WERKBUCH_06_web
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werkbuch<br />
.<strong>06</strong> 5<br />
Methoden kultureller bildung aus dem<br />
bereich der Musik<br />
Lied- oder Sprechchoreinführung<br />
Beispielhafter Lehrplanbezug<br />
Herbert Fiedler:<br />
Eine reizvolle Alternative zu vielen bekannten<br />
Möglichkeiten der Lied- oder Sprechchoreinführung<br />
ist ein Spiel, das ich „Worte zusammenklauben“<br />
nenne. In diesem Spiel wird der Text eines Liedes oder<br />
eines Verses beim Herumgehen um die im Raum<br />
verteilten Kinder so leise flüsternd weitergegeben,<br />
dass nur die Kinder im engsten Umkreis die Worte<br />
verstehen können. Nach zwei bis drei Wiederholungen<br />
wird versucht, den Text gemeinsam zusammenzubauen.<br />
Noch fehlende Textstellen werden<br />
durch Wiederholungen ergänzt, wobei ich die Worte<br />
bzw. Sätze, die dann schon bekannt sind, etwas lauter<br />
spreche, den Rest aber wieder so leise wie zuvor. Eine<br />
weitere Möglichkeit der spielerischen Texteinführung<br />
ist es, ein wichtiges Wort oder eine Rätsellösung so<br />
leise auszusprechen, dass es die Kinder nicht<br />
verstehen können. Dies ermöglicht viele Wiederholungen,<br />
da alle Kinder auf die Lösung gespannt sind.<br />
Wenn dann schließlich das Wort bzw. die Rätsellösung<br />
bekannt gegeben wird, steht im Regelfall der<br />
komplette Text und kann von den Kindern gesprochen<br />
oder gesungen werden. Der bekannte Weg der<br />
Liedeinführung, „zuerst den Text lernen, damit man<br />
dann Musik machen kann“, ist in meinen Augen fragwürdig.<br />
Ich bevorzuge ein „interpretatorisches<br />
Singen/Sprechen von Anfang an.“<br />
Interpretatorisches Sprechen und Singen<br />
Bei der Einführung eines neuen Kinderliedes kann die<br />
Lehrerin/der Lehrer den Kindern die erste Strophe<br />
des Liedes singend vorstellen. Im Anschluss daran<br />
besprechen alle gemeinsam den gehörten Inhalt und<br />
entwickeln eine interpretatorische Gestaltung. Das<br />
Lied „Paula“ von Unmada Manfred Kindel beispielsweise<br />
erzählt von einem sommersprossigen Mädchen<br />
mit einer Schatzkiste. Paula ist in den Augen der<br />
Kinder häufig frech und hat Ähnlichkeiten mit Pippi<br />
Langstrumpf. Also überlegen alle, wie man frech<br />
singen kann. Meist ergibt sich dadurch ein lebendigeres<br />
Tempo. Die gestaltete Strophe singen dann alle<br />
gemeinsam, danach singt die Erzieherin die nächste<br />
Strophe wieder allein vor. Die Kinder lernen auf diese<br />
Weise schnell den Text und interpretieren bzw.<br />
gestalten jede Strophe passend zum Inhalt des Textes<br />
von neuem. So ergibt sich ein interpretatorisches<br />
Singen und Musizieren von Anfang an.<br />
Alltagsspiele der Kinder<br />
Spannend ist es auch, Alltagsspiele von Kindern zu<br />
beobachten, um sie dann unter musikalischer Perspektive<br />
auszuwerten. So kann z. B. das Kinderspiel „Ochs<br />
vorm Berg“ für Haltungs- und Körperarbeit genutzt<br />
werden, wenn es in ein „Freeze“, d. h. in ein „Versteinertsein“,<br />
führt oder in musikalisierte, spannungsreiche<br />
Pausen. Weiterhin können Hüpfkästchen-Spiele oder<br />
Gummitwist metrisch oder rhythmisch gestaltet<br />
werden. Hand-Klatsch-Spiele mit Abzählreimen<br />
können in eine Bodypercussion-Sequenz münden.<br />
Fazit<br />
Der Umgang mit der eigenen Stimme – sei es beim<br />
Sprechen oder Singen – ist für die Arbeit mit Kindern<br />
von tief greifender Bedeutung. Sich ihrer bewusst zu<br />
sein, ist ein „Muss“ für alle, die in der pädagogischen<br />
Arbeit tätig sind. In der direkten Arbeit mit Kindern<br />
kann man viele Erfahrungen mit der eigenen Stimme<br />
sammeln. Lehrerinnen und Lehrer und Kinder sollten<br />
dabei Mut zum Experimentieren und zum Ungewöhnlichen<br />
entwickeln. Gerade Lehrkräfte haben in<br />
diesem Zusammenhang eine große Vorbildfunktion,<br />
deshalb sollten ihre didaktischen und methodischen<br />
Schritte für eine adäquate Stimmarbeit mit Kindern<br />
geplant und strukturiert erfolgen. Es ist von großer<br />
Bedeutung, die eigene Person und die eigene stimmliche<br />
Arbeit ernst zu nehmen, wenn es um stimmliche<br />
Qualität geht. Der Motor für unsere Motivation ergibt<br />
sich dabei durch eine spielerische, abwechslungsreiche,<br />
lustvolle und sensible stimmbildnerische und<br />
musikalische Arbeit mit Kindern.<br />
U. a. können folgende fachbezogene Kompetenzen durch die musikalischen<br />
Elemente erreicht werden:<br />
Auszug aus dem Kernlehrplan Deutsch für die Grundschule Jahrgangsstufe 4<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
• sprechen artikuliert und an der gesprochenen Standardsprache orientiert,<br />
• verwenden sprachliche und sprecherische Mittel gezielt: Wortschatz, Intonation,<br />
Körpersprache,<br />
• versetzen sich in eine Rolle und gestalten sie sprecherisch, gestisch und mimisch,<br />
• gestalten Situationen in verschiedenen Spielformen.<br />
Bei den oben angeführten Kompetenzerwartungen handelt es sich um eine exemplarische<br />
Auswahl. Diese Auswahl lässt sich auch für andere Schulformen treffen. Die entsprechenden<br />
Kernlehrpläne für weitere Schulformen finden Sie auf dem Bildungsportal unter http://<br />
www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/lehrplaene/lehrplannavigator-s-i/<br />
Pianist und Dozent für Musik und Musikpädagogik,<br />
Leiter des Fachbereichs Musik an der Akademie<br />
Remscheid<br />
Herbert Fiedler studierte Instrumentalpädagogik<br />
im Fach Klavier, Trompete und Allgemeine<br />
Musikerziehung. Durch seine Lehrtätigkeiten<br />
an KiTa, Musikschule, Schule, Volkshochschule,<br />
Fachhochschule und Musikhochschule erlangte er<br />
eine breite musikpädagogische Berufserfahrung.<br />
Er konzipierte und realisierte pädagogische und<br />
künstlerische Projekte, unter anderem „Musik<br />
im Kindergartenalltag“ und „Ganzheitliche Frühförderung<br />
kultureller Intelligenz“. 2007 ist im<br />
Herder-Verlag das Buch „Ich höre was, was du<br />
nicht siehst“ erschienen. Als Komponist, Arrangeur<br />
und Produzent von Songs, Geschichten mit Musik<br />
und Hörspielen ist er für Radio und Fernsehen tätig,<br />
des Weiteren auch als konzertierender Pianist aktiv.<br />
Kontakt:<br />
Herbert Fiedler:<br />
Akademie Remscheid<br />
Küppelstein 34<br />
42857 Remscheid<br />
Tel.: 02191 794266<br />
E-Mail: fiedler@akademieremscheid.de<br />
100 101 23