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vorliegen. 92<<strong>br</strong> />
Die international gültige Definition des Menschenhandels hält ebenfalls fest, dass die Einwilligung eines<<strong>br</strong> />
Opfers von Menschenhandel in die Prostitution unerheblich ist, wenn eines der in der Definition<<strong>br</strong> />
genannten Druckmittel wie Gewalt oder Täuschung angewendet wurden. Zentral ist also, dass die betroffenen<<strong>br</strong> />
Personen ü<strong>ber</strong> ihre Rechte informiert sind, Handlungsoptionen haben und deshalb ein ausbeuterisches<<strong>br</strong> />
Arbeitsverhältnis wieder aufgeben können.<<strong>br</strong> />
3.3 Bewertung der Prostitution und Rolle des Staates<<strong>br</strong> />
In der Diskussion lassen sich vier mögliche Bewertungen der Prostitution unterscheiden: 93<<strong>br</strong> />
1. Prostitution als Verletzung der Menschenwürde: Der Gesetzge<strong>ber</strong> geht davon aus, dass<<strong>br</strong> />
Prostitution per se menschenverachtend beziehungsweise frauenverachtend ist. Infolgedessen<<strong>br</strong> />
wird sie von ihm bekämpft.<<strong>br</strong> />
2. Prostitution als Verstoss gegen die Moral bzw. gegen die guten Sitten: Bei diesem Ansatz<<strong>br</strong> />
unterlässt es der Gesetzge<strong>ber</strong>, die Prostituierten oder deren Kunden zu bestrafen. Er verhindert<<strong>br</strong> />
a<strong>ber</strong> gleichzeitig, dass Rechte in Zusammenhang mit der Prostitution eingeklagt werden<<strong>br</strong> />
können.<<strong>br</strong> />
3. Prostitution als autonome Entscheidung zu einer riskanten Tätigkeit: Dieses Bewertungsmodell<<strong>br</strong> />
anerkennt, dass die Prostitution oft mit physischen und psychischen Gefahren verbunden<<strong>br</strong> />
ist, zum Beispiel wegen schlechter Arbeitsverhältnisse. Der Gesetzge<strong>ber</strong> sieht es<<strong>br</strong> />
jedoch nicht als seine Aufgabe an, moralische Verhaltensstandards durchzusetzen und die<<strong>br</strong> />
Einzelperson vor den Folgen ihres Verhaltens zu schützen.<<strong>br</strong> />
4. Prostitution als Beruf wie jeder andere: Bei diesem Bewertungsansatz wird die Prostitution<<strong>br</strong> />
jeder anderen Beschäftigung sowohl rechtlich als auch praktisch gleichgestellt.<<strong>br</strong> />
Je nach Bewertungsansatz können vier Haltungen des Staates unterschieden werden, die in der Praxis<<strong>br</strong> />
fliessend ineinander ü<strong>ber</strong>gehen können: 94<<strong>br</strong> />
1. Prohibition (Verbot der Prostitution): Alle und Alles in Zusammenhang mit Prostitution ist laut<<strong>br</strong> />
Gesetz strafbar. In der Praxis werden Menschenhändler und/oder Freier jedoch oft nicht verfolgt;<<strong>br</strong> />
das Gesetz wird primär auf die Prostituierten angewandt.<<strong>br</strong> />
2. Abolition (Abschaffung der Prostitution): Langfristig wird das Ziel angestrebt, die Prostitution<<strong>br</strong> />
abzuschaffen: Bei dieser Strategie stehen Drittpersonen im Fokus, also Zuhälter, Betrei<strong>ber</strong> von<<strong>br</strong> />
Etablissements, Menschenhändler und der Staat. Mittel- und kurzfristig gelten Prostituierte als<<strong>br</strong> />
Opfer, weshalb sie nicht bestraft werden.<<strong>br</strong> />
3. Regulation (Regulierung der Prostitution): Prostitution wird als eine Tatsache betrachtet, der<<strong>br</strong> />
mit Regelungen in verschiedenen Bereichen begegnet wird (z. B. Bewilligungspflicht für Bordelle).<<strong>br</strong> />
4. Entkriminalisierung (Anerkennung als legitime Tätigkeit): Sowohl die Prostitution als auch deren<<strong>br</strong> />
Ausbeutung durch Drittpersonen sind straflos. Es wird von einem real existierenden Markt<<strong>br</strong> />
92<<strong>br</strong> />
Das Verneinen der Entscheidungsfreiheit in diesen Punkten bedeutet allerdings noch keineswegs, dass Menschenhandel vorliegt (z. B. Drogen<strong>prost</strong>itution).<<strong>br</strong> />
93<<strong>br</strong> />
BMFSFJ, S. 5 mit Verweis auf Renzikowski; Campagna, S. 309 ff.<<strong>br</strong> />
94<<strong>br</strong> />
UN Coomaraswamy p. 26; Müller, S. 11 ff. mit Verweis auf eine Studie des EU-Parlaments aus dem Jahr 2005.<<strong>br</strong> />
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