ber-br-prost-mh-d
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möchte etwa eine Prostituierte als Mutter, Frau oder Freundin haben? Was bedeutet es für die Gesellschaft,<<strong>br</strong> />
wenn ein Teil der Menschen ausgegrenzt wird? Anhand solcher Beispiele wird besonders deutlich,<<strong>br</strong> />
dass hier ungelöste Widersprüche zu Tage treten.<<strong>br</strong> />
4.10.2 Bestrafung der Freier von Zwangs<strong>prost</strong>ituierten<<strong>br</strong> />
Zwar gibt es in der Schweiz keine spezifischen gesetzlichen Bestimmungen zur Bestrafung eines Freiers,<<strong>br</strong> />
welcher die sexuellen Dienste einer Zwangs<strong>prost</strong>ituierten ausnutzt. Weiss ein Freier jedoch um die<<strong>br</strong> />
Zwangs<strong>prost</strong>itution oder hält er eine solche mindestens für möglich und nimmt sie in Kauf, so macht<<strong>br</strong> />
er sich gestützt auf Artikel 193 Absatz 1 StGB wegen Ausnützung einer Notlage strafbar. Diese Möglichkeit,<<strong>br</strong> />
die Freier von Zwangs<strong>prost</strong>ituierten zu bestrafen, existiert vor allem auch in denjenigen Fällen,<<strong>br</strong> />
wo keine spezielle Strafbestimmung greift, wie zum Beispiel für sexuelle Handlungen mit Kindern<<strong>br</strong> />
oder Anstaltspfleglingen.<<strong>br</strong> />
In Zusammenhang mit Zwangs<strong>prost</strong>ituierten müssten nach Ansicht einer Luzerner Studie nicht nur die<<strong>br</strong> />
Menschenhändler, sondern auch die Freier stärker in die Pflicht genommen werden. 155 Es gleiche einer<<strong>br</strong> />
„Symptombekämpfung“, wenn man lediglich die Menschenhändler sanktioniere und nicht auch die<<strong>br</strong> />
Freier, welche die Zwangs<strong>prost</strong>ituierte ebenso ausnützten und wegen denen es den Menschenhandel<<strong>br</strong> />
zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ü<strong>ber</strong>haupt gäbe. Die Anwendung der Strafrechtsbestimmung<<strong>br</strong> />
wegen Ausnützung der Notlage führe auch nicht dazu, dass plötzlich jeder Freier bestraft werde. Dieses<<strong>br</strong> />
Argument werde von denjenigen Kreisen vorge<strong>br</strong>acht, welche vermuteten, dass fast jede sich <strong>prost</strong>ituierende<<strong>br</strong> />
Person bei ihrem Entscheid in einer Notlage gewesen sei. Die Zwangs<strong>prost</strong>itution unterscheide<<strong>br</strong> />
sich von diesen Personen a<strong>ber</strong> gerade dadurch, dass ü<strong>ber</strong>haupt keine Freiwilligkeit oder Möglichkeit<<strong>br</strong> />
der Selbstbestimmung gegeben sei. So könne etwa eine Zwangs<strong>prost</strong>ituierte im Gegensatz zu<<strong>br</strong> />
einer freiwilligen Prostituierten meistens weder ü<strong>ber</strong> ihre Einkünfte frei verfügen noch bestimmte sexuelle<<strong>br</strong> />
Handlungen verweigern.<<strong>br</strong> />
Generellen Zweifeln, ob der Vorsatz des Täters ü<strong>ber</strong>haupt nachgewiesen werden kann, entgegnet die<<strong>br</strong> />
Studie, dass sich das Problem der Nachweisbarkeit auch in vielen anderen Straffällen stelle, zum Beispiel<<strong>br</strong> />
bei Vergewaltigung in der Ehe. Deutliche Indizien für das Vorliegen einer Zwangs<strong>prost</strong>itution<<strong>br</strong> />
seien zum Beispiel das „Rund-um-die-Uhr-zur-Verfügung-Stehen“, wenig Sprachkenntnisse, keine<<strong>br</strong> />
Ausweispapiere, kein Geld haben, Drogeneinfluss, sichtbare Spuren erlittener Gewalt, verriegelte<<strong>br</strong> />
Fenster, Ängstlichkeit, Wortkargheit. 156 Diese Indizien könnten dem Einwand eines Freiers, von der<<strong>br</strong> />
Zwangs<strong>prost</strong>itution nichts gewusst zu haben, entgegengehalten werden.<<strong>br</strong> />
Zur Frage, ob die Bestrafung der Freier von Zwangs<strong>prost</strong>ituierten diese nicht gerade abschrecke, Anzeige<<strong>br</strong> />
wegen Menschenhandels zu erstatten, hält die Studie fest, dass die heute praktizierte Straflosigkeit<<strong>br</strong> />
aller Freier auch nicht zu einer Abnahme der Zwangs<strong>prost</strong>itution geführt habe, obwohl die Freier<<strong>br</strong> />
nichts zu befürchten hätten, wenn sie aufgrund eines Verdachts Anzeige erstatten würden. Die Einführung<<strong>br</strong> />
einer Kronzeugenregelung zur Erhöhung der Kooperations<strong>ber</strong>eitschaft der Freier könne durchaus<<strong>br</strong> />
diskutiert werden, ebenso wie die Bestrafung der Freier von Zwangs<strong>prost</strong>ituierten im Falle von Fahrlässigkeit,<<strong>br</strong> />
das heisst in Fällen, in welchen der Freier hätte wissen können und müssen, dass er es mit<<strong>br</strong> />
einer Zwangs<strong>prost</strong>ituierten zu tun hat.<<strong>br</strong> />
Letztlich hänge es jedoch davon ab, dass das Strafrecht ü<strong>ber</strong>haupt in der Praxis angewendet und<<strong>br</strong> />
durchgesetzt werde, führt die Studie aus. Denn nur die tatsächlich praktizierte Bestrafung von Freiern<<strong>br</strong> />
in der Zwangs<strong>prost</strong>itution habe eine Signal- und Abschreckungswirkung. Aus diesem Grund würde<<strong>br</strong> />
155<<strong>br</strong> />
Demko. In der Terminologie der Autorin geht es bei « Zwangs<strong>prost</strong>itution » um Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen<<strong>br</strong> />
Ausbeutung.<<strong>br</strong> />
156<<strong>br</strong> />
Siehe dazu auch die KSMM-Checkliste zur Identifizierung von Opfern des Menschenhandels (Anhang 5) oder die Angaben auf anderen<<strong>br</strong> />
einschlägigen Internetseiten.<<strong>br</strong> />
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