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6.3.2 Frankreich 234<<strong>br</strong> />
6.3.2.1 Prostitution<<strong>br</strong> />
Ausgangslage<<strong>br</strong> />
In Frankreich wird Prostitution mit einer zweiteiligen Strategie bestehend aus Strafverfolgung und Sozialpolitik<<strong>br</strong> />
begegnet: Einerseits ist die Polizei zuständig für die strafrechtliche Verfolgung der Organisation<<strong>br</strong> />
und Ausbeutung der Prostitution (also z. B. der Zuhälterei) sowie für die Beseitigung der Störung<<strong>br</strong> />
der öffentlichen Ordnung durch Prostitution (z. B. Kundenanwerbung im öffentlichen Raum).<<strong>br</strong> />
Andererseits ist die Sozialarbeit verantwortlich für die Prävention sowie für die Rehabilitierung und<<strong>br</strong> />
Resozialisierung der Opfer der Prostitution. In Frankreich sind Nichtregierungsorganisationen mit diesen<<strong>br</strong> />
Aufgaben betraut. 235<<strong>br</strong> />
Prostitution im politischen Diskurs<<strong>br</strong> />
Mit dem Auftreten von Aids bzw. HIV in den 1990er-Jahren wurden Stimmen laut, welche Prostitution<<strong>br</strong> />
primär als gesundheitliches Risiko und als soziales Problem betrachteten und deshalb eine verschärfte<<strong>br</strong> />
Reglementierung der Prostitution und eine gesundheitliche Kontrolle der Prostituierten forderten.<<strong>br</strong> />
Als Reaktion auf einen drohenden «Rückfall» in den Reglementarismus vergangener Zeiten entstand<<strong>br</strong> />
die Gegenbewegung der «travailleurs du sexe», welche die Anerkennung der Prostitution sowie<<strong>br</strong> />
der Rolle der Prostituierten in der Prävention einforderte.<<strong>br</strong> />
Ein Teil der feministischen Bewegung Frankreichs verneint jedoch die Möglichkeit einer Unterscheidung<<strong>br</strong> />
zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Prostitution, da Prostitution in jedem Fall als Form patriarchalischer,<<strong>br</strong> />
sexistischer Gewalt gegenü<strong>ber</strong> Frauen zu ächten sei. Durch die politische Mobilisierung<<strong>br</strong> />
der feministischen Bewegung ab 1995 im Zusammenhang mit der Abtreibungsdebatte konnte dieser<<strong>br</strong> />
«neue» Abolitionismus seine Basis auf weitere Teile des Meinungsspektrums ausweiten. Dies hatte<<strong>br</strong> />
eine <strong>br</strong>eite Rezeption der Anliegen in der Öffentlichkeit zur Folge und führte dazu, dass im Diskurs<<strong>br</strong> />
die abolitionistische Politik als logisch unausweichlich, neutral und ideologiefrei dargestellt wurde. 236<<strong>br</strong> />
Während den letzten Jahren hat sich in Frankreich im politischen Diskurs eine Definition der Prostitution<<strong>br</strong> />
durchgesetzt, nach der diese eine Form der Gewalt gegen die menschliche Würde darstellt, und<<strong>br</strong> />
die Unterscheidung zwischen freiwilliger Prostitution und Zwangs<strong>prost</strong>itution ablehnt. Aus dieser<<strong>br</strong> />
Sichtweise sind die Prostituierten Opfer, denen geholfen werden muss, und die in die Gesellschaft<<strong>br</strong> />
reintegriert werden müssen.<<strong>br</strong> />
Prostitution als Problem der öffentlichen Ordnung und Sicherheit<<strong>br</strong> />
Ende der 1990er-Jahre stieg in Frankreich die Anzahl ausländischer Prostituierter (insbesondere aus<<strong>br</strong> />
Osteuropa) markant an. Durch die Ausdehnung auf neue Gebiete in Stadtzentren und Wohngegenden<<strong>br</strong> />
sowie die zeitlich längere Präsenz der Prostituierten auf der Strasse wurde die Prostitution sichtbarer<<strong>br</strong> />
und die damit verbundenen Belästigungen der Wohnbevölkerung und Passanten stieg stark an. Die<<strong>br</strong> />
Gemeinden und Städte verstärkten daraufhin die Repression der Prostitution. Die 2002 neu gewählte<<strong>br</strong> />
Regierung präsentierte mit dem Gesetz ü<strong>ber</strong> die innere Sicherheit eine Vorlage, welche die Kundenanwerbung<<strong>br</strong> />
durch Prostituierte mit hohen Geldstrafen oder Gefängnis sanktioniert. Zudem verlieren we-<<strong>br</strong> />
234<<strong>br</strong> />
Quellen, wo nicht anders vermerkt: Mathieu, S. 4-21; Allwood, Gill, The Construction of Prostitutes and Clients in French Policy Debates,<<strong>br</strong> />
in: Munro/della Giusta.<<strong>br</strong> />
235<<strong>br</strong> />
Die Verordnung von 1960 zur Ratifikation der UNO-Konvention (« Convention pour la répression de la traite des êtres humains et de<<strong>br</strong> />
l'exploitation de la <strong>prost</strong>itution d'autrui ») von 1949 sah die Bildung von Institutionen zur Prävention und Wiedereingliederung vor. Diese<<strong>br</strong> />
Institutionen wurden jedoch nicht wie vorgesehen geschaffen, wodurch sich spezialisierte Organisationen der Opferbetreuung im Prostitutions<strong>ber</strong>eich<<strong>br</strong> />
herausbildeten (Mathieu).<<strong>br</strong> />
236<<strong>br</strong> />
Dazu beigetragen haben insbesondere die Aktivitäten einiger Vertreterinnen dieser feministischen Position in Gewerkschaften und Parteien,<<strong>br</strong> />
welche bisher nicht zu den klassischen Vertretern des Abolitionismus gehörten (Mathieu).<<strong>br</strong> />
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