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10 Frauenzentrierte Ansätze in der Gesundheitsförderung und in der ...

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654 Bericht zur ges<strong>und</strong>heitlichen Lage von Frauen <strong>in</strong> Deutschland<br />

o<strong>der</strong> Therapie e<strong>in</strong>e Beschreibung <strong>der</strong> typischen Probleme dieser Frauen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zusammenhänge<br />

mit Biographie <strong>und</strong> Lebenssituation. Ke<strong>in</strong> Gespräch folgte dem e<strong>in</strong>fachen<br />

Modell „Symptom-Verdachtsabklärung-Behandlung“.<br />

Leitidee bei <strong>der</strong> Entwicklung von Angeboten frauenzentrierter Versorgung ist die E<strong>in</strong>schätzung,<br />

daß Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit bei Frauen an<strong>der</strong>s erfahren <strong>und</strong> bewältigt<br />

werden als bei Männern. So wird z. B. häufig angesprochen, <strong>in</strong>wiefern Frauen <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>en Lebenssituationen s<strong>in</strong>d: e<strong>in</strong>erseits eher abhängiger <strong>und</strong> weniger <strong>in</strong>dividualisiert<br />

als Männer, an<strong>der</strong>erseits stärker auf an<strong>der</strong>e Menschen bezogen, so daß die Qualität<br />

zwischenmenschlicher Beziehungen für ihr Bef<strong>in</strong>den eher maßgeblich ist. E<strong>in</strong>ige Expert<strong>in</strong>nen<br />

me<strong>in</strong>en, daß Frauen e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>legend an<strong>der</strong>e Art zu denken, zu fühlen <strong>und</strong> zu<br />

kommunizieren haben, auf die e<strong>in</strong>e gute Versorgung e<strong>in</strong>gehen können muß. An<strong>der</strong>e<br />

richten ihre Aufmerksamkeit eher auf die objektiven Lebensverhältnisse - Verantwortung<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Unterbrechungen des Berufs, Konfrontation mit wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen, Erfahrungen mit Diskrim<strong>in</strong>ierung, Ger<strong>in</strong>gschätzung <strong>und</strong> Gewalt. Institutionen<br />

<strong>und</strong> Praktiken, die Geschlechterdifferenzen nicht systematisch berücksichtigen,<br />

so wurde wie<strong>der</strong>holt versichert, schreiben unweigerlich, auch ohne es zu wollen, e<strong>in</strong>e<br />

Tradition <strong>der</strong> Bewertung des An<strong>der</strong>sse<strong>in</strong>s von Frauen als Defizit fort.<br />

Den Vertreter<strong>in</strong>nen frauenzentrierter Versorgung ist bei aller Unterschiedlichkeit ihrer<br />

Tätigkeitsfel<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e „psychosoziobiologische“ Sicht geme<strong>in</strong>sam, die Symptome nicht<br />

isoliert betrachtet, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e soziale <strong>und</strong> biographische Anamnese für wesentlich<br />

hält. Nicht alle<strong>in</strong> z. B. bei Eßstörungen, son<strong>der</strong>n fast durchgängig s<strong>in</strong>d die Expert<strong>in</strong>nen<br />

verschiedenster Berufsgruppen bemüht, das spezifische Leiden auf dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Lebenskonflikte zu verstehen, <strong>in</strong> denen dieses e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Funktion haben<br />

mag. Sie haben zugleich den Anspruch, dies unvore<strong>in</strong>genommen mit <strong>der</strong> Frau zusammen<br />

zu tun, denn diese soll „Expert<strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Ges<strong>und</strong>heit o<strong>der</strong> Krankheit“ werden.<br />

Dies ist e<strong>in</strong> wichtiger Aspekt <strong>der</strong> oft genannten Ganzheitlichkeit im Verständnis von<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit. So bemerkt die Ärzt<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Landeskrankenhaus, daß die<br />

große Mehrheit <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen mit depressiver Symptomatik <strong>in</strong> ihrem Alltag aktuelle<br />

Konflikte <strong>der</strong> Lebensführung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Lebensgeschichte haben, die sie nicht zu<br />

bewältigen wissen. „Wir schauen mit ihnen ihr Leben an, sie müssen uns nicht ihre<br />

Symptome anbieten.“ Ähnliche Aussagen f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> fast allen Gesprächen. Das<br />

ganzheitliche Ges<strong>und</strong>heitsverständnis, das den Körper im Kontext sozialer <strong>und</strong> psychischer<br />

Beziehungen, das Psychische wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> sozialen <strong>und</strong> körperlichen Bezügen<br />

sieht, ist nicht auf Frauen als Patient<strong>in</strong>nen begrenzt. Geschlechtsspezifisch wird diese<br />

Sicht durch e<strong>in</strong>e kritische Reflexion auf die gesellschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong><br />

Lebenswege von Frauen, <strong>in</strong>dem Beschwerden <strong>und</strong> Belastungen als Folge geschlechtstypischer<br />

Konflikte <strong>und</strong> Problemlagen verstanden werden. E<strong>in</strong>e differenzierte Kenntnis<br />

<strong>und</strong> E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Lebenssituation von Frauen wird daher als Basis e<strong>in</strong>er angemessenen<br />

Versorgung betrachtet. Dazu gehört für die Expert<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den neuen<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n immer, daß sie abwägend auf die Schwierigkeiten <strong>der</strong> alltäglichen<br />

Lebensführung für Frauen vor <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Wende e<strong>in</strong>gehen <strong>und</strong> die Folgen für die<br />

Ges<strong>und</strong>heit bedenken.

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