behandlung - Fachverband Sucht eV
behandlung - Fachverband Sucht eV
behandlung - Fachverband Sucht eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Leitbild und Positionen des FVS<br />
b) Das Modell der indikationsgestützten<br />
Zuweisung<br />
Dieses Modell, das auch Grundlage des Behandlungssystems<br />
in Deutschland ist, folgt<br />
einer anderen Logik. Zielsetzung hierbei ist<br />
es, dass der Betroff ene die richtige Intervention<br />
zum richtigen Zeitpunkt erhält. Dieses<br />
Modell ist sicherlich komplizierter als das<br />
Stepped-Care-Modell, da es nicht der einfachen<br />
Regel einer Zunahme der Intensität<br />
der Intervention bei Nichtwirkung einer geringeren<br />
Interventionsstufe folgt. Die Problematik<br />
veranschaulicht die Abb. 34.<br />
Wir haben es bei suchtkranken Menschen<br />
mit unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
und Bedarfslagen zu tun. Doch welche ist<br />
nun die passgenaue Intervention für die Betroff<br />
enen? Vor einigen Jahren war die Ant-<br />
wort noch relativ einfach, denn die Möglichkeiten<br />
der Behandlung waren beschränkt,<br />
erst ab 1991 ist beispielsweise die<br />
ambulante Entwöhnung zur stationären<br />
dazu gekommen. Doch heute ist die Frage<br />
der adäquaten Indikationsstellung deutlich<br />
schwieriger zu beantworten, denn wir haben<br />
es mit einer zunehmenden Diff erenzierung<br />
des Behandlungssettings und der entsprechenden<br />
Therapiedauern zu tun.<br />
Beispielhaft für die unterschiedlichen Behandlungssettings<br />
und Therapiedauern<br />
sind die Leistungen der DRV Bund in Abb.<br />
35 aufgelistet.<br />
Die weitere empirische Absicherung von Indikationskriterien<br />
hinsichtlich der Entscheidung<br />
darüber, welche Behandlung für welchen<br />
abhängigen Menschen am eff ektivs-<br />
Abb. 35: Bewilligungsdauer bei unterschiedlichen Leistungs- und Therapieformen – DRV Bund<br />
(Rundschreiben 23.02.2012)<br />
Medizinische Rehabilitation Leistungsform Bewilligungsdauer<br />
Alkohol und Medikamente<br />
Drogenabhängigkeit<br />
Alkohol (stationäre)<br />
Stationär<br />
Teilstationär<br />
Ambulant<br />
Adaption<br />
Stationär<br />
Teilstationär<br />
Ambulant<br />
Adaption<br />
Berechnungsart<br />
Standardtherapie<br />
Kurzzeittherapie<br />
Wiederholungs<strong>behandlung</strong><br />
Kombi-Behandlung<br />
Auff ang<strong>behandlung</strong><br />
8/12/15 Wochen<br />
12 Wochen<br />
6–18 Monate<br />
Bis zu 12 Wochen<br />
13–26 Wochen<br />
16 Wochen<br />
6–18 Monate<br />
Bis zu 16 Wochen<br />
Verweildauerbudgets<br />
12–15 Wochen<br />
Bis zu 8 Wochen<br />
Bis zu 10 Wochen<br />
Bis zu 8 Wochen<br />
6 Wochen<br />
Abb. 36: Indikationsentscheidung entlang eines Kontinuums (Schneider, Buschmann, Gies,<br />
1999)<br />
Schweregrad der Störung<br />
(seelisch, körperlich, sozial)<br />
gering � eher ambulant eher stationär � hoch<br />
Prognosefaktoren<br />
(soziales Umfeld, Beruf, Wohnsituation) – Teilhabe<br />
günstig � eher ambulant eher stationär � ungünstig<br />
Fähigkeit zur Abstinenz<br />
gut � eher ambulant eher stationär � schlecht<br />
Abb. 37: Vorzüge ambulanter bzw. stationärer Behandlung (in Anlehnung an Geyer, 2006)<br />
Ambulante und ganztägig ambulante<br />
Behandlung<br />
Stationäre Behandlung<br />
• Verbleib in den bisherigen Lebensbezügen • Herausnahme aus pathogenem oder <strong>Sucht</strong>verhalten<br />
stützenden Umfeld<br />
• Leichtere Einbindung der Familie und wichti- • Schutzfunktion<br />
ger Bezugspersonen<br />
• Kontinuierliche Erprobung gewonnener Fähigkeiten<br />
im alltäglichen Lebenskontext<br />
• Berufl iche Tätigkeit muss nicht unterbrochen<br />
werden (nur ambulante Rehabilitation)<br />
• Intensive hochstrukturierte integrierte Behandlung<br />
durch ein multiprofessionelles Team<br />
• Lern-, Übungs- und Trainingsfeld für unterschiedliche<br />
Lebensbereiche<br />
ten ist, ist noch eine Zukunftsaufgabe, jedoch<br />
haben sich auf Expertenebene bereits<br />
entsprechende Anhaltspunkte und Zuweisungskriterien<br />
herausgebildet.<br />
Hinsichtlich der Auswahl des Behandlungssettings<br />
sind verschiedene Faktoren im<br />
Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen<br />
(s. Abb. 36).<br />
In der Gesamtsicht der genannten drei Indikationskriterien<br />
„Schweregrad der Störung“,<br />
„Prognosefaktoren“ und „Fähigkeit<br />
zur Abstinenz“ wird man eher zu einer ambulanten<br />
Rehabilitation neigen, wenn sich<br />
der Patient auf der linken Seite des Kontiniuums<br />
befi ndet, zu einer stationären,<br />
wenn er sich auf der rechten Seite befi ndet.<br />
Die Indikationsstellung für eine ganztägig<br />
ambulante Behandlung, wie auch für Kombinationsmodelle<br />
wird sich zwischen diesen<br />
Polen bewegen. Die jeweiligen Settings<br />
haben ihre jeweiligen Vorzüge und Nachteile,<br />
welches es, bezogen auf den einzelnen<br />
Patienten, abzuwägen gilt. Diese sind beispielhaft<br />
in der Abb. 37 benannt.<br />
Grundsätzlich ist die Diff erenzierung des<br />
Behandlungsspektrums und entsprechender<br />
-angebote zu begrüßen. Im Einzelfall ist<br />
zu prüfen, welche Behandlungsform für<br />
welchen Patienten am geeignetsten erscheint.<br />
Ambulante, teilstationäre und stationäre<br />
oder kombinierte Behandlungsangebote<br />
richten sich an unterschiedliche<br />
Zielgruppen (Arend 1999; <strong>Fachverband</strong><br />
<strong>Sucht</strong> e. V., 2000; Kulick, 1999; Schneider et<br />
al., 1999; Veltrup, 2001; Lindenmeyer, 2010).<br />
Die Pluralität von Behandlungsangeboten<br />
und Angebotsstrukturen bildet die Grundlage<br />
dafür, dass eine Individualisierung und<br />
Flexibilisierung der Behandlung und das im<br />
SGB IX verankerte Wunsch- und Wahlrecht<br />
überhaupt erst realisiert werden können.<br />
Von daher benötigen wir auch zukünftig<br />
diff erenzierte und passgenaue Behandlungsangebote<br />
in der medizinischen Rehabilitation.<br />
Der Zugang zu den passgenauen<br />
Leistungen der medizinischen Rehabilitationsleistungen<br />
sollte bedarfsgerecht erfolgen.<br />
Von daher sollte sich die Auswahl des<br />
Behandlungssettings (ambulante, stationäre,<br />
mobile Rehabilitation) am vorhandenen<br />
Rehabilitationsbedarf ausrichten.<br />
Der bisherige Sozialbericht im ambulanten<br />
Bereich sollte sich deshalb stärker an der<br />
ICD-10 und der ICF (Internationale Klassifi -<br />
kation der Funktionsfähigkeit, Behinderung<br />
und Gesundheit) der WHO (Weltgesundheitsorganisation)<br />
orientieren, um auf der<br />
Basis eines bio-psycho-sozialen Behandlungsparadigmas<br />
entsprechende Rückschlüsse<br />
auf den jeweiligen Schweregrad<br />
und Behandlungsbedarf zu ermöglichen.<br />
Zu empfehlen wäre auch der Einsatz eines<br />
spezifi schen Screeningsbogens, der zur Differenzierung<br />
des Behandlungsbedarfs und<br />
der Fallschwere dient. Um die Frühzeitigkeit<br />
und Nahtlosigkeit der Inanspruchnahme zu<br />
28 <strong>Sucht</strong>Aktuell l 2 · 2012