Jahrbuch 2008 - Sozialhilfe - Kanton Basel-Stadt
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geschaffen, der versucht, die Möglichkeiten der Selbstorganisation durch die Betroffenen zu begleiten<br />
und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.<br />
Wie sieht es für die Menschen konkret aus, die auf Dauer von der <strong>Sozialhilfe</strong> leben? Lassen wir die<br />
Betroffenen selber zu Wort kommen! Die folgenden Zitate oder Darstellungen sind aus Beschwerdebriefen<br />
von <strong>Sozialhilfe</strong>beziehenden entnommen:<br />
«Morgens um 8.45 Uhr verkauft die Denner AG alles vom Vortag für 50 %. Gemüse, Salat, Joghurt,<br />
Käse etc. Abends ab 17 Uhr macht die Migros genau dasselbe. Mein Hund und meine Katze erhalten<br />
seit Jahren kein Fleisch. Die erhalten von der Migros M-Budget Trockenfutter. Ich gehe in kein<br />
Restaurant und trinke meinen Kaffee zu Hause. Mein Wohlstand ist mein Zuhause, und um das<br />
kämpfe ich.»<br />
Eine Frau schreibt, sie habe drei Kinder unter erschwerten Bedingungen ins Leben begleitet.<br />
Dadurch und durch eigene gesundheitliche Einschränkungen über Jahre habe sie keinen Berufseinstieg<br />
mehr geschafft und sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten. Sie stehe zwei Jahre<br />
vor der Pensionierung und komme mit dem Geld der <strong>Sozialhilfe</strong> knapp über die Runden, allerdings<br />
ohne Natel und Internet, ohne Ferien und andere Annehmlichkeiten, die zu einem normalen Leben<br />
in diesem Lande gehörten.<br />
Einem 55-jährigen Mieter, der bisher in einer Wohnung unterhalb des Grenzwertes lebte, wurde der<br />
Mietzins massiv erhöht. Die Zwei-Zimmer-Wohnung mit 60 m 2 kann vom <strong>Sozialhilfe</strong>bezieher nicht<br />
mehr bezahlt werden. Er schreibt:<br />
«Eine entsprechende angenehme Wohnsituation ist für Erwerbslose als auch für so genannte normale<br />
Bürger und Erwerbstätige das A und O. Kino, Theater, Konzerte, Aktivitäten wie Sportverein<br />
oder SAC sind unbezahlbar, man kann nicht mehr mithalten. Die sozialen Kontakte zu guten Bekannten,<br />
guten Freunden sind im Restaurant zu teuer und können in den eigenen vier Wänden<br />
stattfinden. Geben Sie mir die Möglichkeit, ein Zubrot in der <strong>Stadt</strong>gärtnerei oder im Sportamt zu<br />
verdienen, jede Arbeit wird mit Handkuss angenommen…».<br />
Ein 56-jähriger Mann stellt fest, dass es mit einer neuen Anstellung auf dem Arbeitsmarkt schlecht<br />
aussehe. Er habe sich nun bei der Freiwilligenarbeit angemeldet und bittet darum, die einschränkende<br />
Verfügung sei aufzuheben. Er wohne seit über vierzehn Jahren in dieser Wohnung und habe<br />
dort sein ganzes Herzblut investiert. Gegenüber wohne seine 79-jährige Mutter, die er tagsüber<br />
betreue. Grössere Auslagen, wie zum Beispiel Fleisch, kaufe er einmal im Monat für sich und die<br />
Mutter im Grenzgebiet von <strong>Basel</strong> ein, wobei ihm auch seine frühere Erfahrung als Mitarbeiter einer<br />
Grossküche zugute komme.<br />
Eine 40-jährige Frau, der eine Verfügung zum Bezug einer billigeren Wohnung erlassen wurde,<br />
schreibt:<br />
«Eigentlich wünsche ich mir, dass jemand von der <strong>Sozialhilfe</strong> einmal eine Woche bei mir lebt, um mitzubekommen,<br />
wie belastend die finanzielle Lage für mich ist. Nachfolgend möchte ich Ihnen verdeutlichen,<br />
mit welchen Mitteln ich versuche, mit dem knappen Geld auszukommen: Ich kaufe seit<br />
langer Zeit keine Kleider. Ich gehe nie auswärts etwas konsumieren. Ich habe meinen Festnetzanschluss<br />
gesperrt, so dass ich keine Gesprächskosten habe. Ich nutze den Caritasladen und auch sonst<br />
die günstigsten Einkaufsmöglichkeiten. Ich habe kein Geld, um meinem Sohn neue und grössere<br />
Schuhe zu kaufen. Ich wasche mein Geschirr mit Waschpulver. Ich kann meinem Sohn kein Taschengeld<br />
geben. Für mich selbst verwende ich zeitweise Zeitungspapier statt WC-Papier. Ich habe in der<br />
Vergangenheit immer wieder Arztrechnungen nicht bezahlen können. Immer wieder bitte ich<br />
Freunde und Bekannte darum, mir Geld zu leihen. Am Ende vom Monat kann ich manche meiner<br />
Rechnungen nicht bezahlen. Von der Frauenberatung habe ich einmalig Gutscheine in der Höhe von<br />
CHF 70.– erhalten, als ich keine Lebensmittel mehr hatte.»<br />
Und sie schliesst mit der Feststellung, dass sie aufgrund von laufenden Betreibungen bisher keine<br />
günstigere Wohnung finden konnte.<br />
Eine andere Frau mit Jahrgang 1953 ist vor vier Jahren arbeitslos geworden, nachdem sie über dreissig<br />
Jahre zu hundert Prozent gearbeitet hatte. Sie schreibt, dass sie auf neue Kleidung, Schuhe, Kosmetik,<br />
Rauchen oder Alkohol sowie andere Luxusartikel verzichte, Restaurantbesuche vermeide, wie<br />
auch Ausgang und Kino. Sie sei schon immer ihren Verpflichtungen nachgekommen und habe noch<br />
nie Betreibungen erhalten und die Rechnungen immer fristgerecht beglichen. Die Stellensuche sei<br />
ständig erfolglos, ebenso die Suche nach einer billigeren Wohnung.