WIRTSCHAFT & FINANZENText Christian PrengerFotos Shutterstock. BeigestelltZUKUNFT DES WOHNENSVITAMIN-C-DUSCHEUmdenken bei Investitionen für Wohnraum: Die eigenen vier Wände sollen sich laut Zukunftsforschernstark verändern. Das Motto lautet: Maximale Flexibilität in allen Lebenslagen, das Heimwird an jede Situation angepasst.liche Form der Existenz unter einen Hutbringen – was möglicherweise gleichermaßenzusätzliche Finanzierungsmodellebringt. Oder Zusatzeinnahmequellen fürVermieter, Architekten oder Baufirmenmit stimmigen, umsetzbaren Konzepten.Die Studie des Zukunftsinstituts spanntjedenfalls mit fünf Trendfeldern einenBogen von heute bis zum Jahr 2050. DieEssenz scheint klar zu sein: VeränderteWerte sowie moderne Ansprüche generierenalternative Szenarien, geprägt vonEntwicklungen einer Welt zwischen Social<strong>Media</strong>, Nachhaltigkeit und ökosozialerVerantwortung. Eine Option lautet CollaborativeLiving und bezeichnet jene Perspektive,bei der Qualität nicht mehr überdie Größe und Ausstattung definiert wird,NEUE FLEXIBILITÄT. Die altbekannte„Drei Zimmer, Küche, Bad und nicht mehrausziehen“-Doktrin dürfte schon bald Immobiliennostalgiesein. Mit dem überallstattfindenden gesellschaftlichen Wandeländert sich auch das Wohnen: Neue Modellebestimmen die Zukunft, verlautbartdas Zukunftsinstitut in Kelkheim (D).Wer es pragmatisch mag, muss mit neuenVerhältnissen rechnen – der Weg gehtjetzt in Richtung maximale Flexibilität inallen Lebenslagen. Es sind Faktoren wiesteigende Mobilität, Individualität oderneue Technologien, die bei Investmentsoffenbar für Veränderung sorgen werden.Wer sich für eine innovative Wohnformentscheidet, kann dann seine monetärenVorstellungen und eine optimale persönsondernüber zusätzliche Nutzungsoptioneninnerhalb von Häusern und Quartieren.So wie etwa den Gebrauch eines Gemeinschaftsgartens,einer Küche für alleoder eines Kinos. Es geht um Zugang undVerfügbarkeit statt um Besitz. Shareconomy,der hippe Überbegriff für trendigesTeilen von Ressourcen, wie etwa auchbeim Car-Sharing, wird auf Wohnen übertragen.Was sich nach romantischer Kollektivglückseligkeitohne realistischeBasis anhört, bestätigen bereits andereStudien: Solche Optionen gewinnen starkan Popularität. Wohl nicht zuletzt aufgrundeiner wenig erbaulichen Wirtschaftslage.Die konkrete Folge ist eineräumlich dezentrale Kultur, die auf intensivemGemeinschaftssinn aufbaut. Nicht76 FOKUSAPRIL 2013
Veränderte Werte generieren alternative Szenarien im Wohnbereich.jeder muss wie in früheren – besseren –Zeiten einfach alles selbst haben, durchServiceleistungen und kollaborative Angebotegewinnt das Leben dann deutlichan Flexibilität, das meinen jedenfallsbesagte Experten.Future Home: Die TrendfelderQuelle: Zukunft des Wohnens, Zukunftsinstitut GmbH. 2013OFFENE GRUNDRISSE. Im Fall von ConceptualLiving wiederum wird Wohnenfließend, Zonen lösen starre Strukturenab. Früher war die Nutzung von Räumeneindeutig definiert, heute hingegen dientdas Wohnzimmer unter anderem ganzselbstverständlich gleichermaßen alsHome Office. Welche Fläche wofür genutztwird, avanciert zur ganz eigenenEntscheidung. Offene Grundrisse undmodulare Elemente erlauben es dem Nutzer,durch Möbel die Räume selbst in spezifischeAbschnitte zu untergliedern.Das Starre und Schwere wird von leichten,kombinierbaren Regalen abgelöst. Diesuntermauert die dominierende Denkhaltung:Offenbleiben für Veränderung. Diemächtige Schrankwand gehört damitschon zu den Auslaufmodellen. Stattdessensind Teppiche oder Tapeten wiederhoch im Kurs – weil sie Räumen Identitätverleihen. Aus diesem Grund ist einComeback des Interior-Designs zu erwarten.Bei Smart Being erweist sich Wohnensogar als Medizin, geprägt vom stetigsteigenden Gesundheitsanspruch. Dabeisteht die Natur als Ausgangspunkt imMittelpunkt. Sei es nun in Form einerVitamin-C-Dusche oder der ganz besonderenWandfarbe, die nach dem Prinzipder Photokatalyse Schadstoffe aus derLuft filtert. An die Stelle der Technologietritt die Ökologie als Zukunftsversprechen.Das sogenannte Urban Gardening,also der eigene kleine Gemüseanbau beispielsweiseauf dem Balkon, ist ebenfallsAusdruck jener Entwicklung. Die Industriedürfte schon erste kommerzielle Saatausstreuen: Philips hat den Trend mitdem Konzept „Microbial Home“ aufgegriffen.Es beinhaltet unter dem Namen„Bio-Digester Kitchen Island“ eine Kücheninsel,mit der man die Abfälle inMethangas umwandeln und als Brennstofffür Leuchten nutzen kann.URBANER SAUERSTOFF. Trendfeld vierlautet Health Environment – Stadtluftmacht gesund, selbst wenn das auf denersten „Geruch“ nicht alle glauben werden.Der urbane Lebensraum wird künftigzu einem Umfeld, das seinen BürgernEnergie gibt, statt sie auszulaugen. Hierherrscht großer Bedarf, denn städtischeRealität bedeutet dem Klischee nachmeist viel Stress und Lärm. Mit durchausdramatischen Folgen: Das Schizophrenierisikoist bei Stadtbewohnern doppeltso hoch wie bei Landbewohnern. DasRisiko, an einer Depression zu erkranken,ist etwa 1,4-fach so hoch. ZukunftsfähigeMetropolen werden ihren Bewohnernvor allem eine schwer greifbare undkaum messbare Komponente liefernmüssen: ein Gefühl der Zugehörigkeit sowieidentitätsstiftende Orte, denen mansich verbunden fühlt. Eine integrativeStadt gibt ihren Bewohnern somit dieebenfalls psychologisch fassbare Sicherheiteines funktionierenden sozialenNetzwerks. Third Place Living verfolgtletztlich ähnliche Prinzipien wie CloudComputing, dem Beziehen von IT-Dienstenaus der Wolke des Internets. Immermehr Funktionen des Alltags werden dabeiausgelagert. Ob Angebote wie eineexterne Küche für gelegentliche Kochorgien,wohnzimmerartige Salons oderCo-Working-Spaces: Besondere drittenOrte bieten diverse attraktive Gestaltungsräume,die sich in den flexiblen Alltagdes urbanen Individualisten einflechten.Gerade solche Modelle dürften auchGeldpotenzial in Aussicht stellen, dennAuslagern steht bei Unternehmen nichtzuletzt im Zeichen von Einsparungen,wie Berater und Analysten immer wiederbetonen. Leicht denkbar also, das solchegezielten Vorgehensweisen jungen Menschenin manchen Fällen leistbares Wohnenermöglichen und auf der anderenSeite bislang unbekannte Geschäftsideenauf den Plan rufen, wo externe ProfisDienste anbieten können. Letztlich läuftes auf ein verändertes Lebensgefühl heraus:„Ich fühl mich zu Hause!“ ist eineAussage, die sich dann nicht mehr nurauf die private Wohnung beschränkendürfte. Das gilt insbesondere für die Zielgruppeder 20- bis 30-Jährigen, die häufigund gerne Serviceangebote in Anspruchnimmt. Outsourcen wird vonihnen als echte Steigerung der Lebensqualitätgesehen. Spezialisierte externePlätze steigen zu aktiven Knotenpunktenim individuellen Network auf. Dannmuss sich die bunte Theorie nur noch inwohnbare Wirklichkeit verwandeln ... APRIL 2013FOKUS 77