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Zeitschrift SENIOREN - Senioren Zeitschrift Frankfurt

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Aktuelles und Berichte<br />

Durch die Kunst zurück ins Leben<br />

Die eigene schöpferische Kraft zu spüren, bringt Energie.<br />

Mützen und Kopftücher sind Trumpf in der kleinen<br />

Gruppe. Skizzenblöcke in der Hand, verbreiten die<br />

Teilnehmer einen Anflug von Bohème, als sich ihre<br />

Blicke nach kurzer Prüfung einzelnen Buddhabüsten zuwenden.<br />

Keine Kunststudenten sind da im Halblicht zugange. Auch<br />

Verzückte auf der Suche nach Erleuchtung sehen anders aus.<br />

Was diese Frauen und Männer eint, ist die Kunst. Aber nicht<br />

nur. Sie alle sind oder waren auch an Krebs erkrankt, und<br />

das hat sie ins Untergeschoss des Skulpturenmuseums<br />

Liebieghaus an der <strong>Frankfurt</strong>er Museumsmeile geführt. Gemeinsam<br />

nehmen sie am Projekt „Kunst zum Leben – Kreativ<br />

ist positiv“ teil, einem Angebot der Stiftung „Leben mit<br />

Krebs“. Die kooperiert mit dem Städel, wo an diesem Tag noch<br />

renoviert wird – daher das Ausweichen ins Liebieghaus. Vier<br />

Kurse jährlich, jeder umfasst sechs Termine, wollen die<br />

Patienten vom zermürbenden Teufelskreis negativer Gedanken<br />

ablenken, den Lebensmut und damit ihre Gesundheit<br />

stärken. Wie genau das Seelische aufs Körperliche rückwirkt,<br />

ist schwer zu sagen. Dass die Sache funktioniert und Behandlungen<br />

besser vertragen werden, die Krankheitsverläufe<br />

günstiger ablaufen, ist medizinisch nachgewiesen. <strong>Senioren</strong><br />

sind überproportional vertreten; der Krebs beutelt sie<br />

mehr als andere.<br />

Guck an, du kannst es<br />

Klaus mit seinen 66 Jahren ist heute der Senior („Einer muss<br />

es ja sein“). Mit Kunst hatte der gelernte Betriebswirt („Ich<br />

war im Controlling“) sein Lebtag wenig zu schaffen, er zeichne<br />

mehr aus dem Handgelenk. „Na gut, man kann auch kunstvoll<br />

Bilanzen fälschen“, amüsiert er sich. Am Anfang des Termins<br />

sammelt sich die Gruppe wie immer mit Leiterin Daniela<br />

Streng im Atelier, bereitet sich dort vor und lässt sich dann<br />

im Saal über die kunstgeschichtliche Seite der Vorbilder belehren.<br />

Dort und im Atelier wird gezeichnet, manche machen<br />

sich ein Foto als Hilfsmittel. 2008, als das Programm anlief,<br />

war der Theorieteil ausgeprägter, sagt Dr. Chantal Eschenfelder,<br />

30 SZ 4 / 2011<br />

die Projektleiterin für das Städel. Die Patienten drängten bald<br />

auf mehr Praxis, wenn auch nicht alle. Brigitte, 59 Jahr alt<br />

und zum fünften Mal dabei, schätzt die Erklärungen sogar<br />

besonders – „die halbe Stunde, in der der Blick geschärft wird“.<br />

Klaus, seit anderthalb Jahren dabei, ist heute mit seiner<br />

etwas jüngeren Frau Hildegard gekommen. Was er am meisten<br />

mag? „Man wird ruhig, vertieft sich ins Zeichnen, macht<br />

das Beste daraus und lässt hinter sich, was man so im Kopf<br />

hat.“ Schön, wenn die Zeichnung gut wird: „Guck an, du kannst<br />

es ja.“ Seine Frau, früher Modedesignerin und sehr kunstinteressiert,<br />

stimmt zu und wünscht sich, sie hätte so eine Möglichkeit<br />

schon bei der ersten ihrer drei Krebsphasen gekannt:<br />

„Damals war man ganz auf sich allein gestellt.“<br />

Den schöpferischen Quell anzapfen<br />

Dass auch Sport und andere Formen bei der Bewältigung<br />

der Krankheit und ihrer Folgen hilfreich sind, weiß die<br />

Stiftung „Leben mit Krebs“, die das Programm finanziert (für<br />

die Teilnehmer ist der Kurs gratis), so gut wie Dr. Eschenfelder.<br />

„Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg“, sagt sie, „wir sagen<br />

nicht, dass es nur diese Möglichkeit gibt. Aber die, die kommen,<br />

sind offen eingestellt und profitieren dann auch von<br />

dem Kurs. Darum wäre es gut, wenn mehr Menschen erfahren,<br />

dass es die Kurse gibt und dass sie guttun.“ Wie sie sich<br />

die gute Wirkung erkläre? Eschenfelder wiegt den Kopf.<br />

„Konzentrierte kreative Arbeit hat etwas Meditatives und<br />

Beruhigendes.“ Darum seien die Kurse kunstpädagogisch,<br />

nicht therapeutisch angelegt. Das Ziel sei, in die Welt der<br />

Kunst und ihrer Themen einzutauchen, um Freiräume zu<br />

schaffen, worin nicht alles um den Krebs kreist. Das sei wohltuend.<br />

Viele Patienten begegneten so erstmals seit vielen Jahren<br />

ihrer verschütteten schöpferischen Kraft – „eine energiestiftende<br />

Bereicherung!“<br />

Mit Kunst von zermürbenden Gedanken ablenken: Im Liebieghaus<br />

gelingt das. Fotos (2): Oeser

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