Die gesamte Ausgabe 1/2010 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...
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Titel: Ältere Menschen im modernen Frankfurt<br />
„Rentner gehören<br />
genauso in die Stadt<br />
wie Jugendliche”<br />
<strong>Die</strong> Zukunftsstudie „Frankfurt für<br />
alle“ gibt der Politik Handlungsempfehlungen,<br />
damit Frankfurt<br />
fit wird für 2030. Der Sozialverband<br />
VdK kritisiert, in der Untersuchung<br />
würden Behinderte, finanziell<br />
schlechter gestellte und ältere Menschen<br />
nicht erwähnt. Nicole Galliwoda<br />
hat beim Autoren und Architekten<br />
Professor Albert Speer nachgefragt.<br />
SZ: In der Studie „Frankfurt für alle“<br />
wurden offenbar große Teile der Gesellschaft<br />
nicht berücksichtigt, darunter<br />
auch Rentner. Sind denn ältere<br />
Menschen in Zukunft nicht mehr wichtig<br />
für die Stadt?<br />
Speer: Ganz im Gegenteil. Ich bin ja<br />
selbst 75 Jahre alt und nicht mehr der<br />
Jüngste. Und gerade vor kurzem habe<br />
ich gelesen, dass die Hälfte aller heute<br />
Geborenen 100 Jahre alt wird. Es gibt<br />
<strong>als</strong>o immer mehr Alte. Sie bleiben länger<br />
aktiv und haben andere Ansprüche.<br />
Wir haben in der Studie keine Personengruppe<br />
gesondert behandelt, weil<br />
die Stadt zukünftig nur Erfolg hat,<br />
wenn sie für alle Bevölkerungsgruppen<br />
attraktiv ist.<br />
SZ: Was ist denn die Kernaussage der<br />
Studie?<br />
Speer: Der zukünftige Erfolg Frankfurts<br />
hängt von mehreren Aspekten ab:<br />
<strong>Die</strong> Stadt muss attraktiv sein für internationale<br />
Eliten der Wissensgesellschaft,<br />
sie braucht aber auch ein stabiles Gemeinwesen<br />
mit ausgeglichenen Sozi<strong>als</strong>trukturen,<br />
engagierten Bürgern und<br />
gut integrierten Zuwanderern. Bildungsund<br />
Lebenschancen müssen für alle<br />
Menschen, die hier leben, gut sein.<br />
Deshalb heißt die Denkschrift auch<br />
„Frankfurt für alle“.<br />
SZ: Gibt es denn in der Studie beispielsweise<br />
einen Wohnstandort, der für alle<br />
Menschen in Frage kommt?<br />
Speer: Ja, einen ganz konkreten sogar.<br />
8 SZ 1/<strong>2010</strong><br />
Albert Speer<br />
Foto: Ute Schmidt, Frankfurt<br />
Das 19-geschossige Union-Investment-<br />
Hochhaus am Main neben dem Interconti<br />
eignet sich hervorragend <strong>als</strong><br />
Wohnhochhaus. Es wäre eine ideale<br />
Umnutzung von Büros in Wohnungen,<br />
verfügt über viele Aufzüge und liegt<br />
zentral mit Blick auf den Main.<br />
SZ: Das wäre auch was für Ältere?<br />
Speer: Na klar. Früher gab es die Auffassung,<br />
ältere Menschen, die nicht mehr<br />
arbeiten, sind am Stadtrand, mehr im<br />
Grünen, besonders gut aufgehoben.<br />
Das hat sich komplett verändert. Rentner<br />
gehören genauso in die Stadt wie<br />
Jugendliche. Sie brauchen barrierefreie<br />
Wohnungen, Mehrgenerationenhäuser,<br />
kurze Wege und Parks in der<br />
Nähe. <strong>Die</strong> Wohnungslandschaft muss<br />
sich in dieser Hinsicht anpassen und<br />
entsprechende Angebote machen.<br />
SZ: Wie sieht das in Frankfurt aus?<br />
Speer: Ich berate die Stadt seit 30 Jahren<br />
und muss sagen, Frankfurt macht<br />
sich ganz gut. Als unser Büro dam<strong>als</strong><br />
das Künstlerhaus Mousonturm, eine<br />
ehemalige Seifen- und Parfümfabrik, in<br />
den 80er Jahren umgestaltet hat, ist die<br />
Idee für ein Altenwohnprojekt in der<br />
Nachbarschaft entstanden. Und das<br />
Wohnstift der Gesellschaft Deutsche<br />
Altenhilfe am Zoo liegt ja auch zentral<br />
und hat Vorbildcharakter.<br />
SZ: Welche Altenwohnprojekte sind<br />
aktuell attraktiv?<br />
Speer: Das Schwanthaler Carrée gegenüber<br />
dem alten Straßenbahndepot in<br />
Sachsenhausen ist ein gutes Beispiel.<br />
Dort sind gerade 80 Eigentumswohnungen<br />
für Menschen ab 60 Jahren<br />
fertig gestellt worden. Manche werden<br />
sicher auch vermietet. Im ersten Stock<br />
betreibt die Diakonie eine Pflegestation<br />
mit 50 Plätzen. Bewohner können dort<br />
Pflegeleistungen einzeln bekommen<br />
oder, je nachdem wie es läuft, dorthin<br />
umziehen. Am Bürgerhospital im Nord-<br />
end entsteht ein ähnliches Wohnstift.<br />
Wohnen in der Innenstadt ist allgemein<br />
ein großes Thema. Viel lässt<br />
sich zu Fuß, mit dem Rad, mit Bus<br />
und Bahn erledigen. Das ist auch vom<br />
ökologischen Standpunkt aus betrachtet<br />
wichtig.<br />
SZ: Gibt es Ansätze auch für wenig zahlungskräftige<br />
ältere Bürger in der<br />
Stadt?<br />
Speer: Generell muss es Ziel sein, dass<br />
viele Ältere möglichst selbstständig in<br />
der eigenen Wohnung bleiben können.<br />
Dazu müssen in großer Zahl barrierefreie<br />
Wohnungen zur Verfügung stehen,<br />
und über soziale <strong>Die</strong>nste, aber auch<br />
durch die Wohnungsbaugesellschaften<br />
sollten unterstützende <strong>Die</strong>nste (Einkaufen,<br />
Reinigung, Reparaturen etc.)<br />
organisiert werden. Das entspricht den<br />
Wünschen vieler alter Menschen und<br />
ist einfacher zu finanzieren, <strong>als</strong> Altenresidenzen<br />
für alle.<br />
SZ: Wie sieht das in anderen Städten<br />
aus?<br />
Speer: Ich war kürzlich in New York,<br />
und auch dort entstehen viele Wohnhochhäuser.<br />
In Manhatten werden alte<br />
Fabrikgebäude aufgestockt.<br />
SZ: Wie wohnen Sie eigentlich?<br />
Speer: Meine Frau und ich leben völlig<br />
selbstständig in Sachsenhausen.<br />
SZ: Und wie würden Sie gerne später<br />
mal wohnen, wenn Sie nicht mehr so fit<br />
und aktiv sind?<br />
Speer: So richtig fest steht das noch<br />
nicht. Wir haben ein Haus in Murnau am<br />
Staffelsee in Oberbayern. Vielleicht ziehen<br />
wir mal dorthin. Es kann aber auch<br />
ganz anders kommen. Bekannte von<br />
uns haben kürzlich in der Schloss-Residence<br />
Mühlberg in Sachsenhausen eine<br />
seniorengerechte Wohnung gekauft.<br />
Das könnte ich mir auch gut vorstellen.<br />
Mal sehen. Nicole Galliwoda