Die gesamte Ausgabe 1/2010 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...
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Frankfurt und seine Stadtteile / Serie<br />
Während die Baukräne in den<br />
aufstrebenden Nachbarstadtteilen<br />
nicht stillhalten, scheint<br />
hier die Zeit stehen geblieben. Fünf<br />
Straßen in der Breite, acht in der Länge.<br />
Nicht viel mehr <strong>als</strong> einen Quadratkilometer<br />
ist der „Kuhwald” groß. Offiziell<br />
besitzt das Quartier mit den niedrigen<br />
Häusern aus den 1950er Jahren nicht<br />
einmal den Status eines eigenen Stadtteils.<br />
<strong>Die</strong> Straßenzüge zwischen der<br />
Messe, dem neu entstehenden Europaviertel<br />
und dem Neubaugebiet am Rebstockpark<br />
sind stadtplanerisch der Gemarkung<br />
Bockenheim zugeordnet.<br />
Viel Grün, schlichte gepflegte Häuserreihen<br />
im Stil des berühmten Frankfurter<br />
Stadtbaurats Ernst May. Dazu<br />
ruhige Straßen, Gärten vor den Häusern<br />
und dahinter ein Dorfplatz, Wäsche,<br />
die auf Leinen flattert. <strong>Die</strong> Kuhwaldsiedlung<br />
verkörpert ein Idyll mitten in<br />
einer der Zonen, in denen die Mainmetropole<br />
derzeit am ehrgeizigsten in die<br />
Zukunft strebt.<br />
Vielleicht sei es gerade jener Zustand<br />
des Eingeschlossenseins, der das Viertel<br />
zu etwas Besonderem macht, überlegt<br />
Anneliese Scheurich. <strong>Die</strong> 50-Jährige<br />
weiß, wovon sie redet. Mehr <strong>als</strong> ein Vierteljahrhundert<br />
lebt sie mit ihrem Mann<br />
in der Siedlung. Fünf Kinder haben sie<br />
hier gemeinsam großgezogen. Seit Jahren<br />
engagieren sich beide in der Stadtpolitik.<br />
Er ist im Ortsbeirat aktiv, sie <strong>als</strong><br />
Stadtverordnete tätig.<br />
Ein gallisches Dorf<br />
Das hier sei schon irgendwie ein „Gallisches<br />
Dorf”, sagt Scheurich mit einem<br />
Lächeln. <strong>Die</strong> Kessellage des Quartiers,<br />
das Widerständige der Bewohner. In<br />
der Tat sind die Kuhwälder kämpferisch.<br />
Wenn es um das Wohl der Siedlungsoase<br />
geht, werden die Bandagen<br />
des Protests schon einmal härter angezogen.<br />
Zum Beispiel dam<strong>als</strong>, <strong>als</strong> es<br />
darum ging, einen zusätzlichen Briefkasten<br />
zu erstreiten. Da haben sie einfach<br />
die vorhandenen Postkästen abmontiert.<br />
Bei der Erinnerung an die<br />
couragierte Aktion lächelt die Stadtverordnete<br />
ein weiteres Mal. Dam<strong>als</strong> funktionierte<br />
das noch. Der neue Briefkasten<br />
kam, die siegreichen Kuhwälder<br />
freuten sich.<br />
Inzwischen haben sich die Dinge verändert.<br />
<strong>Die</strong> Postfiliale zog weg, auch die<br />
56 SZ 1/<strong>2010</strong><br />
FRANKFURTS STADTTEILE<br />
Kuhwaldsiedlung – das Dorf hinter der Messe<br />
Blick auf die Kuhwaldsiedlung<br />
Sparkasse hat die Segel gestrichen. Vor<br />
drei Jahren verließ der Rewe-Markt das<br />
Ladenlokal am Dorfplatz. <strong>Die</strong> dürftige<br />
Nahversorgung werde am häufigsten<br />
beklagt, wenn die Kuhwälder über „ihre<br />
Siedlung” sprechen, berichtet Horst<br />
Peter Pohl. Als Pfarrer der evangelischen<br />
Dreifaltigkeitsgemeinde kennt<br />
Pohl die Befindlichkeit der Hiesigen.<br />
Auch die der Älteren, von denen viele<br />
im Kuhwald leben. Pohl weiß, die Tatsache,<br />
dass die Kuhwälder <strong>Senioren</strong> ihrem<br />
Viertel trotzdem treu bleiben, liegt<br />
auch in dessen Historie begründet. „<strong>Die</strong><br />
Leute sind hier zusammen alt geworden”,<br />
sagt er.<br />
Aus der ganzen Republik zog die nahe<br />
gelegene Zentrale der Deutschen Bahn<br />
zu Beginn der 1950er Jahre junge Familien<br />
in die Siedlung. Unter den Älteren<br />
kennt daher heute noch Jeder Jeden.<br />
Fluktuation durch Wegzug gibt es<br />
keine. „Dazu mögen die Leute hier das<br />
viele Grün und das Familiäre zu sehr”,<br />
so der Pfarrer.<br />
Gemeinsam alt geworden<br />
Trotzdem gibt es Situationen, in denen<br />
Ausnahmen nötig werden. Denn<br />
aus den jungen Leuten, die im Nachkriegsjahrzehnt<br />
herzogen, sind inzwischen<br />
sehr betagte <strong>Senioren</strong> geworden.<br />
Wenn die zwischen 80 und 90 Jahre<br />
alten Bewohner nicht mehr alleine<br />
Turm und Kirche der eva<br />
wohnen können oder stationäre Pflege<br />
brauchen, müssen trotz Verwurzelung<br />
in der Siedlungsheimat die Kisten gepackt<br />
werden. Denn in dem Dorf hinter<br />
der Messe gibt es weder eine Anlage mit<br />
Betreutem Wohnen noch ist dort ein<br />
Pflegeheim vorhanden. Keine schöne<br />
Perspektive, doch es ist Erleichterung<br />
in Sicht. Auf dem Areal des jungen Nachbarstadtteils,<br />
dem Neubaugebiet am Rebstockpark,<br />
hat die Baugesellschaft Ried<br />
GmbH & Co KG mit dem Bau einer Einheit<br />
aus Betreutem Wohnen und Pflegeeinrichtung<br />
begonnen. „Wenn die<br />
Mietpreise erschwinglich sind,” sagt<br />
Anneliese Scheurich, „ist das eine gute<br />
Alternative für die Älteren.” <strong>Die</strong> müssen<br />
dann ihren Wohnsitz nicht mehr<br />
nach Bockenheim oder noch weiter<br />
weg, sondern nur noch ein paar Straßen<br />
weiter verlagern. „Das ist ein bisschen<br />
leichter”, glaubt Scheurich.<br />
Dass sich auch sonst der Mangel an<br />
Infrastruktur ein wenig entschärft hat,<br />
hat mit dem Kampfgeist der überzeugten<br />
Kuhwälderin zu tun. Ein Jahr lang<br />
stritt die Stadtverordnete darum, dass<br />
in das leerstehende Rewe-Laden-lokal<br />
ein neues Lebensmittelgeschäft einzog.<br />
Mit Erfolg. Vor gut zwei Jahren feierte<br />
eine kleine Nahkauf-Filiale Eröffnung,<br />
die die Bewohner mit Lebensmitteln<br />
und anderen Artikeln des täglichen<br />
Bedarfs versorgt. Ansonsten verhält es<br />
sich mit dem, was im Jargon der