10 Frauenzentrierte Ansätze in der Gesundheitsförderung und in der ...

642 Bericht zur gesundheitlichen Lage von Frauen in Deutschland
Da es bei den Wechseljahren nicht um eine Erkrankung oder um Krankheitsfolgen,
sondern um gesunde Veränderungen geht, und da die Verunsicherung weitgehend als
Folge der seit kurzem verfügbar gewordenen medizinischen Interventionsmöglichkeiten
ist, finden sich kaum „klassische“ Selbsthilfegruppen auf diesem Gebiet. Die Angebote
nehmen die Form von Kursen, Vortragsabenden, Beratungsgesprächen oder Gesprächskreisen
an, bei denen zunächst fachkompetende Information im Mittelpunkt steht. Das
hier erfaßte Praxisbeispiel wurde von der Ärztin in einer Beratungseinrichtung (Pro
Familia) angeboten und per Zeitungsanzeige, in der Beratungsstelle sowie anläßlich
öffentlicher Vortragsabende bekanntgegeben. Angeboten wurde ein Gesprächskreis im
Umfang von zehn Abenden, von der Ärztin geleitet.
Entsprechend der allgemeinen Grundhaltung in der frauenzentrierten Gesundheitsförderung
ist das Anliegen der Expertin auf die Unterstützung des Körperbewußtseins
und der Stärken der Frauen ausgerichtet. Körperveränderungen in den Wechseljahren
sollen als natürliches Geschehen verstanden werden. Vermittelt wird, daß die Phase der
Umstellung, die mit Hitzewallungen, Angstgefühlen, Herzrasen und Schlaflosigkeit
verbunden sein kann, eine Übergangsphase ist, die für die große Mehrheit von Frauen
mit einfachen Hausmitteln und Übungen bewältigt wird. Nach Erfahrung der Expertin
kommen zwar Frauen zum Gesprächskreis mit Fragen zu den körperlichen Veränderungen
in den Wechseljahren, dieses Thema sei aber am ersten Abend schon praktisch
erschöpft. Es sei vor allem „die Situation des Älterwerdens als Frau in dieser Gesellschaft,
die die Frauen bedrückt“.
Daher tritt die fachlich informierende Rolle bald in den Hintergrund und die Expertin ist
vor allem als psychosoziale Gruppenleiterin gefordert: Sie fördert den Austausch der
Frauen untereinander und die Überwindung von Negativbildern vom Älterwerden, aber
auch von Gesellschaft und Umwelt, zugunsten des Erkennens neuer Lebens- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Expertin schlägt Themen für jeden Abend vor und achtet
darauf, daß ausreichend, aber nicht einseitig auf die Probleme und Wünsche der einzelnen
eingegangen wird. Themen für Gruppenabende waren z. B. die als Kind erlebte
Beziehung zur eigenen Mutter, die Sexualität, Männer und Beziehungen, Zukunftsvisionen
und Vorstellungen für den kommenden Lebensabschnitt, aber auch eine Maltherapiestunde.
Die Themenvorschläge bilden kein feststehendes Programm; Angebote
der Expertin können auch abgelehnt werden, wenn die Gruppe intensiv mit anderen
Interessen oder Fragen beschäftigt ist. So wurde das Angebot eines Informationsvortrags
zu Hormonen mitten im Verlauf der zehn Gruppenabende von dieser Gruppe ausgeschlagen,
weil andere Themen ihnen wichtiger schienen; auch das Angebot einer praktischen
Unterweisung in die Selbstuntersuchung der Brust wurde nicht gewünscht.
Präferenzen und Gefühle der Gruppenteilnehmerinnen - einige halten sich „eher bedeckt“
bei brisanten Themen wie Sexualität - werden respektiert.
Das Gruppengespräch mit drei Teilnehmerinnen dieses Gesprächskreises mache deutlich,
daß schon bei der Entscheidung, sich für die Gruppe anzumelden, weniger die
akute Verunsicherung im Hinblick auf körperliche Veränderungen und Hormonbehand-