WERKBUCH_06_web
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werkbuch<br />
.<strong>06</strong> 3<br />
Methoden kultureller bildung aus dem<br />
bereich der Theaterpädagogik<br />
Monika Paris<br />
Mit theatraler Kreativität den Unterricht neu beleben<br />
Seit über 30 Jahren erfahren wir, dass sich mit den<br />
Inhalten und Methoden der Theaterpädagogik Motivation<br />
und Eigenkreativität von Schülerinnen und<br />
Schülern verbessern lassen. In einer von festgelegten<br />
Rollen und traditionellen Formen der Vermittlungbefreiten<br />
Atmosphäre können Fantasie und Eigeninitiative<br />
besonders jener Schülerinnen und Schüler<br />
wachsen, deren Potenziale bisher oftmals verborgen<br />
blieben. Mit diesem Konzept gelingen Lehrerinnen<br />
und Lehrern aller Fachrichtungen Formen der Zusammenarbeit,<br />
die sich positiv auf ein partnerschaftliches<br />
Lehrer-Schülerverhältnis auswirken. Lehrerinnen<br />
und Lehrer wechseln im Schulalltag mehrfach ihre<br />
Rollen: von der Organisation des Unterrichts über das<br />
Vermitteln von Lehrstoffen bis hin zum Coachen<br />
einzelner Schülerinnen und Schüler. Mit theaterpädagogischen<br />
Mitteln gelingt es, dieses Rollenspektrum<br />
wesentlich zu erweitern und damit vielseitigeres<br />
Handeln und Reagieren zu ermöglichen. Wie sieht das<br />
konkret aus? Auf einer Spielebene, deren Regeln für<br />
alle gelten, lernen Lehrerinnen und Lehrer mit ihren<br />
Schülerinnen und Schülern gleichberechtigt zu<br />
kommunizieren. Gerade bei Kindern und Jugendlichen<br />
setzt das kreative Potenziale frei, die bislang<br />
kaum zur Geltung kamen. Es geht nicht mehr<br />
vorrangig um den „Abbau von Defiziten“, sondern<br />
um die Entwicklung besonderer, individuell unterschiedlicher<br />
Fähigkeiten. Die tragen dazu bei, dass<br />
Unterricht ohne Rollenzuweisungen, Notenzwang<br />
und Leistungsdruck von einem Team kreativ und<br />
eigenverantwortlich gestaltet wird.<br />
Theaterpädagogische Verfahren vermitteln sich nicht<br />
von allein, sie bedürfen fachkundiger Anleitung. Die<br />
beginnt mit speziellen Übungen, die sich ohne<br />
Vorkenntnisse in der Gruppe umsetzen lassen und<br />
dabei die Grundlagen der erforderlichen Spielfähigkeit<br />
schaffen.Theatrales Interagieren beginnt mit der<br />
Fähigkeit, eindeutige Signale senden und empfangen<br />
zu können. Nur wer auch nonverbal zu kommunizieren<br />
gelernt hat, wird körpersprachliche<br />
Botschaften wahrnehmen und angemessen beantworten<br />
können. Dazu müssen die Spielerinnen und<br />
Spieler sich in ihr Gegenüber hinein versetzen lernen,<br />
um dessen Absichten zu verstehen. So gelingt<br />
gemeinsames Handeln ohne verbale Absprachen,<br />
allein aufgrund einer gemeinsamen Zeichensprache.<br />
Verschiedene dramatische Szenarien lassen sich auf<br />
diese Weise aus dem Stegreif entwickeln, wobei<br />
Verbalsprache zunehmend handlungsergänzend und<br />
verstärkend eingesetzt wird. Es kommt zu wichtigen<br />
Erfahrungen für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer:<br />
Gemeinsames Agieren wird besonders<br />
effektiv, wenn man sich gegenseitig, als „Freund oder<br />
Feind“, ins Spiel bringt. So werden allmählich, neben<br />
der Kooperation, weitere „Schlüsselkompetenzen“<br />
wie Empathie und Sozialverhalten erworben. Damit<br />
dieser Prozess von der Spielebene auf den Alltag übertragbar<br />
wird, erarbeitet die Gruppe/Klasse in starker<br />
Eigenverantwortung ein Produkt, das sie der Öffentlichkeit<br />
präsentiert. Gelingt es, mit ihm auch noch die<br />
ästhetischen Erwartungen des Publikums zu erfüllen,<br />
winken Anerkennung und Selbstbestätigung als Lohn,<br />
der für neue Aufgaben motiviert.<br />
Unsere theaterpädagogische Fortbildung beginnen<br />
wir mit 10 Übungen, die sich als Training für die Spielfähigkeit<br />
bewährt haben und sofort im Schulalltag<br />
anwendbar sind. Sie dienen der Sinnesschulung,<br />
Konzentration, Kooperation, Partner-Wahrnehmung<br />
und Präsentation und machen Schülerinnen und<br />
Schülern enormen Spaß. Anbei unsere Auswahl, die<br />
sich selbstverständlich mit anderen Übungen austauschen<br />
oder ergänzen lässt.<br />
Im folgenden Text werden die Abkürzungen SL für<br />
Spielleiterin/Spielleiter und TN für Teilnehmerinnen/<br />
Teilnehmer verwendet<br />
„Aus der Gruppe lösen“ (Ein Gespür für die Aktionsbereitschaft<br />
der anderen bekommen)<br />
Alle TN stehen im Halbkreis so mit dem Gesicht vor<br />
der SL, dass sie einander nicht direkt, sondern nur aus<br />
den Augenwinkeln wahrnehmen können. Ohne<br />
Startzeichen soll sich jeder TN aus der Gruppe lösen,<br />
einer nach dem anderen und nur ein Mal, indem er<br />
sich umdreht, 4 Schritte ausschert, kehrt macht und<br />
wieder seinen alten Platz einnimmt. Es darf keine<br />
„Doppelgänger“ geben, auch darf keiner gehen, wenn<br />
zuvor sein linker oder rechter Nebenmann gerade<br />
gegangen ist. Es geht um genaues Beobachten und um<br />
nonverbale Absprachen. Anspruchsvollere Variante:<br />
Jeweils zwei TN lösen sich parallel aus der Gruppe,<br />
dürfen aber nicht nebeneinander stehen. Ein Meisterstück,<br />
wenn das sogar jeweils drei TN schaffen!<br />
„Schreibmaschine“ (mit 2 - 3 Buchstaben/Satzzeichen<br />
pro TN soll die Gruppe einen Satz gemeinsam<br />
„schreiben“, den die SL vorgibt.) Zwischen 12 und 24<br />
TN stehen vor der SL und erhalten nacheinander, der<br />
Reihe nach, jeder einen Buchstaben des Alphabets<br />
(ä,ö,ü werden später als ae, oe und ue gesprochen, ß<br />
wird immer zu ss), einschließlich des Leerzeichens<br />
(„Zapp“) und der gängigen Satzzeichen („“, . : -!?).<br />
Am Ende der Zuteilung hat jeder TN mindestens 2<br />
Buchstaben/Zeichen erhalten, für die er zuständig ist,<br />
d.h. beim Schreiben des Satzes einbringen muss. Der<br />
wird von der SL so „getaktet“, dass die einzelnen<br />
Buchstaben/Satzzeichen flüssig genannt werden<br />
können, als schriebe man mit zwei Fingern auf einer<br />
mechanischen Schreibmaschine. Ein Beispiel:<br />
„Hunde, die bellen, beissen meistens nur montags<br />
und dann am liebsten Brieftraeger!“. Zum Merken<br />
wird der Satz einmal wiederholt, dann erfolgt das<br />
Startzeichen. Laut nennt jeder „sein(en)“ Buchstaben/Zeichen,<br />
bleibt dabei in der Reihe stehen.<br />
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