WERKBUCH_06_web
WERKBUCH_06_web
WERKBUCH_06_web
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
werkbuch<br />
.<strong>06</strong> 4<br />
Methoden kultureller bildung aus dem<br />
bereich der Medienpädagogik<br />
Frank Rohde<br />
Oper 2.0-„Publizieren im Netz” am Beispiel einer Opernproduktion<br />
„Publizieren im Netz“, so lautet eines der Themen, die<br />
der Lehrplan des Landes NRW als Thema für den<br />
Informatikunterricht in der Jahrgangsstufe 10<br />
vorsieht. In der Praxis bedeutet das häufig, dass eine<br />
fiktive Homepage hergestellt wird, etwa für die lokale<br />
Bäckerinnung. Nur hat die Bäckerinnung im Normalfall<br />
schon eine Homepage, das Produkt wird also<br />
nicht wirklich gebraucht, außerdem haben die<br />
Schüler Schwierigkeiten bei der Erstellung einer<br />
Sitemap, dazu sind ihre Kenntnisse zum Thema<br />
„Backen“ einfach zu gering. Da der Lehrplan für diese<br />
Jahrgangsstufe gleichzeitig die Behandlung des<br />
Themas „Oper“ im Musikunterricht vorsieht,<br />
entstand die Idee, beides miteinander zu verbinden.<br />
Im Laufe der letzten Jahre hat sich das Projekt schnell<br />
auf alle Jahrgangsstufen und auf den Bereich Sprechtheater<br />
ausgeweitet, weitere Kulturinstitutionen und<br />
Lehrer anderer Fächer haben mitgewirkt. Kölner<br />
Schülerinnen und Schüler aller Schulformen können<br />
seit einigen Jahren die Entstehung einer Opern- oder<br />
einer Schauspielinszenierung von der Planung bis zur<br />
Premiere miterleben. Sie lernen die Logistik eines<br />
Theaters durch eigene Erkundung, Proben-, Werkstattbesuche,<br />
Gespräche und Interviews mit Beteiligten,<br />
Einführungen und praktische Erprobung<br />
kennen. Ihre Eindrücke halten sie in Form von Fotos,<br />
Bildern, schriftlichen Artikeln und Tondokumenten<br />
fest und erarbeiten aus diesen Materialien zur<br />
Premiere des Stücks „Programmhefte“, die aber nicht<br />
in gedruckter Form, sondern als PCPräsentationen<br />
vorliegen - Homepages für Kölner Inszenierungen.<br />
Im Verlauf der etwa achtwöchigen Projekte gewinnen<br />
die Schülerinnen und Schüler mehr und mehr Sachkenntnis<br />
über Oper oder Theater. Sie werden befähigt,<br />
Materialien, die sie inhaltlich erfasst haben,<br />
eigenständig zu systematisieren, zu strukturieren und<br />
als Sitemap anzuordnen. Im Informatikunterricht<br />
programmieren sie eine Homepage zum Stück. In der<br />
Schlussphase wird unter Zeitdruck gearbeitet, weil<br />
die Homepage zur Premiere der Inszenierung fertig<br />
sein muss, also wirklich gebraucht wird, und das<br />
macht das Projekt für Schülerinnen und Schüler<br />
höchst attraktiv.<br />
Im Folgenden wird der Ablauf eines solchen Projekts<br />
am Beispiel einer Operninszenierung erläutert. Oper,<br />
eine der ältesten und kompliziertesten Kunstformen<br />
überhaupt, für Jugendliche fremd und nur schwer<br />
fassbar, wird mithilfe einer jungen Präsentationsform<br />
dargestellt, deren Endprodukt „Homepage“ Jugendlichen<br />
geläufig ist. In den bisher durchgeführten<br />
Projekten hat sich eine sinnvolle Abfolge von Arbeitsschritten<br />
ergeben.<br />
Grundsätzlich gilt: Die Schülerinnen und Schüler<br />
arbeiten in arbeitsteiligen Gruppen unterschiedlicher<br />
Stärke, alle absolvieren drei bis sechs Besuche im<br />
Theater, jeder Besuch dauert 120 bis 180 Minuten.<br />
Manchmal werden mehrere Arbeitsschritte bei einem<br />
Besuch zusammengefasst; wenn eine gesamte Jahrgangsstufe<br />
mit fast 100 Schülern am Projekt teilnimmt,<br />
werden Veranstaltungen wiederholt. Bei allen<br />
Besuchen im Theater wird keine „Show für Schüler“<br />
veranstaltet, sondern es wird versucht, sie soweit wie<br />
möglich in den normalen Opernund Produktionsbetrieb<br />
zu integrieren, sie nicht nur zusehen, sondern<br />
mitarbeiten zu lassen. Das kann die Erstellung eines<br />
Probenplans mit der speziellen Software im Betriebsbüro<br />
sein oder, ganz praktisch, die Bearbeitung von<br />
Styropor in der Plastikerabteilung. Die Erstellung der<br />
Präsentation läuft parallel zu den Sitzungen im Informatikunterricht,<br />
zunächst nur als vorbereitende<br />
Materialsammlung, nach dem Interviewtermin (s.u.)<br />
wird dann die Systematik erstellt und die einzelnen<br />
Dokumente miteinander verlinkt. Diese Systematik<br />
ist ganz bewusst nicht vorgegeben, sondern wird, ein<br />
wichtiger kreativer Aspekt von Informatik und somit<br />
auch dieses Projekts, aufgrund der immer größer<br />
werdenden Sachkenntnis von den Jugendlichen selbst<br />
entwickelt.<br />
Das Bühnenbild: Bei einem Besuch in den Bühnenbildwerkstätten<br />
der Kölner Bühnen wird zunächst das<br />
Bühnenbild-Modell der Produktion durch Ausstattungsleiter<br />
und Bühnenbildner erläutert. Die Jugendlichen<br />
erkunden dann in fünf Gruppen die Umsetzung<br />
dieses Modells in die Praxis. Die Gewerke Schreinerei,<br />
Schlosserei, Dekoration, Theatermaler und Bildhaueratelier<br />
werden aufgesucht, Interviews geführt und<br />
eine Foto-Dokumentation des Fortgangs der Arbeiten<br />
in den Werkstätten erstellt.<br />
Historisches zum Stück: Vom Produktionsdramaturg<br />
erfahren die Schülerinnen und Schüler, wie man eine<br />
Recherche zu Stück und Komponist durchführt und<br />
ein Programmheft erstellt. Dokumente, historische<br />
Kritiken, Fotos und musikwissenschaftliche Arbeiten<br />
werden recherchiert, ausgewählt und zusammengestellt.<br />
Eine eigene Inhaltsangabe zur aktuellen Inszenierung<br />
wird vorbereitet. In vielen Fällen haben an<br />
dieser Stelle die Deutschlehrerinnen und -lehrer der<br />
Klassen und Kurse im Projekt mitgearbeitet, in<br />
einigen Fällen haben Kultur- und Feuilletonredakteure<br />
von Kölner Zeitungen die Schüler beim<br />
Schreiben von Kritiken angeleitet.<br />
Szenischer Einführungs-Workshop zum Stück: Die<br />
Jugendlichen werden mit der Methode der szenischen<br />
Interpretation in das Stück eingeführt. Materialien<br />
aus dem Stück in Form von Musik, Text, Fotos u.ä.<br />
werden zur Verfügung gestellt, die praktisch in Form<br />
von Standbildern, Gehhaltungen, selbst gespielten<br />
Dialogen oder Sprechhaltungen szenisch umgesetzt<br />
werden. Den Abschluss bildet ein Duett-Ausschnitt,<br />
der von den Jugendlichen selbst inszeniert, gespielt<br />
und vor allem gesungen wird. In Gruppen werden<br />
Biographien der Protagonisten des Stücks<br />
geschrieben, die später, z.T. mit Hörbeispielen<br />
verlinkt, auf der Homepage erscheinen.<br />
Kostüme: Der Kostümfundus wird besucht, die Schülerinnen<br />
und Schüler versuchen hier zunächst<br />
Kostüme zu finden, die zu der von ihnen im Workshop<br />
erarbeiteten Duett-Version passen. Der Kostümbildner<br />
oder -assistent erläutert dann am Beispiel der<br />
Figurinen, welche Möglichkeiten man bei der<br />
Kostümgestaltung hat und wie die Kostüme der aktuellen<br />
Inszenierung aussehen werden. Die konkrete<br />
Umsetzung wird in der Schneiderei und der Gewandmeisterei<br />
fotografisch dokumentiert.<br />
Die Logistik von Theatern: Die Jugendlichen begeben<br />
sich in Gruppen zu dritt in verschiedene Abteilungen<br />
des Hauses, hospitieren, helfen - wenn möglich - mit<br />
und führen Interviews, in denen die Aufgabe der<br />
Abteilung und ihre Beteiligung an der aktuellen<br />
Produktion erkundet wird. Die gesamte Breite des<br />
Berufsfelds Theater mit mehr als 70 unterschiedlichen<br />
84 85 23