der STS<br />
Mitte der 1980er-Jahre zusammen mit interessierten<br />
Hühnerhaltern den sogenannten<br />
Aussenklimabereich zur Bereicherung<br />
der Geflügelfreilandhaltung.<br />
Diese Einrichtung bietet Hühnern die<br />
Möglichkeit, auch bei schlechtem Wetter<br />
oder im Winter einen geschützten Auslauf<br />
aufsuchen zu können, um frische<br />
Luft, natürliches Licht und Klima zu geniessen.<br />
Dieser «Schlechtwetterauslauf»<br />
ist in der Legehennen- und Mastgeflügelhaltung<br />
der Schweiz heute Standard und<br />
fasst mittlerweile auch im Ausland Fuss.<br />
Nach einer gemeinsamen Studienreise<br />
mit Geflügelfachleuten in Frankreich<br />
Ende der 1980er-Jahre beteiligte sich der<br />
STS am Aufbau der zuvor in der Schweiz<br />
unbekannten Freilandhühnermast mit<br />
speziellen, langsamer wachsenden Rassetieren.<br />
Für viele Praxisprobleme der Labeltierhaltung<br />
konnte man vor 25 Jahren<br />
nicht auf Resultate der Wissenschaft zurückgreifen,<br />
sodass es galt, mit Bauern<br />
und Beratern in der Praxis Lösungen zu<br />
entwickeln, sei dies zur Gestaltung von<br />
Hühnerweiden, zur Freilandhaltung von<br />
Schweinen oder zur Unterbringen von<br />
Jungtieren in Kaltställen. Der STS liess<br />
verschiedene Nutztierthemen wissenschaftlich<br />
abklären, zum Beispiel die Freilandhaltung<br />
von Schweinen, das Auslaufverhalten<br />
von Truten und Masthühnern<br />
oder die Tierschutzrelevanz von Vollspaltenbodenhaltung<br />
für Mastschweine und<br />
-munis. Im Rahmen der Labelprogramme<br />
konnte dieses Wissen umgesetzt werden.<br />
Die Labeltierhaltung war auch der<br />
Auslöser für die Suche nach praktikablen<br />
Betäubungsmethoden zur Ferkelkastration<br />
sowie für Verbesserungen im Tiertransport<br />
und in Schlachthöfen. Der STS<br />
STS-MERKBLATT<br />
TT<br />
TiergerechTe und kosTengünsTige sTälle Tks 1.1<br />
Anbau eines Fressplatzes an<br />
bestehenden Milchviehstall<br />
Kühe im Freien füttern<br />
Bestehende Anbindeställe mit einer guten Bausubstanz muss man nicht abbrechen. Manchmal<br />
lassen sich auch ein Fressplatz im Freien und ein Melkhaus angliedern. Es entsteht ein tierfreund<br />
licher und arbeitswirtschaftlich günstiger Freilaufstall.<br />
Der Hof von Osten. Links die Scheune, rechts der separate Fressplatz.<br />
Roland Werner auf dem Waldhof in Wäldi TG war einer der ersten, der den Mut hatte, seine Kühe<br />
das ganze Jahr über im Freien zu füttern. «Ich bin überzeugt, dass es in unseren Breitengraden<br />
mindestens bis zu einer Höhe von 1000 m ü.M. kein Problem ist», sagt der Landwirt. Er hat im<br />
Jahr 1995 seinen Anbindestall zu einem Laufstall mit Laufhof und Fressplatz umgebaut.<br />
Separate Fressachse bauen<br />
Bei der Planung hatte der Landwirt zwei Ziele<br />
im Auge. Der Stall sollte kostengünstig sein, und<br />
die Tiere sollten sich wohl fühlen. «Damals ha<br />
ben die landwirtschaftlichen Architekten noch<br />
andere Ställe gebaut», stellt Roland Werner fest.<br />
Er meint damit geschlossene Ställe, bei welchen<br />
alles unter einem Dach ist. Landwirt Werner<br />
wollte jedoch eine separate Fressachse parallel<br />
zum bestehenden Stall bauen. Der Baufach<br />
mann Ludo van Caenegem von der damaligen<br />
FAT (heute ART) sowie der Architekt Cyrill Bi<br />
schof bestärkten ihn in seiner Idee.<br />
STS-MERKBLATT<br />
TiergerechTe und kosTengünsTige sTälle Tks 1.10<br />
Tierfreundliche Ställe für<br />
die Rindermast<br />
Als Beispiel für tierfreundliche und praktische Lösungen in der Rindermast zeigt das Merkblatt<br />
Ställe von drei Landwirten im Raum Sempachersee. Diese haben ihre ehemaligen Anbindeställe<br />
für Milchkühe in Laufställe für Mastrinder umgebaut; jeder hat eine eigene Lösung gefunden.<br />
Alle drei Landwirte halten ihre Tiere gemäss den Richtlinien von Weide-Beef, einem Label der<br />
Migros für die Ochsen- und Rindermast. Der Name kommt daher, dass die Tiere während der Vegetationszeit<br />
täglich während mindestens acht Stunden auf die Weide dürfen. Weitere gen des Labels sind auf der letzten Seite<br />
Anforderunaufgeführt.<br />
Anstelle der Anbindevorrichtung befindet sich jetzt ein Fressgitter.<br />
Viele der STS-Merkblätter kann<br />
man auf www.tierschutz.com<br />
downloaden<br />
Boxen zum Liegen<br />
Der deckenlastige Anbindestall von Thomas Bühlmann in Ballwil LU stammt aus dem Jahre 1979<br />
und weist eine sehr gute Bausubstanz auf. Im Jahre 2003 richtete der Landwirt seinen Betrieb neu<br />
aus. Er wollte mehr Zeit haben, um einer Arbeit ausserhalb der Landwirtschaft nachzugehen. Rinder-,<br />
Schweine- und Pouletmast standen als Alternativen zur Auswahl. Thomas Bühlmann schloss sich für die Rindermast, da auf dem Betrieb die Raufutterbasis vorhanden ist.<br />
ent-<br />
Beim Umbau entfernte der Landwirt den Schwemmkanal und das Läger und ersetzte beide durch<br />
einen 2,5 m breiten Kanal mit Spaltenboden. Ein Fangfressgitter ersetzte die alte Anbindevorrichtung,<br />
während die Hochkrippe belassen wurde. Auf der einen Seite des zweireihigen Anbindestalles<br />
brachte er eine Gruppe von 20 jüngeren, auf der anderen Seite von 18 älteren Tieren unter.<br />
beteiligt sich seit der Gründung der «Interessengemeinschaft<br />
für tierschutzkonforme<br />
Tiertransporte und Schlachthöfe»<br />
im Jahr 1993 mit eigenen Fachleuten an<br />
der Tierschutzausbildung von Chauffeuren<br />
und Schlachthofmitarbeitern.<br />
6.3 Detailhandel setzt auf<br />
Produkte aus tierfreundlicher<br />
Haltung<br />
Als KAGfreiland und <strong>Schweizer</strong> Tierschutz<br />
STS in den 1970er-Jahren begannen,<br />
<strong>Schweizer</strong> Boden- und Freilandeier<br />
speziell zu bewerben und zu vermarkten,<br />
hätte niemand Produkten aus tierfreundlicher<br />
Haltung eine derartige Entwicklung<br />
prophezeit. Anfangs der 1990er-Jahre<br />
sagten «Experten» diesen Produkten nicht<br />
mehr als 2 bis 5 % Umsatz voraus, und<br />
die meisten Landwirtschaftsfunktionäre<br />
waren extrem skeptisch eingestellt. Manche<br />
landwirtschaftlichen Verbände diffamierten<br />
die Tierschutzlabelprogramme,<br />
obwohl diese tausenden von Landwirten<br />
eine Existenz bieten, das Image der<br />
<strong>Schweizer</strong> Bauern und deren Umgang mit<br />
den Tieren generell stark verbessert haben,<br />
Millionen von Konsumenten ansprechen<br />
und mittlerweile über 2,5 Milliarden<br />
Franken Umsatz jährlich generieren.<br />
1<br />
STS-MERKBLATT<br />
SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS PFLEGE <strong>UND</strong> UMGANG MIT TIEREN / MERKBLATT B<br />
Suhlen und Duschen von Schweinen<br />
Schweine schwitzen nicht – darum suhlen sie<br />
STS-MERKBLATT<br />
TiergerechTe und kosTengünsTige sTälle Tks 7.2<br />
Mastkaninchen in Gruppen halten<br />
Schweine können nicht schwitzen. Sie sind deswegen auf schattige Plätze und andere Abkühlungsmöglichkeiten<br />
angewiesen. Die Tierschutzverordnung aus dem Jahre 2008 verlangt in Art.<br />
46, dass in neu eingerichteten Ställen bei Hitze Schweinen ab 25 kg in Gruppenhaltung sowie<br />
Zuchtebern Abkühlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen. Die Nutztier- und Haustierverordnung<br />
des Bundesamtes für Veterinärwesen BVET konkretisiert dies und verlangt in Artikel<br />
28 die Abkühlung ab Temperaturen von 25 °C. Zur Abkühlung können Suhlen und Duschen dienen.<br />
Mit Vorliebe suchen Schweine Schlammbäder auf. Nicht nur das Baden kühlt, sondern auch die<br />
Schlammschicht, mit welcher sich die Tiere überziehen; sie speichert nämlich die Feuchtigkeit<br />
und kühlt die Tiere über eine längere Zeit. Die Suhle ist ein wesentlicher und notwendiger<br />
Bestandteil der Freilandhaltung im Sommer ebenso wie Schattenplätze und ein sauberer, zugfreier<br />
Liegeplatz. Schweine können sich selbst eine Suhle anlegen, doch muss der Tierhalter in durchlässigen<br />
Böden für das Wasser besorgt sein. Zu beachten ist, dass die Schweine regelmässig entwurmt<br />
werden.<br />
Einige Auszüge aus den Untersuchungen des Münchener Veterinärprofessors Hans Hinrich Sambraus<br />
sollen die Bedeutung des Suhlens für das Schwein illustrieren: «Die Sauen suchten bei<br />
durchschnittlichen Tages-Temperaturen zwischen 19 und 28 °C die Suhle im Mittel zweimal pro<br />
Tag auf. Im Tagesablauf gab es zwei Höhepunkte, einer morgens nach dem Füttern und der zweite<br />
zwischen 12 und 15 Uhr.»<br />
Kaninchen wollen herumtollen und ausruhen können.<br />
Anstatt Kaninchen in Käfigen zu halten, kann man ihren Stall wie ein Haus mit mehreren Etagen<br />
und Zimmern einrichten. Auch so ist eine wirtschaftliche Mast möglich, wie <strong>Schweizer</strong> Kaninchenpioniere<br />
zeigen.<br />
«Das Kaninchen ist ein anspruchsvolles Tier. Je mehr wir von ihm wissen, desto stärker werden wir<br />
uns bewusst, wie wenig wir eigentlich wissen», erklärt Felix Näf, was ihn an den wolligen Hoppeltieren<br />
so fasziniert. Schon als Kind hat er auf dem Bauernhof um die 200 «Chüngel» gehalten.<br />
Mittlerweile hat er aus dem früheren Hobby einen landwirtschaftlichen Betriebszweig mit guten<br />
Zukunfts chancen aufgebaut und arbeitet dabei mit Bauern in der Region zusammen.<br />
Schlechte Haltungsbedingungen im Ausland<br />
Der Grossverteiler Coop setzt bereits seit 1999 auf <strong>Fleisch</strong> von Kaninchen aus tierfreundlicher<br />
Haltung. Die Nachfrage verstärkte sich, als die <strong>Schweizer</strong> Grossverteiler sich Ende 2008 eine freiwillige<br />
Importsperre von Kaninchenfleisch auferlegten. Grund waren die schlechten Haltungsbedingungen<br />
bei den Produzenten in Frankreich und den Oststaaten. Den Grossverteilern genügend<br />
<strong>Fleisch</strong> aus tierfreundlicher Haltung zu liefern, ist eine Chance und eine Herausforderung für die<br />
landwirtschaftliche Kaninchenhaltung in der Schweiz.<br />
Felix und seine Frau Rosmarie Näf haben die Firma Kani-Swiss GmbH gegründet, welche Kaninchen<br />
kauft, schlachtet und an die Bell AG, an Coop und an Spitäler liefert. Doch Näfs schlachten und<br />
vermarkten nicht nur, sondern sie halten auch selbst Kaninchen in mehreren Ställen.<br />
1<br />
Foto: C. Sciarra<br />
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SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS<br />
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