IMMOBILIENText Elfi OberhuberFotos Studiocanal Home Entertainment, RTL II, ATV/KainerstorferIMMOBILIEN IN FILM UND FERNSEHENWA(H)RE WOHN-GESCHICHTENWas VOX, RTL II und ATV über das Bauen, Wohnen und Makeln publikumswirksam bringen,erzählten amerikanische Kultfilme schon vor 65 Jahren. Was ist das Erfolgsrezept dahinter?New York 1949. Willy Loman (Dustin Hoffman mit RegisseurSchlöndorff und Autor Miller) klagt über die Wohnbedingungen.„Wieso kannst du nicht wenigstens mal einFenster aufmachen, verdammt noch mal!“schreit der 63-jährige Willy Loman seine FrauLinda im Nonstop-Sprachschwall an, währender aus dem Fenster ihres heruntergekommenen,eingezwängten Häuschens im NewYork der späten 1940er-Jahre blickt. „Wie sieuns hier eingepfercht haben, nichts als Fensterund Steine hier, Steine und Fenster!“Linda: „Wir hätten das Grundstück gegenüberkaufen sollen.“Willy: „Die ganze Straße steht voller Autos.Nicht mal einen Schluck frische Luft kriegstdu hier. Es wächst kein Gras mehr. Du kannstkeine Karotten ziehen in deinem Garten.Es sollte ein Gesetz geben gegen diese verdammtenWohnblöcke!“Es ist paradox, dass Willy Loman, Protagonistin Arthur Millers 1949 uraufgeführtemTheaterstück „Tod eines Handlungsreisenden“– verfilmt von Volker Schlöndorff1985 mit Dustin Hoffman in der Hauptrolleund heute als DVD von Arthaus/Studiocanal vertrieben – über jene Stadtspricht, die 2013 laut Studie der Top-Immobilienfirma Knight Frank vor London,Paris und Tokio die beliebteste Stadtfür Superreiche auf Wohnungssuche ist.Linda: „Ja, Menschen müssen ja irgendwowohnen.“Willy: „Nein, es gibt immer mehr Menschen,hier!“Linda: „Ich glaub nicht, dass es immer mehrMenschen gibt.“Willy: „Doch! Es werden immer mehr Menschen!Das ist es, was dieses Land ruiniert.Die Bevölkerung gerät außer Kontrolle. DieKonkurrenz macht einen wahnsinnig. Riechbloß den Gestank in diesem Wohnblock! Undda drüben haben sie noch einen hingestellt!“ARTHUR MILLER & MAKELN. Zwischenhoher Filmliteratur und trivialer Fernsehkulturkann es Gemeinsamkeiten geben!Sie machen sie zur Herzensangelegenheit18 FOKUS APRIL 2013
Die Hassliebe des Menschen zum Bauen und Wohnen ist für Film und TV zeitlos brisant.und zum Pflichttermin des Betrachters.Verblüffenderweise ist es nicht nur die verhasst-geliebteLandflucht, die der Kultfilmmit der Montag bis Freitag in 20 Folgenausgestrahlten und von bis zu 1,91 MillionenZuschauern pro Sendung verfolgtenDoku-Soap „Mieten, Kaufen, Wohnen“ aufdem TV-Sender VOX teilt, sondern dergesamte darin vorkommende Komplex vonLebensraumqualität und -suche, Identität,Verkäufer und dessen Beziehung zur Gesellschaft.Themen, die den heutigen Menschentangieren, weil sich jeder damit auseinandersetzenmuss. Jeder muss wohnenund verkaufen. Die Frage ist nur: Wie? Dasstetig wandelbare und zu erweiterndeBewusstsein darüber ist so drängend, dassdie bei ihrer Arbeit mit der Kamera begleitetenWohnungsvermittler zu den erfolgreichstenEigenproduktionen des Sendersgehören. Sie scheinen als selbstbewussteTypen das zu haben, wonach Willy Lomanstrebt, wenn er nach dem Wert und der Anerkennungdes Menschen hinter dem Verkäuferfragt, der er als Außenhandelsvertreterneben dem Stadtbewohner ist:„Das Problem ist, Linda, die Leute nehmenmich nicht ernst! Ich rede zu viel. Ich mache zuviele Witze. Ich bin klein. Ich bin eine komischeFigur. Sie machen sich lustig über mich. Ichkleide mich nicht vorteilhaft, vielleicht ...“Das Selbstbewusstsein der Serienmakler istinsofern vorhanden, als dass sie sich gemäßDeutschland 2013. Die Architekten EvaBrenner und John Kosmalla verhelfenverzweifelten Besitzern zu einem Bauwunder.der Provision, abgeleitet vom zu erwartendenMiet- oder Kaufpreis eines Kunden,präsentieren, wobei auch der durchschnittlicheQuadratmeterpreis und das Imageeiner Stadt eine Rolle spielen: Da wäre dersmarte Luxusmakler Alexander Posth, mitknappem Jäckchen und groß gewachsen, inengen Hosen stets ein wenig geckenhaftund doch geschmackvoll gekleidet, derseine zickigen Kunden mit charmanterSchlagfertigkeit durch die teuren WohnungenBerlins führt. Für Mietpreise um die600 Euro dagegen – in Berlin sind die Preisefür eine Großstadt ja bekanntlich günstig –ist die lebhafte Denise Freidhof zuständig,die mit einer positiven Lebenseinstellunggerne redet. Das soll angeblich die idealeVoraussetzung für ein Maklerdasein sein.Ähnlich offen, aber meinungsbetonter, gibtsich die im noch erschwinglichen Leipzigtätige Hanka Rackwitz, die hier eine Luxusimmobiliezu einem verhältnismäßig günstigerenPreis übergeben kann als etwa einevon gleichem Niveau in München. Indessentritt der arrivierte Karl-Heinz Dettner soauf, wie man sich einen waschechten Hamburgervorstellt: kompetent, großväterlichzuhörend, seriös.Diese Auswahl an Verkäufern ist das, wassie darstellt: authentisch. Anders als WillyLoman, der mit 63 Jahren entlassen wird.Sein Freund Charley sagt zu ihm:„In dieser Welt zählt nur, dass du verkaufenkannst. Und das Komische ist, dass du Verkäuferbist und nicht mal das weißt.Willy: „Ich habe immer versucht, es anders zusehen, verstehst du? Ich dachte immer, wennein Mensch Eindruck macht und beliebt ist ...Charley: Wieso willst du immer bei allen Leutenbeliebt sein? War Jean P. Morgan beliebtoder beeindruckend? Im Dampfbad sah er auswie ein Metzger, aber wenn er seine Taschenanhatte, da war er beliebt.“Die Authentizität macht jene Makler nochnicht beliebt. Sie verkaufen lediglich ihreProdukte gut. Selbst wenn die Ziele dermeisten lauten, „die Augen der Kundennach unterzeichnetem Vertragsabschlusszum Leuchten zu bringen“ oder „ihre Kundenso glücklich zu machen, dass sie wiederkommen und sie weiterempfehlen“, und oftnach getaner Arbeit eine bleibende Freundschaftzwischen Kunde und Makler entsteht.Für den Zuschauer sind nur jenewirklich beliebt, die zu „ihm“ passen. Allerdingskann es die Beliebtheit erhöhen,Österreich 2013. BausachverständigerGünther Nussbaum bekämpft auf ATV„Pfusch am Bau“.APRIL 2013FOKUS 19