Zeitschrift SENIOREN - Senioren Zeitschrift Frankfurt
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50 SZ 4 / 2011<br />
Für Sie gelesen<br />
Leben oder gelebt werden<br />
Übergroße Väter drücken ihre Kinder nieder –<br />
man denke nur an August von Goethe. Walter<br />
Kohl, Sohn des Exkanzlers, untertitelt sein Buch<br />
„Leben oder gelebt werden“, diese Mischung aus<br />
Autobiografie, Psychohistorie, Anklage und<br />
Mutmach-Seminar, „Schritte auf dem Weg zur<br />
Versöhnung“. Letztere musste er sich wohl hart erkämpfen.<br />
Viele giftige Attacken Dritter meinten den Vater, trafen aber<br />
den „Sohn vom Kohl“; so wurde sein Leben schuldlos deformiert.<br />
Zeitweilige Befreiung brachte nur Amerika. Das Buch<br />
wirkt ehrlich und sympathisch, nur fehlt leider die Gegenrede,<br />
was es dem Leser erschwert, seine Lage kritisch zu beurteilen.<br />
Spielt er die Beziehung zur Mutter nicht zu sehr<br />
gegen die elterliche aus? Schreibt er gewisse Vorteile, welche<br />
dieser Vater wohl doch mit sich brachte (die Studienzulassung<br />
zur US-Elite-Uni könnte so ein Fall sein), nicht zu selbstverständlich<br />
ureigenen Verdiensten zu? Schwer zu sagen. Der<br />
Leser steckt eben nicht in seiner Haut.<br />
Walter Kohl: Leben oder gelebt werden. Schritte auf dem Weg<br />
zur Versöhnung. Integral. Geb., 273 S., 18,99 Euro.<br />
Morgengebet<br />
Thor Vilhjálmsson, der im März mit 85 Jahren verstarb,<br />
verlegt seinen Roman „Morgengebet“ in die<br />
Sturlungenzeit Islands im 13. Jahrhundert, als<br />
dessen Kultur blühte und seine Machtbalance zerbrach.<br />
Die Insel fiel dem norwegischen König zu,<br />
was der Roman wie durch einen Schleier zeigt. Protagonist<br />
der hingetupften Kurzkapitel ist Sturla Sturluson, der die<br />
Insel einen wollte und darüber umkam. Vilhjálmsson breitet<br />
die Erlebnisse dieser einsamen, ja insularen Figur impressionistisch<br />
aus. Umso farbiger fällt Sturlas Reise durch Frankreich<br />
und zum Papst nach Rom aus, dem er seine Gewalttaten<br />
bekennen will – am Ende „beichtet“ er einer Komödiantentruppe.<br />
Ein wenig liest sich das, als hätte T.S. Eliot Umberto<br />
Ecos „Name der Rose“ geschrieben; Vilhjálmsson hat beide<br />
übersetzt. Der Roman bringt Vergangenheit und Gegenwart<br />
surreal in die Schwebe und konfrontiert uns mit Mönchen, Tempelrittern,<br />
Saga-Schreibern. Schön – und recht anspruchsvoll.<br />
Thor Vilhjálmsson: Morgengebet. Roman. Aus dem Isländischen<br />
übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Gert<br />
Kreutzer. Osburg-Verlag. Geb., 335 S., 19,95 Euro.<br />
Die fernen Stunden<br />
Kate Morton ist Australierin, ihr Roman „Die<br />
fernen Stunden“ aber spielt in Kent und London<br />
und ist so englisch wie Plumpudding. Auf Schloss<br />
Milderhurst lebte der Schriftsteller Raymond<br />
Blythe, dessen exzentrische Töchter aus zwei<br />
Ehen, die Zwillinge Persephone und Seraphina<br />
sowie Juniper, nach seinem Tod im Jahr 1941 nie von Milderhurst<br />
loskamen und das alte Gemäuer 1992, als alte Jungfern,<br />
immer noch erhalten. Edith Burchill, die Ich-Erzählerin, kommt<br />
durch einen uralten Brief Junipers ins Spiel. Als Edith zufäl-<br />
lig nach Milderhurst gerät, weil sie ein Vorwort zur Neuausgabe<br />
des berühmten Buches von Raymond Blythe, „Die wahre<br />
Geschichte vom Modermann“, schreiben soll, nähert sie sich<br />
dem tragischen Familiengeheimnis der Blythes. Ein Liebesund<br />
Schauerroman, dessen Stimmung an den Filmklassiker<br />
„Hush ... hush, Sweet Charlotte“ mit Bette Davis erinnert.<br />
Kate Morton: Die fernen Stunden. Roman. Aus dem Englischen<br />
von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann. Diana-<br />
Verlag. Geb., 719 S., 21,99 Euro.<br />
Wofü r stehst Du?<br />
Wenn bekannte Publizisten wie Axel Hacke und<br />
Giovanni di Lorenzo über den Tellerrand von Ehe<br />
und Trennung, Erfolgen, Ängsten und Todesfällen<br />
schauen und in den „Werte!“-Chor einstimmen,<br />
also einer dem andern die Gretchen-Frage nach<br />
den Werten und dem sinnvollen Engagement für<br />
die Gemeinschaft stellt, könnte das klingen, als habe sie nach<br />
dem Zeitalter der Ideologien der metaphysische Katzenjammer<br />
im Griff. Dafür sind die Autoren von „Wofür stehst Du?“ aber<br />
viel zu kluge Köpfe. Ihre Inventur der großen Themenfelder<br />
Politik und Staat, Klimawandel und Gerechtigkeit und so fort<br />
zaubert keine simplen Antworten aus dem Hut, sondern wird<br />
zum Bekenntnis der Ambivalenz in unserer widersprüchlichen<br />
Welt. Früher hätte man sie dafür Moralisten genannt.<br />
Axel Hacke, Giovanni di Lorenzo: Wofür stehst Du? Was in<br />
unserem Leben wichtig ist – eine Suche. Kiepenheuer & Witsch.<br />
Geb., 235 S., 18,99 Euro.<br />
Das große Lexikon der Symbole<br />
Warum heißt der Adamsapfel, wie er heißt? Asche<br />
ist chemisch rein, aber was ist sie sonst noch?<br />
Was ist ein Basilisk, und wie wurde die Erdbeere<br />
zum Tugendvorbild? Was unterscheidet Mandala<br />
und Mandorla? Wieso hörnte Michelangelo seinen<br />
Moses, und womit füttert die Pelikanin laut Legende ihre<br />
Küken? So lauten einige Fragen in „Das große Lexikon der<br />
Symbole“ von Christoph Wetzel. Sein Buch ist hochinformativ<br />
und ein prächtiger Bildband. Sammelkapitel über Anatomie<br />
und Astrologie, die Elemente, Fabeltiere, Farben und Formen<br />
oder Musik, Tanz und Theater laden zum Schmökern ein.<br />
Einhorn, Sphinx und Uroboros grüßen ebenso wie Lilie und<br />
Lotos, Stonehenge und die Pyramiden.<br />
Christoph Wetzel: Das große Lexikon der Symbole. Jubiläumsausgabe.<br />
Primus-Verlag. Br., 319 S., Katalogformat, viele farb.<br />
Abb., 19,90 Euro.<br />
Alt und Jung: Gemeinsam sind wir stärker<br />
Herausgegeben von Alt-Bundespräsident Walter<br />
Scheel (92) und Tobias Thalhammer, der für die<br />
FDP im bayrischen Landtag sitzt (32), weist „Gemeinsam<br />
sind wir stärker“ sehr emotional über<br />
den Polit-Alltag hinaus. Schon das Titelbild –<br />
hier alte Knitterhaut, da junge Babypopo-Glätte – lenkt den<br />
Blick auf den Inhalt. Erzählt werden „zwölf erfreuliche Geschichten<br />
über Jung und Alt“, um das Dauergedöns von<br />
Rentenloch und Generationenzwist zu überwinden. Millionen<br />
Menschen gehen ja über Altersgrenzen hinweg respektvoll<br />
miteinander um und lernen voneinander. Beispiele wie die