Koheletowir wissen, zur Zeit des 3. Jhdt. vC war es eine Zeit, in der in Jerusalem zunehmenddie Tempelpriester und die Jerusalemer Aristokratie mit den hellenistischenOberherrschern gemeinsame Sache gemacht haben; es war eine sehr korrupte Zeit(17) Ich sprach in meinem Herzen: Gott wird den Gerechten und den Ungerechten richten, dennes gibt eine Zeit dort für jedes Vorhaben und für jedes Werk.- dieser Gott, an den Koh glaubt, ist letztlich ein gerechter Gott; wenn es eine absoluteGerechtigkeit gibt, dann ist das Gott- und deshalb kann das, was er hier beobachtet und vorfindet nicht das Endgültige und dasLetzte sein; irgendwie wird Gott seine Gerechtigkeit zum Ausdruck bringeno NB: es geht hier um das Richten und nicht um ein Verurteilen, deshalb ist die EÜschlecht übersetzt, denn sie übersetzt verurteilen, was erst nach dem Richten seinkann (ebenso wie ein Freispruch eine mögliche Folge ist); auch geht es nicht umSchuldige und Unschuldige sondern um Gerechte und Ungerechte; es geht hier ja umdas Gottesgericht; das Gottesgericht ist allumfassend, da ist das gesamte menschlicheoLeben, jeder gestaltete עח kommt dort zur SpracheNB: ה אלהים suggeriert schon einen einzelnen und absoluten Gott (der Gott Israelsist der Gott), denn benutzte man einen Eigennamen suggerierte das, dass es andereGötter auch gibt; darüber hinaus war das schon eine Zeit, in der der Eigenname Gottesnicht mehr ausgesprochen wurde; es ist noch monolatristisch, weil er durch dieAlternative „ein Gott“ und seine Wahrnehmung der hellenistischen Glaubensweltwahrscheinlich noch nicht so weit ist zu sagen, die Hellenisten glaubten Blödsinn;dennoch, für ihn ist das der einzige Gott und der Gott schlechthin- Koh glaubt daran, weil er von der absoluten Gerechtigkeit Gottes überzeugt ist, und weil erdie Welt, das was die Menschen tun, weitgehend als nicht gerecht empfindet; demgegenüberist aber Gott absolut gerecht- und daher ist es nicht unerheblich, wie der Mensch seine Abfolge von עח gestaltetoo→ implizit muss Koh bereits daran glauben, dass es eine wie auch immer gearteteIdentität des Menschen über den Tod hinaus geben muss, denn sonst hat diesesgerechte Richten keinen Sinn; gäbe es nach dem Tod nichts mehr wäre es auchunerheblich wie das Gericht ausfälltwarum Koh von einem Gottesgericht überzeugt ist: das resultiert von seiner nichtganz falschen Annahme der absoluten Gerechtigkeit Gottes(18) Ich sprach in meinem Herzen: Der Menschenkinder wegen ist es so, dass Gott sie prüftund damit sie sehen, dass sie nichts anderes als Vieh sind.- hier beginnt eine ganz neue Reflexion, aber noch im Kontext seiner allgemeinenGesellschaftskritik- das merkt man an der Einleitung: „Ich sprach in meinem Herzen“, und damit beginnt einneues Schlüsseziehen- klar ist, er beobachtet etwas, das die Menschenkinder betrifft (= Menschheit allgemein) undfür diese gilt, zumindest im Glauben Israels אלהים) ,(ה dass der Gott sie aussondert, und dasversteht man erst, wenn man danach die Viehmetapher liesto aussondern heißt, der Mensch hat schöpfungsgemäß eine andere Stellung innerhalbder Welt der Lebewesen als die Tiereooman merkt an ihrem Verhalten aber nicht viel davon, sie sind einander Viehdh KOHELET stellt nüchtern fest, dass für das Tierreich typische Verhaltensweisen wieFutterneid, das Recht des Stärkeren, etc. eigentlich Verhaltensweisen sind, in denensich der Mensch vielfach nicht wesentlich unterscheidet(19) Denn das Geschick der Menschenkinder und das Geschick des Viehs - sie haben ja ein unddasselbe Geschick - ist dies: wie diese sterben, so stirbt jenes, und einen Odem haben sie alle.Und einen Vorzug des Menschen vor dem Vieh gibt es nicht, denn alles ist Nichtigkeit.- und er reflektiert jetzt noch einmal die Frage der Stellung des Menschen- 19 -
Kohelet- es gibt also schöpfungsgemäß ein Schicksal des Menschen und eines des Viehs, aber wiejedes Tier irgendwann physisch stirbt, so stirbt auch jeder menschliche Körper physischo damit ist man wieder bei der Frage nach der Kontingenz und der Endlichkeit desmenschlichen Lebens- es gilt für das Leben eines Tiers dasselbe wie für das eines Menschen, es ist derselbeLebensodem und genauso hauchen sie ihn wieder aus(20) Alles geht an einen Ort. Alles ist aus dem Staub geworden, und alles kehrt zum Staubzurück.- hier steht eigentlich „beide“, nicht „alle“- massiv Schöpfungstheologie; das ist jene Formel, an die in unseren Kirchen amAschermittwoch gedacht wird- damit ist dieser eine Gedankengang abgeschlossen(21) Wer kennt den Odem der Menschenkinder, ob er nach oben steigt, und den Odem desViehs, ob er nach unten zur Erde hinabfährt?- hier greift Koh den Gedanken von 3,18-20 nochmals auf, allerdings auf einer anderen Ebene- es ist ein und derselbe Lebensatem, und sie hauchen ihn aus (man stelle sich das bildlichvor), und jetzt fragt er auf einer theologischen Metaebene ob es einen Unterschied gibt,wohin sie ihn haucheno geht der Lebensatem der Tiere mit dem Körper in den Staub der Erde, währenddurch die Aussonderung des Menschen mit dem Lebensatem des Menschen mitunteretwas anderes der Fall sein könnte, nämlich „nach oben steigen“, und das meintnatürlich hin zu Gotto man beachte, mit welchem Partikel er diesen Gedanken einleitet: „wer weiß“; daskann man als rhetorische Frage auffassen, man kann es aber auch stärker auffassen,nämlich als leise Ahnung• VONACH bevorzugt die zweite Lesart• das ist übrigens kein Glaubenszweifel, denn ein wirklicher Glaube an einLeben nach dem Tod hat erst mit dem theologisch-philosophischenhellenistischen Impetus begonnen, zur Zeit KOHELETS war das, wie schonbemerkt, keinesfalls ausgeprägtetwa der Seelenbegriff kam erst durch den Hellenismus ins Judentumder Seelenbegriff und die Unterweltsvorstellungen des Hellenismus inKombination mit einer sozialen Krise vieler Menschen hat dietheologische Idee einer Frage über den Tod hinaus entstehen lassendas hat es auch in der Umwelt Israels nicht gegeben: in den ganzenmesopotamischen Götterpantheons waren nur die Götter unsterblichdiese Vorstellung ist tatsächlich im ganzen semitischen Denkraumerst später gekommenes ist genau das Gegenteil: zur Zeit KOHELETS ist das keinGlaubenszweifel sondern viel mehr eine Glaubenshoffnungaber wissen tut es niemand, was er mit „wer weiß“ klar zum Ausdruckbringtauch nach der Zeitenwende ist es noch nicht im ganzen Judentumetabliert, und es war eines der größten Probleme der Jesusbewegung,denn die ersten jüdischen Polemiken richten sich gegen derenAuferstehungsglaube ansonsten gibt es noch Stellen in Dan, Weish und Makk- die Hoffnung ist klar, wir müssen aber auch den Charakter der rhetorischen Frage ernstnehmen- 20 -
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