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Früher und Heute<br />

Frankfurt und seine Plätze<br />

Der Schweizer Platz<br />

Sachsenhausen, dieses „Ding über“,<br />

wie Goethe, selbst zu einem Viertel<br />

Sachsenhäuser, den Liebetraut im<br />

„Götz“ sagen lässt, oder wo nach<br />

Johann Jacob Fries ein „seltsames<br />

Volk jenseits des Flusses“ wohnt, ist<br />

ein Stadtteil eigener Art. Er gehörte<br />

zwar stets zu Frankfurt, hatte<br />

aber <strong>als</strong> linksmainische Vorstadt,<br />

<strong>als</strong> „Dribbdebach“, viele Besonderheiten<br />

– und hat sie noch. Wir denken<br />

jetzt zum Beispiel nicht an Alt-<br />

Sachsenhausen oder ans Museumsufer,<br />

sondern an einen Platz, wie es in<br />

dieser Form in ganz Frankfurt keinen<br />

zweiten gibt: den Schweizer Platz.<br />

Als „städtebauliches Juwel“ wird der<br />

kreisrunde Schweizer Platz mit seinen<br />

sternförmig abgehenden Straßen gern<br />

bezeichnet, auch <strong>als</strong> quirliger Mittelpunkt<br />

des Sachsenhäuser Geschäftslebens<br />

mit ein wenig Pariser Flair – und<br />

das seit über 120 Jahren. Einige wenige<br />

Um- und Neubauten, ebenso gewandelte<br />

Lebensgewohnheiten und Wirtschaftsstrukturen<br />

haben den Platz etwas<br />

verändert. Eine Konstante sind<br />

Verkehrsprobleme. Nannte man 1964<br />

den Kreisverkehr „eine der schlimmsten<br />

Verkehrsfallen in Sachsenhausen“<br />

und wurde sein Verschwinden angekündigt,<br />

so gewannen in unserer Zeit<br />

Stimmen Gewicht, die ihn wieder haben<br />

wollten. Dazwischen liegt die Leidenszeit<br />

des U-Bahn-Baus oder die<br />

Gründung der Initiative „Rund um den<br />

Schweizer Platz“ für bessere Wohn- und<br />

52 SZ 1/<strong>2010</strong><br />

Bei Jung und Alt beliebt: der Schweizer Platz.<br />

Foto: Oeser<br />

Lebensbedingungen. Es mag alle trösten,<br />

was sich die allerersten Anrainer<br />

nicht hatten träumen lassen: Bald<br />

schon querten von Dampfloks gezogene<br />

Züge der 1889 eingerichteten Waldbahn<br />

Richtung Neu-Isenburg, Schwanheim<br />

und Niederrad mit ihrem Betriebshof<br />

in der Textorstraße den<br />

Schweizer Platz.<br />

Jahre des Aufschwungs<br />

Nach Überwindung des Schocks über<br />

den Verlust der Selbstständigkeit und<br />

die Einverleibung in den preußischen<br />

Staat 1866 nahm Frankfurt in den<br />

Gründerjahren, der Wilhelminischen<br />

Zeit, einen kaum erahnten Aufschwung.<br />

Und Sachsenhausen damit auch. In<br />

den 1870er Jahren zeigte Sachsenhausen<br />

„von innen wie von außen gesehen,<br />

noch das Bild einer Kleinstadt,<br />

ja man kann schon sagen teilweise<br />

noch ländlichen Charakter. Das ist<br />

wohl auf die streng konservative,<br />

schwerfällige Art und den damit<br />

verbundenen Mangel an Großzügigkeit<br />

der alten Sachsenhäuser zurückzuführen“,<br />

schreibt Hermann Hock<br />

(1870 –1960), Konzertmeister des Opernhaus-<br />

und Museumsorchesters, in seinen<br />

Erinnerungen. Rasch änderte es sich<br />

mit der dann folgenden Industrie- und<br />

Gewerbeansiedlung, mit Eisenbahn-,<br />

Brückenbau und Wohnbebauung. Hatte<br />

Sachsenhausen 1866 etwa 8.000 Einwohner,<br />

so waren es 1880 schon 18.000,<br />

1920 schließlich 50.000.<br />

Es entstand zunächst ein neues<br />

Viertel um den Oppenheimer Platz bis<br />

zum Bebraer Bahnhof von 1875 (später<br />

Südbahnhof) nebst Wohnungen und<br />

Bürogebäuden der Eisenbahnverwaltung.<br />

Zur gleichen Zeit wurde <strong>als</strong> notwendige<br />

Ergänzung der bis dahin einzigen<br />

und unzulänglichen Straßenbrücke,<br />

der Alten Brücke, 1872–1874 in Fortsetzung<br />

der Neuen Mainzer Straße die<br />

Untermainbrücke errichtet. Mit ihr beginnt<br />

auch die Geschichte der Schweizer<br />

Straße und des Schweizer Platzes.<br />

Wunschreiseziel war<br />

Namensgeber<br />

Aus einem unbedeutenden Weg durch<br />

Wiesen und Gärten, der „Heiligengasse“,<br />

wo sich bereits zuvor Gewerbebetriebe<br />

angesiedelt hatten, entwickelten sich<br />

jene Straße und jener Platz, für die 1877<br />

die Schweiz Pate stand. Aus dem Vorschlag<br />

der Baudeputation, den Namen<br />

einer Stadt oder eines Landes südlich<br />

Frankfurts zu wählen, hatte sich der<br />

Magistrat für die Schweiz entschieden.<br />

Vielleicht trug er damit dem Wunschreiseziel<br />

der damaligen Großbürger<br />

und ihrer Schwärmerei für die Schweiz<br />

Rechnung. So erhielt <strong>als</strong>o jener Platz<br />

seinen Namen, der fast genau in der<br />

Mitte der neuen Straße zwischen Untermainbrücke<br />

und Mörfelder Landstraße<br />

nach Pariser Vorbild <strong>als</strong> weltstädtischer<br />

Stern angelegt worden war<br />

und seit 1886 bebaut wurde. <strong>Die</strong><br />

Schweizer Straße wurde zur Hauptgeschäftsstraße<br />

Sachsenhausens, zur<br />

„Sachsenhäuser Zeil“. <strong>Die</strong> Mischung<br />

aus ihren verschiedenartigen Lokalen<br />

und Einzelhandelsgeschäften ist nicht<br />

nur für Sachsenhäuser ein Anziehungspunkt,<br />

Das gleiche gilt auch für das<br />

jährliche Schweizer Straßenfest engagierter<br />

Geschäftsleute.<br />

Aus Anlass der 300. Wiederkehr des<br />

Todestags von König Gustav II. Adolf<br />

von Schweden im Jahr 1932 schlug das<br />

Amt für Wissenschaft, Kunst und<br />

Volksbildung vor, ihm eine Straße zu<br />

widmen. Er hatte mit seinem Heer von<br />

Sachsenhausen aus Frankfurt belagert.<br />

Nachdem man die Oppenheimer Landstraße<br />

<strong>als</strong> postalisch zu aufwendig und<br />

den – wenn auch größeren und schöneren<br />

(!) – Oppenheimer Platz <strong>als</strong> postalisch<br />

nichtig ausgeschieden hatte, wurde<br />

der Schweizer Platz in Gustav-Adolf-<br />

Platz umbenannt. So hieß er bis 1961.<br />

Hans-Otto Schembs

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