Jahrbuch 2008 - Sozialhilfe - Kanton Basel-Stadt
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SOZIALHILFE<br />
IM PARADIGMAWECHSEL<br />
Aktivieren statt Versorgen<br />
Rolf Maegli, Vorsteher <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong>, Anne Burri, Büro für soziale Arbeit<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong> steht in einem gesellschaftlich bedingten Umbruchprozess. Die Folgen<br />
von Rationalisierung und Globalisierung, das stetige Verschwinden von Arbeitsplätzen für wenig<br />
ausgebildete Arbeitskräfte sowie die soziale Individualisierung und die Veränderung der familiären<br />
Beziehungen bedingen eine hohe Komplexität ihrer Aufgaben. Die an die <strong>Sozialhilfe</strong> gerichteten<br />
Erwartungen werden immer differenzierter und anspruchsvoller, ihr Adressatenkreis entsprechend<br />
vielschichtiger. Zudem hat sie sich mit dem auf unterschiedlichen Faktoren gründenden Interesse der<br />
Politik und der Medien auseinanderzusetzen.<br />
Notwendig sind deshalb grundsätzlich neue Leitgedanken, welche die aktuelle Problematik aufnehmen<br />
und lösungsorientierte Handlungsansätze widerspiegeln. Frühere, damals ebenfalls vom Zeitgeist<br />
inspirierte, theoretische Leitlinien werden den Anforderungen unserer Zeit nicht mehr gerecht:<br />
• Die paternalistische Fürsorge sah den hilfsbedürftigen Menschen als einen Empfänger fürsorglicher<br />
Zuwendung und Hilfeleistungen, welche vor dem Hintergrund eines christlich-humanistisch<br />
geprägten Welt- und Menschenbildes gewährt wurden. Damit verbunden war die Überzeugung,<br />
dass Armut unverschuldet, aber auch selbstverschuldet entstanden sein könnte. Die<br />
‹Fürsorge› basierte in der Regel auf einer sehr beziehungsorientierten Einzelfallarbeit, welche<br />
oft von grosser Empathie für die Betroffenen geprägt war. Die ‹Hilfsperson› stand in einem sehr<br />
engen Verhältnis zu ‹ihrem Schützling›.<br />
• Später entstand daraus aufgrund gesellschaftspolitischer Veränderungen die Theorie einer <strong>Sozialhilfe</strong><br />
(oder sozialen Arbeit) nach anwaltschaftlichem Modell. Die Klientschaft der <strong>Sozialhilfe</strong><br />
wurde als Opfer einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung definiert; die <strong>Sozialhilfe</strong> interpretierte<br />
demnach ihre Aufgabe als Interessensvertretung ihrer Klientinnen und Klienten im Kampf<br />
gegen strukturelle Gewalt und in der Verteidigung ihrer Bürgerrechte. Geleitet von der Idee<br />
einer ‹gerechten› Verteilung gesellschaftlich erwirtschafteter Güter wurde der Fokus auf eine<br />
möglichst umfassende materielle Unterstützung gerichtet.<br />
Die <strong>Sozialhilfe</strong> geht heutzutage vom systemischen Ansatz aus. Im Zentrum steht dabei die Erkenntnis,<br />
dass Eigenressourcen der Klientinnen und Klienten in ihrem persönlichen Bezugsumfeld zu<br />
erkennen und zu fördern seien. Dabei versteht sich die <strong>Sozialhilfe</strong> als eine Managerin der verschiedenen<br />
‹Systeme›; sie hat im Netzwerk von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft soziale Zusammenhänge<br />
zu analysieren und darauf basierende Massnahmen für möglichst pragmatische, nachhaltige<br />
Problemlösungen zu entwickeln.<br />
AKTIVIERUNG DER INDIVIDUELLEN RESSOURCEN<br />
Im Fokus des Selbstverständnisses einer zeitgemässen <strong>Sozialhilfe</strong>unterstützung steht deshalb die<br />
Aktivierung ihrer Klientschaft. Die ausschliesslich finanzielle Sicherung des Existenzbedarfs reicht zur<br />
nachhaltigen Lösung der Problemsituationen der Betroffenen nicht aus; der Gefahr der Chronifizie-