18.07.2014 Aufrufe

Jahrbuch 2008 - Sozialhilfe - Kanton Basel-Stadt

Jahrbuch 2008 - Sozialhilfe - Kanton Basel-Stadt

Jahrbuch 2008 - Sozialhilfe - Kanton Basel-Stadt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

65<br />

MIT WENIG GELD LEBEN<br />

Bild der Armut<br />

Wie kann man mit wenig Geld von der <strong>Sozialhilfe</strong> leben? Reicht der Grundbedarf überhaupt für<br />

eine menschenwürdige Existenz? Anhand von Beispielen aus der Praxis wird aufgezeigt, wie <strong>Sozialhilfe</strong>empfänger<br />

mit knappen Mitteln umgehen.<br />

Rolf Maegli, Vorsteher <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong><br />

Das System der <strong>Sozialhilfe</strong>-Unterstützungen orientiert sich an den Richtlinien der schweizerischen<br />

Konferenz für <strong>Sozialhilfe</strong> SKOS. Abgesehen von den Kosten für Wohnung und Gesundheit werden<br />

die existenziellen Bedürfnisse durch den so genannten Grundbedarf abgedeckt. Dieser Grundbedarf<br />

beträgt für eine Einzelperson CHF 960.– im Monat. Damit sollen die Auslagen für Nahrung, Kleidung,<br />

Transport und Kultur bestritten werden, kurzum: alle Kosten, die nicht mit Wohnen oder<br />

Gesundheit zusammenhängen. Dieser Pauschalbetrag wurde im damaligen Fürsorgeamt der <strong>Stadt</strong><br />

<strong>Basel</strong> im Jahr 1994 anstelle von bisherigen Einzelposten für die jeweiligen Ausgaben-Positionen eingeführt.<br />

Die Höhe des Grundbedarfes ist sehr umstritten. Er wurde von der SKOS im Jahr 2005 für eine Einzelperson<br />

von CHF 1030.– auf CHF 960.– reduziert, ebenso wurde die bis dahin in der Regel ausbezahlte<br />

Zulage von CHF 100.– neu an Bedingungen geknüpft. Diese Reduktionen haben zu Protesten<br />

der Betroffenen und zu Gerichtsverfahren bis vor Bundesgericht geführt. Das Bundesgericht hat in<br />

mehreren Entscheiden für den <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> festgestellt, dass diese Reduktionen rechtmässig<br />

seien. Von den Betroffenen wird argumentiert, dass die Höhe des Grundbedarfs von lebenswichtiger<br />

Bedeutung und dass die Festlegung des Betrages willkürlich erfolgt sei. Andere Kreise wiederum<br />

behaupten, dass der <strong>Sozialhilfe</strong>grundbedarf wie auch die übrigen Leistungen viel zu hoch angesetzt<br />

seien. Insbesondere von Ökonomen wird immer wieder moniert, dass bei – ihres Erachtens – derart<br />

hohen Ansätzen kein Anreiz bestehe, Arbeit aufzunehmen. Dieser Argumentation kann relativ<br />

leicht begegnet werden mit dem Hinweis auf die Realität des Arbeitsmarktes, wo immer mehr<br />

gering qualifizierte Stellen wegfallen, sowie mit den Erfahrungen sämtlicher Sozialämter und<br />

Arbeitsämter zum Thema Arbeitsmarktfähigkeit der Klienten. Anlässlich dieser politischen Diskussionen<br />

um die <strong>Sozialhilfe</strong> haben unter anderem auch ‹Selbstversuche› stattgefunden: Ein Journalist<br />

hat den Versuch unternommen, einen Monat lang nach SKOS-Ansätzen zu leben und darüber zu<br />

schreiben (Weltwoche Ausgabe 3/2005). Der ‹Sozionaut› hat das Experiment unbeschadet überstanden<br />

und konnte berichten, dass sich davon leben lasse, verbunden mit der Botschaft, dass das<br />

System der <strong>Sozialhilfe</strong> zu grosszügig ausgestattet sei. Es sei hier nicht bestritten, dass man mit einem<br />

Betrag von CHF 960.– leben kann, insbesondere wenn rundherum und für die Zukunft alles schön<br />

organisiert ist: Einfamilienhaus, ein Auto, das man zum Zwecke des Selbstversuches zwar in der Garage<br />

stehen lässt, und schöne Anwartschaften auf Pensionsversicherungen, die man im Versuchs-Leben<br />

des Grundbedarfs ja noch nicht braucht. Ganz zu schweigen von den stabilen beruflichen Aussichten<br />

und den vielen Projektideen, die man nach einem überstandenen Selbstversuch wieder anpacken<br />

kann, zum Beispiel Reisen, Anschaffungen, Weiterbildung, Konzertbesuche und vieles mehr…

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!