Die gesamte Ausgabe 1/2010 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...
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Meuniers<br />
„Sämann”<br />
im Günthersburgpark<br />
Kulturdezernent Horst Semmelroth begrüßte den renovierten Sämann<br />
persönlich. Foto: FKK-Christ<br />
Der Günthersburgpark gilt <strong>als</strong> der „lebendigste und<br />
quirligste unserer öffentlichen Parks“, wie ihn einmal<br />
ein Parkbesucher beschrieb. Wer ihn durch das<br />
große Südwestportal gegenüber der darauf zuführenden<br />
Günthersburgallee betritt, wird von einer überlebensgroßen<br />
Bronzeskulptur auf hohem Sockel begrüßt: dem „Sämann“.<br />
Im vergangenen Jahr war er mehrere Monate zur „Kur“ bei<br />
der Kunstguß Eschenburg Lahn-Dill GmbH. Sie reinigte und<br />
restaurierte die von Wettereinflüssen und Materialverschleiß<br />
stark mitgenommene Figur, beseitigte Risse, ersetzte rostige<br />
Nägel, machte sie durch „Patinierung“ witterungsbeständiger.<br />
<strong>Die</strong> Kunstguß Eschenburg, 1981 gegründet und heute<br />
von Rüdiger Weinelt in der zweiten Generation geführt, hat<br />
in Frankfurt schon manches restauriert: so das Schillerdenkmal<br />
und die Justitia. Auch Werke Frankfurter Künstler,<br />
zum Beispiel von Willi Schmidt und Franziska Lenz-<br />
Gerharz, hat sie in Bronze gegossen.<br />
Der „Sämann“ mutet antik an, man wird aber auch einen<br />
Hauch von Impressionismus und Expressionismus entdecken.<br />
Oder ihn gar mit den Standbildern der Nazi-Zeit<br />
oder des sozialistischen Realismus vergleichen. Damit aber<br />
täte man dem Schöpfer, dem belgischen Maler und Bildhauer<br />
Constantin Meunier, unrecht. Etwas Heroisches<br />
haben Meuniers Figuren ohne Zweifel. Als „Glorificateur du<br />
travail“, <strong>als</strong>o Verherrlicher der Arbeit, wird Meunier auf der<br />
Plakette am Haus in Brüssel-Etterbeek bezeichnet, wo er<br />
1831 geboren wurde.<br />
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Constantin Meunier begann <strong>als</strong> Maler vornehmlich religiöser<br />
Bilder. Er widmete sich seit 1875 aber <strong>als</strong> einer der<br />
ersten bildenden Künstler der Darstellung von Bergleuten<br />
und Arbeitern. Erst 1896 gelang ihm mit einer Ausstellung<br />
in Paris der internationale Durchbruch. Meunier ging es<br />
nicht um eine kritische Darstellung des Elends des<br />
Industrieproletariats, sondern die Kraft, den Stolz und die<br />
Würde des einzelnen Arbeitenden realistisch darzustellen.<br />
Meunier konnte sich 1900 nach eigenen Entwürfen sein<br />
Atelier-Wohnhaus in Ixelles bei Brüssel bauen. Seit 1939 ist<br />
es Museum.<br />
Bald nach Meuniers Tod im Jahre 1905 veranstaltete<br />
die Berliner Hofkunsthandlung Keller & Reiner eine Gedächtnisausstellung<br />
zunächst in Berlin, danach in Dresden<br />
und vom 8. April 1906 bis nach Pfingsten in Frankfurt im<br />
Bürgersaal des neuen Rathauses. Im gleichen Jahr erwarb<br />
die Stadt aus Mitteln des Städtischen Kunstfonds zwei<br />
Bronzeabgüsse von Skulpturen Meuniers: den „Sämann“<br />
und den „Hafenarbeiter“. <strong>Die</strong>sen Kunstfonds hatte 1899<br />
Leo Gans, Chemiker und Mitinhaber der Cassella-Werke,<br />
einer der fünf Städel-Administratoren und großer Mäzen,<br />
ins Leben gerufen.<br />
Der „Semeur“ (Sämann), dessen Original Meunier um<br />
1890 geschaffen und für ein großes „Denkmal der Arbeit“<br />
bestimmt hatte, wurde im Günthersburgpark aufgestellt.<br />
<strong>Die</strong>ser Park der Villa Günthersburg Carl Mayer von Rothschilds<br />
befindet sich im städtischen Besitz. Der „Débardeur“<br />
(Hafenarbeiter, auch Dockarbeiter oder Sackträger genannt)<br />
kam auf den südlichen Brückenkopf der damaligen<br />
Wilhelmsbrücke (heute die Friedensbrücke). Außer<br />
in Frankfurt gibt es von dieser 1883 von Meunier geschaffenen<br />
Skulptur Abgüsse in Kopenhagen, Antwerpen, Wien<br />
und sogar in Lima. Auch beim Frankfurter „Hafenarbeiter“<br />
steht eine Restaurierung an, doch er kann an Ort und<br />
Stelle bleiben. Hans-Otto Schembs<br />
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SZ 1/<strong>2010</strong><br />
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