Jahrbuch 2008 - Sozialhilfe - Kanton Basel-Stadt
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MIT WENIG GELD LEBEN<br />
Bild der Armut<br />
Wie kann man mit wenig Geld von der <strong>Sozialhilfe</strong> leben? Reicht der Grundbedarf überhaupt für<br />
eine menschenwürdige Existenz? Anhand von Beispielen aus der Praxis wird aufgezeigt, wie <strong>Sozialhilfe</strong>empfänger<br />
mit knappen Mitteln umgehen.<br />
Rolf Maegli, Vorsteher <strong>Sozialhilfe</strong> der <strong>Stadt</strong> <strong>Basel</strong><br />
Das System der <strong>Sozialhilfe</strong>-Unterstützungen orientiert sich an den Richtlinien der schweizerischen<br />
Konferenz für <strong>Sozialhilfe</strong> SKOS. Abgesehen von den Kosten für Wohnung und Gesundheit werden<br />
die existenziellen Bedürfnisse durch den so genannten Grundbedarf abgedeckt. Dieser Grundbedarf<br />
beträgt für eine Einzelperson CHF 960.– im Monat. Damit sollen die Auslagen für Nahrung, Kleidung,<br />
Transport und Kultur bestritten werden, kurzum: alle Kosten, die nicht mit Wohnen oder<br />
Gesundheit zusammenhängen. Dieser Pauschalbetrag wurde im damaligen Fürsorgeamt der <strong>Stadt</strong><br />
<strong>Basel</strong> im Jahr 1994 anstelle von bisherigen Einzelposten für die jeweiligen Ausgaben-Positionen eingeführt.<br />
Die Höhe des Grundbedarfes ist sehr umstritten. Er wurde von der SKOS im Jahr 2005 für eine Einzelperson<br />
von CHF 1030.– auf CHF 960.– reduziert, ebenso wurde die bis dahin in der Regel ausbezahlte<br />
Zulage von CHF 100.– neu an Bedingungen geknüpft. Diese Reduktionen haben zu Protesten<br />
der Betroffenen und zu Gerichtsverfahren bis vor Bundesgericht geführt. Das Bundesgericht hat in<br />
mehreren Entscheiden für den <strong>Kanton</strong> <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> festgestellt, dass diese Reduktionen rechtmässig<br />
seien. Von den Betroffenen wird argumentiert, dass die Höhe des Grundbedarfs von lebenswichtiger<br />
Bedeutung und dass die Festlegung des Betrages willkürlich erfolgt sei. Andere Kreise wiederum<br />
behaupten, dass der <strong>Sozialhilfe</strong>grundbedarf wie auch die übrigen Leistungen viel zu hoch angesetzt<br />
seien. Insbesondere von Ökonomen wird immer wieder moniert, dass bei – ihres Erachtens – derart<br />
hohen Ansätzen kein Anreiz bestehe, Arbeit aufzunehmen. Dieser Argumentation kann relativ<br />
leicht begegnet werden mit dem Hinweis auf die Realität des Arbeitsmarktes, wo immer mehr<br />
gering qualifizierte Stellen wegfallen, sowie mit den Erfahrungen sämtlicher Sozialämter und<br />
Arbeitsämter zum Thema Arbeitsmarktfähigkeit der Klienten. Anlässlich dieser politischen Diskussionen<br />
um die <strong>Sozialhilfe</strong> haben unter anderem auch ‹Selbstversuche› stattgefunden: Ein Journalist<br />
hat den Versuch unternommen, einen Monat lang nach SKOS-Ansätzen zu leben und darüber zu<br />
schreiben (Weltwoche Ausgabe 3/2005). Der ‹Sozionaut› hat das Experiment unbeschadet überstanden<br />
und konnte berichten, dass sich davon leben lasse, verbunden mit der Botschaft, dass das<br />
System der <strong>Sozialhilfe</strong> zu grosszügig ausgestattet sei. Es sei hier nicht bestritten, dass man mit einem<br />
Betrag von CHF 960.– leben kann, insbesondere wenn rundherum und für die Zukunft alles schön<br />
organisiert ist: Einfamilienhaus, ein Auto, das man zum Zwecke des Selbstversuches zwar in der Garage<br />
stehen lässt, und schöne Anwartschaften auf Pensionsversicherungen, die man im Versuchs-Leben<br />
des Grundbedarfs ja noch nicht braucht. Ganz zu schweigen von den stabilen beruflichen Aussichten<br />
und den vielen Projektideen, die man nach einem überstandenen Selbstversuch wieder anpacken<br />
kann, zum Beispiel Reisen, Anschaffungen, Weiterbildung, Konzertbesuche und vieles mehr…