Klinoskop 4/2010 - Klinikum Chemnitz
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Frau Dr. Niedner (r.) und Gertrud Reuchsel, ehemalige Mitarbeiterin in der Säuglingsklinik, im August 2008 im<br />
Speisesaal der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei der Verabschiedung von Pflegedienstleiterin Astrid<br />
Reuchsel. Foto: Kreißig<br />
Medizintechnik und unter Ausnutzung des<br />
„Politikums Säuglingssterblichkeit“ gelang<br />
es ihr, schrittweise die neonatologische Intensivpflege<br />
aufzubauen, obwohl häufig ein<br />
erheblicher Mangel an pflegerischen und<br />
ärztlichen Mitarbeitern zu beklagen war.<br />
Dauerbeatmung und<br />
Phototherapie<br />
So wurden ab 1972 die maschineller Dauerbeatmung<br />
sowie die Phototherapie zur<br />
Behandlung der Neugeborenengelbsucht<br />
eingeführt. Eine damals neue Behandlungsform<br />
von Atemstörungen der Frühgeborenen,<br />
die CPAP-Atemhilfe, wurde in der<br />
Säuglingsklinik etabliert. Hervorzuheben<br />
wäre auch, dass es Frau Dr. Niedner immer<br />
wieder gelang, junge Ärzte für ihr Fachgebiet<br />
zu begeistern, um ihnen eigenständige<br />
Aufgaben zu übertragen. Das betraf neben<br />
dem Fachgebiet der Neonatologie auch die<br />
Genetik, die Kardiologie und die Infektologie.<br />
Die Motivation für die täglichen Herausforderungen<br />
und der Zusammenhalt<br />
der Ärzte in der Säuglingsklinik wurden<br />
gefördert durch fachliche Weiterbildungen,<br />
durch jährliche gemeinsame Ausflüge und<br />
Einladungen zu ihrem Bungalow an der<br />
Talsperre Pöhl. Dies waren für alle Beteiligten<br />
schöne Erlebnisse und bleibende<br />
Erinnerungen.<br />
Eindrucksvolle Ergebnisse<br />
Die während ihrer Amtszeit erbrachten medizinischen<br />
Leistungen sind eindrucksvoll:<br />
1952 verstarben noch 40% aller in der<br />
Säuglingsklinik aufgenommenen Frühgeborenen,<br />
1959 noch 25%, 1982 lediglich<br />
4,8%. Die Überlebensrate von 80% bei<br />
Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht<br />
von 1000 bis 1500g entsprach 1982 dem<br />
damaligen internationalen Niveau.<br />
Die von Frau Dr. Niedner seit 1955 durchgeführte<br />
und dringend erforderliche ambulante<br />
Nachbetreuung für entwicklungsgestörte<br />
Frühgeborene und Neugeborene<br />
wurde leider ab 1971 nicht mehr gestattet,<br />
da eine Trennung von klinischer und ambulanter<br />
Versorgung vorgenommen wurde.<br />
Parallel zur Behandlung kranker Säuglinge<br />
entwickelte sich unter Leitung von Frau Dr.<br />
Niedner die Neugeborenenbetreuung durch<br />
Kinderärzte der Säuglingsklinik in der Frauenklinik.<br />
Dies betraf die Erstversorgung auf<br />
dem Geburtensaal, tägliche Visiten auf den<br />
Neugeborenenstationen der Frauenklinik<br />
und die BCG-Impfung aller Neugeborenen.<br />
Wegweisende Entwicklung<br />
zum Perinatalzentrum<br />
Seit 1969 wurden dann die Neugeborenen<br />
in der Frauenklinik durch einen Facharzt<br />
für Kinderheilkunde hauptamtlich betreut.<br />
Diese damals begonnene enge Zusammenarbeit<br />
mit der Frauenklinik war wegweisend<br />
für viele andere Kliniken und trug entscheidend<br />
dazu bei, dass sich die Frauen- und<br />
Säuglingsklinik in späteren Jahren zu einem<br />
führenden perinatologischen Zentrum in der<br />
DDR entwickeln konnte. Beim Zurückdrängen<br />
der Säuglingssterblichkeit in der Stadt<br />
und im Bezirk Karl-Marx-Stadt konnten so<br />
beste Ergebnisse dokumentiert werden.<br />
Einen hohen Stellenwert hatten bei der<br />
Chefärztin Dr. Niedner die Kinderkrankenschwestern<br />
ihrer Klinik. So wie damals sind<br />
sie auch heute noch die wichtigsten Mittler<br />
zwischen dem Säugling, dem Arzt und den<br />
Kindeseltern. Deshalb war es der Chefärztin<br />
gemeinsam mit der Oberschwester ein ganz<br />
besonderes Anliegen, dass die der Klinik<br />
anvertrauten Kinder durch exakt arbeitende<br />
Kinderkrankenschwestern gepflegt und betreut<br />
wurden.<br />
Durchsetzung rationeller<br />
Pflegemethoden<br />
Kontinuierlich und konsequent wurden<br />
rationelle Pflegemethoden erarbeitet und<br />
umgesetzt. Klar definierte Arbeitsrichtlinien<br />
sicherten eine hohe Pflegequalität. Die<br />
Aus- und Weiterbildung von Kinderkrankenschwestern<br />
war der Chefärztin ein weiteres<br />
wichtiges Anliegen. So erwarb sie sich unter<br />
anderem als Leiterin der Arbeitsgruppe Kinderkrankenpflege<br />
der Sektion Krankenpflege<br />
der DDR hohe Achtung und Anerkennung.<br />
Während der Amtszeit der Chefärztin Dr.<br />
Niedner wurden von dem kleinen Ärztekollektiv<br />
52 wissenschaftliche Arbeiten<br />
publiziert und unter ihrer Leitung die Frauen-<br />
und Säuglingsklinik in das zentrale<br />
epidemiologische Forschungsprojekt „Neonatologie“<br />
eingebunden. Von 1959 bis 1982<br />
erhielten in der Säuglingsklinik 134 Ärzte<br />
neonatologische Kenntnisse vermittelt, die<br />
diese zur Anerkennung als Facharzt für Kinderheilkunde<br />
benötigten.<br />
Frische und Gesundheit<br />
Als Frau Dr. Niedner im Frühjahr 1983 altersbedingt<br />
in den verdienten Ruhestand<br />
wechselte, hinterließ sie eine bestens<br />
strukturierte und organisierte Klinik, deren<br />
Patienten von hochmotivierten qualifizierten<br />
Ärzten und Kinderkrankenschwestern<br />
betreut wurden. Im Namen ihrer ehemaligen<br />
Mitarbeiter wünschen wir unserer „Chefin“<br />
weiterhin geistige Frische, stabile Gesundheit<br />
und viele schöne Stunden im Kreise<br />
ihrer Lieben.<br />
Dr. med. habil. Reinhold Tiller<br />
Astrid Reuchsel<br />
P e r s o n e n & Fa k t e n<br />
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