WIRTSCHAFTSSTANDORT NIEDERÖSTERREICHText Michael T. LandschauFotos „FestspieleReichenau“, Carlos de MelloDIE EROTIK DER SOMMERFRISCHEFESTSPIELEREICHENAU 2013Seit mehr als 25 Jahren erweckt das Intendantenpaar Renate und Peter Loidolt das niederösterreichischeReichenau an der Rax in den Sommermonaten zum Leben. Den ansonsten verträumtenOrt beglücken die beiden mit einem erstklassigen Bühnenfest – getrieben von unbändiger Lust undLiebe zum Theater und Publikum. So erwartet uns ab 3. Juli bis 4. August wieder eine Fülle antheatralen sowie musikalischen Kostbarkeiten und Köstlichkeiten.Stefanie Dvorak mit MichaelDangl und André PohlSCHNITZLER UND NESTROY ALS FIX-GRÖSSEN. Was wäre Reichenau ohneSchnitzler oder Nestroy – Reichenau bietetheuer beide. Arthur Schnitzlers „Der einsameWeg“ unter der Regie von HermannBeil wird von Julia Stemberger, JosephLorenz, Rainer Frieb, Regina Fritsch undMiguel Herz-Kestranek beschritten. Genaugenommen sind es verschiedene Wege,doch alle führen sie ins Dunkel, gepflastertmit Lügen, Ängsten und Egoismus. Nichtbeklemmend düster, jedoch ebenfalls kompliziertverhält es sich bei Nestroys „EinenJux will er sich machen“. Allerdings überhöhteNestroy seine Posse mit Gesang biszur herrlich komischen Absurdität. UlrikeBeimbold, Toni Slama, Wolfgang Hübschund Nicolaus Hagg, der auch Regie führt,stellen sich dieser Herausforderung.KULTURELLE SOMMERFRISCHE MITQUALITÄTSGARANTIE. „Es ist dieseAuthentizität, welche den Festspielen Reichenauihren ganz besonderen Charme verleiht“,schwärmt Renate Loidolt. „Wir drängendem Ort mit unserer Stückauswahl undunseren Inszenierungen nichts Fremdesauf, sondern lassen Reichenau durch einegewollt kunsthistorische Anbindung förmlicherblühen.“ Dennoch sind die FestspieleReichenau kein verstaubtes, gestriges Festival– ganz im Gegenteil. Sehr geschickt undklug werden aktuelle Themen aufgegriffenund in höchster Qualität auf die Bühne gebracht.So verwundert es kaum, dass schon54 FOKUSAPRIL 2013
Es ist die Authentizität, welche den Festspielen Reichenau ihren ganz besonderen Charme verleiht.Ulrike Beimpold mit Nicolaus Hagg und Toni SlamaJulia Stemberger, MiguelHerz-Kestranek, ReginaFritsch, Joseph LorenzChris Pichler, Marcello de Nardo,Therese Affolter, Jürgen Maurer,Julius Hagg, Emese Fayvor dem offiziellen Verkaufsstart mehr als21.000 Eintrittskarten – wohlgemerkt zumVollpreis – verkauft wurden. Da lohnt essich, Mitglied des „Fördervereins der FestspieleReichenau“ zu sein.WER STÜTZT DIE GESELLSCHAFT?Noch vor Kurzem bewunderte Vorbilderder Gesellschaft, erfolgreich, geachtet undbeneidet, verliert die Familie des SchiffsreedersKarsten Bernick plötzlich ihren Glanzund vor allem ihre Glaubwürdigkeit. Verstricktin Intrigen und Skandale, beginntdie Fassade zu bröckeln, tiefe Risse kommenzum Vorschein. Henrik Ibsens Zeitstück„Die Stützen der Gesellschaft“ ausdem Jahre 1877 könnte dabei nicht aktuellerso manche politische oder wirtschaftlicheSchlagzeile kommentieren. Unteranderem spielen Marcello de Nardo alsFamilienoberhaupt, Chris Pichler als dessenGattin sowie Jürgen Maurer, ThereseAffolter und Martin Schwab.EMMA BOVARYS AUFSTIEG UND FALL.„Reichenau strahlt diese subtile Erotik derSommerfrische des 19. Jahrhunderts aus.Und das machen wir uns auch mit den großenFrauendramen, wie beispielsweise letztesJahr mit ,Anna Karenina‘ zunutze“,so Peter Loidolt. Heuer steht „MadameBovary“, mit der großartigen StefanieDworak in der Titelrolle, auf dem Programm.Nicolaus Hagg wagt sich damit wiederan eine Bühnenfassung eines großenRomans für die Festspiele Reichenau. GustaveFlauberts Sittendrama erzählt die Geschichteeiner Romantikerin, die den moralischenund gesellschaftlichen Zwängen derGesellschaft entfliehen möchte – schlussendlichaber scheitert und untergeht. Inweiteren Rollen beispielsweise MarianneNentwich, Wanda Worch, André Pohl,Michael Dangl und der wunderbare PeterMatic. Regie führt Michael Gampe.ZU DEN „LOIDOLTS“ KOMMT MANGERNE. „Das Geheimnis der Festspieleund das Schöne für das Publikum ist, dasswir immer bestrebt sind, Schauspielerinnenund Schauspieler zusammenzubringen,die vielleicht ansonsten nicht gemeinsamspielen könnten. Dabei suchen wirimmer nach den Besten und wir freuenuns, dass diese auch sehr gerne zu uns nachReichenau kommen“, schwärmt RenateLoidolt, nicht ganz frei von Stolz. Andersist es auch nicht zu erklären, dass selbstdie vermeintlichen Nebenrollen in Reichenauwirklich immer hochkarätig besetztsind – Stars vom Burgtheater über dasTheater in der Josefstadt bis hin zumVolkstheater verbringen ihre Sommerfrische,wenn auch arbeitenderweise, in Reichenau.Es geht auch kaum besser, wennman die Gästeliste der musikalischen Programmpunktebetrachtet: Angelika Kirchschlage,eine der international gefragtestenMezzosopranistinnen, der geniale Konzertpianistund Intendant von GrafeneggRudolf Buchbinder und der russische StarpianistOleg Maisenberg geben sich 2013ein Stelldichein.Weitere Informationen finden Sie unter:www.festspiele-reichenau.comZU DEN PERSONENRenate und Peter LoidoltDas Ehepaar begründete 1988 dieFestspiele Reichenau. Mithilfe des LandesNiederösterreich bauten sie das alteTheater in Reichenau an der Rax in einetechnisch funktionstüchtige Bühne um.Sie leiten die Festspiele in Eigenverantwortungund zeichnen für allekünstlerischen, organisatorischen undfinanziellen Belange verantwortlich.Peter Loidolt erstellt darüber hinaus auchdie Bühnenbilder für die Theaterinszenierungen,und Renate Loidolt ist dieGeschäftsführerin der FestspieleReichenau GmbH.APRIL 2013FOKUS 55