behandlung - Fachverband Sucht eV
behandlung - Fachverband Sucht eV
behandlung - Fachverband Sucht eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Leitbild und Positionen des FVS<br />
Denkansatz ist im Bereich der <strong>Sucht</strong>krankenhilfe<br />
und -<strong>behandlung</strong> bereits langfristig<br />
fest verankert, denn das bio-psycho-soziale<br />
Modell bildet – im deutlichen Unterschied<br />
zu somatischen Indikationen – die<br />
zentrale Grundlage des Handelns. Die Folgen<br />
des chronischen <strong>Sucht</strong>mittelkonsums<br />
können vielfältiger Art sein.<br />
Die Entwöhnungs<strong>behandlung</strong> als medizinische<br />
Rehabilitationsleistung bei Abhängigkeitserkrankungen<br />
ist eingebettet in eine<br />
Gesamtstrategie, welche die Prävention,<br />
niedrigschwellige Angebote, die Beratungs-<br />
und Behandlungsangebote im engeren Sinne<br />
und repressive Maßnahmen umfasst (s.<br />
Nationale Strategie zur Drogen- und <strong>Sucht</strong>politik<br />
der Drogenbeauftragten der Bundesregierung,<br />
2012). Von entscheidender Bedeutung<br />
für die Weiterentwicklung des Behandlungssystems<br />
sind die gesellschaftlichen,<br />
gesundheitspolitischen und fi nanziellen<br />
Rahmenbedingungen, welche nicht nur<br />
einen Einfl uss auf die Innovationsfähigkeit<br />
des <strong>Sucht</strong>hilfesystems, sondern auch auf die<br />
Qualität der Behandlungsangebote, die Zugangswege<br />
zur Entwöhnungs<strong>behandlung</strong><br />
und die Bedarfsgerechtigkeit sowie Inanspruchnahmehäufi<br />
gkeit haben. Aus fachlicher<br />
Sicht sind für die zukünftige Ausgestaltung<br />
des <strong>Sucht</strong>hilfesystems insbesondere<br />
folgende Aspekte zu beachten:<br />
– Förderung eines frühzeitigen Zugangs zu<br />
bedarfsgerechten Beratungs- und Behandlungsangeboten<br />
durch Stärkung<br />
der Frühinterventionen in unterschiedlichen<br />
Handlungsfeldern<br />
– Erweiterung niedrigschwelliger Zugangswege<br />
zur <strong>Sucht</strong>beratung und -<strong>behandlung</strong><br />
– Verbesserung des Schnittstellenmanagements<br />
zwischen den Versorgungssektoren<br />
(z.B. Vernetzung der <strong>Sucht</strong>krankenhilfe<br />
mit Jobcentern, Agenturen für<br />
Arbeit, akutmedizinischen Einrichtungen,<br />
niedergelassenen Psychotherapeuten,<br />
Alten- und Pfl egeheimen, Einrichtungen<br />
der Jugendhilfe)<br />
– Weiterentwicklung passgenauer Angebote<br />
(z.B. altersgerechte Angebote, Berücksichtigung<br />
geschlechtsspezifi scher<br />
Inhalte, Spezifi zierung der Angebote hinsichtlich<br />
der Fallschwere und besonderer<br />
Behandlungsbedarfe wie z.B. Multikomorbidität,<br />
schädlicher Konsum von<br />
<strong>Sucht</strong>mitteln, suchtmittelspezifi sche Angebote<br />
[wie z.B. für Cannabisabhängige]<br />
sowie spezielle Angebote für die Behandlung<br />
des Pathologischen PC-/Internetgebrauchs)<br />
– Stärkere Nutzung elektronischer Medien<br />
bei der Beratung und Behandlung (z.B.<br />
im Bereich der Prävention und Frühintervention,<br />
im Bereich der poststationären<br />
Nachsorge, hinsichtlich der Kommunikation<br />
zwischen Leistungserbringern)<br />
– Bedarfsgerechte Ausgestaltung des<br />
<strong>Sucht</strong>hilfesystems (inkl. der Zurverfügungstellung<br />
erforderlicher fi nanzieller<br />
Mittel für die ambulanten <strong>Sucht</strong>beratungsstellen<br />
oder für medizinische Rehabilitationsleistungen)<br />
– Zurverfügungstellung bedarfsgerechter<br />
Leistungen zur Förderung der Teilhabe<br />
am Arbeitsleben (z.B. Arbeitsmarktinstrumente<br />
für arbeitslose <strong>Sucht</strong>kranke) sowie<br />
zur Teilhabe an der Gesellschaft (z.B. Angebote<br />
des Betreuten Wohnens, tagesstrukturierende<br />
Angebote für chronischmehrfach<br />
beeinträchtigte <strong>Sucht</strong>kranke).<br />
Aufgrund der beschränkten Ressourcen<br />
wird sich zukünftig die Diskussion darüber<br />
verschärfen, welche Leistungen im Gesundheitsbereich<br />
solidarisch erbracht werden<br />
können und wie unser Sozialstaat konkret<br />
ausgestaltet werden soll. Zunehmend gerät<br />
die Prüfung der Angemessenheit, Wirksamkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit von personenbezogenen<br />
Gesundheitsleistungen in den<br />
Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Betrachtung.<br />
Um die Behandlung auf eine objektivierbare<br />
Basis zu stellen und um Entwicklungsverläufe<br />
sowie Veränderungen im Behandlungssystem<br />
beschreiben zu können, legt<br />
der FVS seit dem Jahr 1997 einrichtungsübergreifende<br />
Daten zur Basisdokumentation<br />
sowie ab dem Entlassjahrgang 1996<br />
jährlich Studien zur Wirksamkeit der Behandlung<br />
vor.<br />
Angesichts sich deutlich verändernder Rahmenbedingungen<br />
wird eine grundsätzliche<br />
Positionsbestimmung umso notwendiger.<br />
Der FVS liefert mit diesem Papier eine Diskussionsgrundlage<br />
zur Gesamtentwicklung<br />
des Gesundheits- und Rehabilitationssystems<br />
sowie zur ökonomischen Bedeutung,<br />
zum gegenwärtigen Stand, zur Eff ektivität<br />
sowie zu den erforderlichen Entwicklungen<br />
des Behandlungssystems für abhängigkeitskranke<br />
Menschen. Wir möchten damit<br />
einen Anstoß für einen kritischen Dialog<br />
mit Politikern, Vertretern der Leistungsträger,<br />
anderen Organisationen und Verbänden,<br />
Einrichtungen der <strong>Sucht</strong>krankenhilfe,<br />
Fachleuten und Experten sowie dem Selbsthilfesystem<br />
geben.<br />
2. Zentrale Entwicklungen im Gesundheitssystem und<br />
in der medizinischen Rehabilitation<br />
Im Weiteren wird auf folgende Aspekte eingegangen:<br />
• Das Reha-Budget: Der Deckel hält nicht<br />
mehr (s. 2.1)<br />
• Psychische Gesundheit – Ein prioritäres<br />
Gesundheitsziel der Zukunft (s. 2.2)<br />
• Zukünftige Veränderungen im Gesundheitssystem<br />
und in der medizinischen<br />
Rehabilitation (s. 2.3)<br />
• Gestaltung der aktuellen und zukünftigen<br />
Rahmenbedingungen der medizinischen<br />
Rehabilitation – Forderungen des<br />
FVS (s. 2.4)<br />
2.1 Das Reha-Budget: Der<br />
Deckel hält nicht mehr<br />
Aufgrund der demographischen Alterung<br />
der Bevölkerung, der längeren Lebenserwartung<br />
und dem drastischen Geburten-<br />
rückgang in den Industrienationen nimmt<br />
auch das erwerbstätige Potential ab, sofern<br />
nicht entsprechend gegengesteuert wird.<br />
Diese Entwicklung hat erhebliche gesellschaftliche<br />
und arbeits- und sozialpolitische<br />
Konsequenzen.<br />
Die Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung<br />
in den Jahren 2009 bis 2060 zeigt<br />
Abb. 4.<br />
Eine aktuelle Studie von Prognos (2011)<br />
geht davon aus, dass die Zahl der Menschen<br />
im erwerbsfähigen Alter von 2008<br />
– 2025 um 6,50 Mio. sinken wird. Für die<br />
Zukunft ist von daher mit einer deutlichen<br />
Zuspitzung des Fachkräfteengpasses zu<br />
rechnen. Vor diesem Hintergrund ist es<br />
politischer Wille durch verschiedene Maßnahmen<br />
die Fachkräftebasis der Zukunft<br />
zu sichern. Hierzu gehört auch die Verlängerung<br />
der Lebensarbeitszeit und die Be-<br />
schäftigungssicherung älterer Arbeitnehmer.<br />
Ohne arbeitsmarktpolitische Maßnahmen<br />
würde im Jahr 2025 die Gesamtzahl<br />
der Erwerbstätigen um 4 Mio. sinken.<br />
Die Zahl der Erwerbstätigen im Alter von<br />
55 und mehr Jahren würde dabei um rd.<br />
1,8 Mio. steigen. Zielsetzung der Bundesregierung<br />
ist es, dass die Zahl der älteren<br />
Erwerbstätigen im Alter von 55 und mehr<br />
Jahren bis zum Jahr 2025 deutlich mehr,<br />
nämlich um 3,2 Mio. auf 9,4 Mio. anwächst.<br />
Damit wäre jeder 4. Erwerbstätige<br />
älter als 55 Jahre. Folge davon ist, dass<br />
eine Erhöhung des Reha-Budgets um die<br />
jährliche Bruttolohnsummensteigerung<br />
allein schon aufgrund demographischer<br />
Entwicklungen nicht mehr ausreichen<br />
wird, um den wachsenden Bedarf zu sichern.<br />
Prognos geht davon aus, dass die<br />
Anzahl der erwerbstätigen Rehabilitanden<br />
aufgrund arbeitsmarktpolitischer Ini-<br />
8 <strong>Sucht</strong>Aktuell l 2 · 2012