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10 Frauenzentrierte Ansätze in der Gesundheitsförderung und in der ...

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<strong>Frauenzentrierte</strong> Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung 633<br />

<strong>10</strong>.4.4 Praxisbeispiel: Beratungsstelle mit Selbsthilfegruppen <strong>in</strong> Hannover<br />

Das Angebot <strong>der</strong> Beratungsstelle an Frauen mit Eßstörungen umfaßt E<strong>in</strong>zelberatung,<br />

Gruppenberatung, Selbsthilfegruppen, Langzeitgruppen <strong>und</strong> die Arbeit mit den Angehörigen<br />

eßgestörter Frauen. Die E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> Hannover ist e<strong>in</strong> Ableger e<strong>in</strong>es Beratungszentrums<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, das seit 1985 existiert. Dort stellte sich bald nach <strong>der</strong><br />

Gründung heraus, daß die von Eßstörungen betroffenen Frauen <strong>in</strong> Selbsthilfegruppen<br />

sehr viel Verantwortung für an<strong>der</strong>e übernahmen <strong>und</strong> deshalb die Unterstützung durch<br />

Fachkräfte benötigen.<br />

Die Ursachen für Eßstörungen bei Frauen sehen die Expert<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den überhöhten <strong>und</strong><br />

ambivalenten Anfor<strong>der</strong>ungen an Frauen <strong>in</strong> dieser Gesellschaft. Gerade junge Frauen aus<br />

traditionellen Elternhäusern, <strong>in</strong> denen die Mutter e<strong>in</strong>e fürsorgliche Rolle e<strong>in</strong>nimmt,<br />

seien diesen ambivalenten Anfor<strong>der</strong>ungen stark ausgesetzt: E<strong>in</strong>erseits sollen sie fürsorglich<br />

se<strong>in</strong> <strong>und</strong> ihre eigenen Interessen zurückstellen, an<strong>der</strong>erseits sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

durchsetzen können <strong>und</strong> Stärke beweisen. Dabei sollen sie jung, schlank <strong>und</strong> attraktiv<br />

se<strong>in</strong>. Bei älteren Frauen ist die Lage etwas an<strong>der</strong>s: Sie s<strong>in</strong>d häufig mit hohen Fürsorgeansprüchen<br />

ihrer Umwelt belastet, selbst <strong>in</strong> beruflich hoher Position s<strong>in</strong>d sie für das<br />

Wohl ihrer Kollegen zuständig. Frauen mit Eßstörungen, so die Expert<strong>in</strong>, leben ständig<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „Entwe<strong>der</strong>-o<strong>der</strong>“. Entwe<strong>der</strong> sie s<strong>in</strong>d erfolgreich <strong>und</strong> fühlen sich gut, o<strong>der</strong> sie<br />

s<strong>in</strong>d nicht erfolgreich <strong>und</strong> fühlen sich wertlos, sie werten sich stark ab.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> versteht die Beratungsstelle Eßstörungen als Konfliktlösungsstrategien.<br />

Mit ihnen verleihen Frauen ihren Gefühlen wie Trauer, Wut <strong>und</strong> Schmerz<br />

Ausdruck, wenden sie jedoch nach <strong>in</strong>nen; es ist <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne autoaggressives Verhalten.<br />

Das macht es ihnen möglich, ihre Lebenslagen (wie z. B. Arbeitsplatz o<strong>der</strong><br />

Familiensituation) auszuhalten, ohne daran etwas än<strong>der</strong>n zu müssen. Manchmal haben<br />

Eßstörungen auch die Funktion, die Familie zusammenzuhalten.<br />

Gewalterfahrungen können Eßstörungen verursachen, doch ist hier e<strong>in</strong>e differenzierte<br />

Betrachtung angebracht; Grenzüberschreitungen können vielschichtig se<strong>in</strong> <strong>und</strong> müssen<br />

unterschieden werden. In <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Beratungsstelle haben bulimische <strong>und</strong><br />

adipöse Frauen eher Gewalterfahrungen gemacht als magersüchtige. Bei letzteren spielen<br />

familiäre E<strong>in</strong>engungen sowie Konflikte bei <strong>der</strong> Ablösung e<strong>in</strong>e zentrale Rolle.<br />

Beson<strong>der</strong>e Kennzeichen dieser E<strong>in</strong>richtung s<strong>in</strong>d das niedrigschwellige Beratungsangebot<br />

<strong>und</strong> ihr Programm zur Ausbildung von Mo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong>nen. Frauen wenden sich an die<br />

Beratungse<strong>in</strong>richtung, um zu erfahren, ob sie eßgestört s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> woran sie dies erkennen<br />

können; an<strong>der</strong>e wissen um ihre Eßstörung <strong>und</strong> suchen Information. Häufig werden<br />

Frauen von nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ärzten geschickt, mit dem H<strong>in</strong>weis, daß sie<br />

mit ihrer Eßstörung dort am besten aufgehoben seien. Viele Frauen haben Diätkarrieren<br />

o<strong>der</strong> Behandlungen h<strong>in</strong>ter sich, wie z. B. Krankenhausaufenthalte, psychosomatische<br />

Kl<strong>in</strong>ikbehandlungen, Verhaltenstherapie, Gestalttherapie, Ernährungsberatung. Bei fehlgeschlagenen<br />

Vorbehandlungen ist es beson<strong>der</strong>s wichtig, daß sich die Klient<strong>in</strong> über die<br />

Rolle klar wird, die die Berater<strong>in</strong> e<strong>in</strong>nehmen soll.

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