behandlung - Fachverband Sucht eV
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ihrer körperlichen, psychiatrisch-neurologischen<br />
und sozialen Mehrfachbeeinträchtigungen<br />
auf eine dauerhafte und intensive<br />
stationäre Behandlung angewiesen sind,<br />
bis hin zu Patienten mit entwicklungsfähigen<br />
Ressourcen und Kompetenzen für ein<br />
weitgehend autonomes Leben. Die Bewohner<br />
brauchen unterschiedliche Hilfen, Fördermöglichkeiten<br />
und Betreuungsangebote.<br />
Diesen Anforderungen wird durch eine<br />
zunehmende Spezialisierung und Diff erenzierung<br />
innerhalb der Einrichtungen und<br />
der Entwicklung weiterführender externer<br />
Angebote Rechnung getragen. Hierbei haben<br />
sich die Einrichtungen an den besonderen<br />
Behandlungsbedarfen ihrer Patienten<br />
auszurichten:<br />
• So müssen soziotherapeutische Betreuungseinrichtungen<br />
für stark körperlich beeinträchtigte<br />
Bewohner behindertengerecht<br />
sein und für desorientierte Menschen<br />
räumliche Orientierungshilfen bieten.<br />
• Bewohner mit ausgeprägter psychiatrischer<br />
Komorbidität benötigen eine intensive<br />
Betreuung sowie eine psychiatrischneurologisch<br />
und medikamentöse Mit<strong>behandlung</strong>.<br />
• Ältere Abhängigkeitskranke mit deutlich<br />
reduzierten körperlichen und kognitiven<br />
Fähigkeiten benötigen viel Unterstützung<br />
im Alltag, oftmals auch aktivierende und<br />
mobilisierende Pfl ege sowie Zeit und<br />
Raum für persönliche Gespräche. Auch<br />
die Sterbebegleitung stellt eine Herausforderung<br />
bei älteren und schwer erkrankten<br />
Bewohnern dar.<br />
• Für Bewohner, die eine intensive stationäre<br />
Betreuung nicht mehr brauchen, existieren<br />
Außenwohngruppenangebote, die<br />
als Übergang und Vorbereitung zu einem<br />
selbstständigen und unabhängigen Leben<br />
genutzt werden können. Diese werden<br />
zunehmend ergänzt durch weitere<br />
Angebote zum betreuten Wohnen oder<br />
Tagesstätten.<br />
Generelle Zielsetzung ist es, eine bedarfsgerechte,<br />
optimale, qualifi zierte und diff e-<br />
renzierte Versorgung für chronisch mehrfach<br />
beeinträchtigte Patienten zu gewährleisten.<br />
Dies erfordert eine individuelle therapeutische<br />
Zielplanung, die sich nicht nur<br />
an den Defi ziten, sondern auch an den vorhandenen<br />
Potentialen und Ressourcen ausrichtet<br />
und diese gezielt fördert. Die Arbeit<br />
in der Soziotherapie ist meist methodenund<br />
therapieschulenübergreifend, sie ist<br />
Lebens- und Überlebenshilfe, handlungsorientiert<br />
und auf die Erlangung konkreter<br />
Alltagskompetenzen bezogen. Das Zusammenleben<br />
dient als Erfahrungs- und Lernfeld<br />
und bildet den Ausgangspunkt für eine<br />
realistische Orientierung nach außen. Der<br />
Therapieansatz umfasst von daher Einzelund<br />
Gruppengespräche, Beschäftigungs-,<br />
Sport-, Bewegungs- und Arbeitstherapie<br />
sowie freizeitpädagogische Maßnahmen.<br />
Darüber hinaus werden auch neuropsychologische<br />
Trainings, medizinische Betreuung,<br />
Möglichkeiten zur Selbstversorgung,<br />
externe Praktika und externes betreutes<br />
Wohnen von verschiedenen Einrichtungen<br />
angeboten. Um die Zielsetzung des schrittweisen<br />
Aufbaus und der Erweiterung individuell<br />
noch vorhandener Ressourcen zur<br />
(Wieder-) Erlangung von Alltagskompetenzen<br />
zu erreichen und damit die Voraussetzung<br />
für eine weitestgehend selbständige<br />
Lebensführung zu schaff en, ist ein klientenzentriertes,<br />
fl exibles Angebot erforderlich.<br />
In den soziotherapeutischen Einrichtungen<br />
wird den Betroff enen ein stimulierendes,<br />
stabilisierendes und abstinentes Umfeld zur<br />
Verfügung gestellt, welches Voraussetzung<br />
für ein suchtmittelfreies Leben und das Erlernen<br />
bzw. Wiedererlernen von Fähigkeiten<br />
und lebenspraktischen Fertigkeiten, die<br />
zur Lebensführung und -bewältigung notwendig<br />
sind, bildet. Die Bewohner sollen<br />
über eine mittel- bis langfristig angelegte<br />
Perspektive und eine qualifi zierte Betreuung<br />
und Anleitung zu einer weitgehend<br />
autonomen und abstinenten Lebensweise<br />
befähigt werden (vgl. Heide, 1994). Im Einzelfall<br />
ist auch eine überdauernde stabilisie-<br />
Sonderausgabe<br />
rende und stützende Betreuung in einem<br />
soziotherapeutischen Heim erforderlich.<br />
Kostenträger von soziotherapeutischen<br />
Einrichtungen ist meist der Sozialhilfeträger<br />
im Rahmen des SGB XII.<br />
Die Eff ektivität soziotherapeutischer Maßnahmen<br />
konnte durch verschiedene Wirksamkeitsstudien<br />
(Steingass und Verstege,<br />
1993; Steingass, 1994; Fachausschuss Soziotherapie,<br />
2010) nachgewiesen werden.<br />
Durch gezielte Förderung können auch<br />
bei erheblich beeinträchtigten Bewohnern<br />
noch nach Jahren, weit jenseits der<br />
Spontanerholungsphase, beachtliche Verbesserungen<br />
körperlicher, seelischer, kognitiver<br />
und sozialer Kompetenzen erreicht<br />
werden.<br />
Im Zuge der Festlegung des Hilfebedarfs<br />
bei Maßnahmen der Eingliederungshilfe für<br />
Behinderte muss der spezifi sche Betreuungsbedarf<br />
hinsichtlich Inhalt und Umfang<br />
für chronisch suchtkranke Menschen entsprechend<br />
berücksichtigt werden.<br />
Eine erhebliche Herausforderung für die soziotherapeutischen<br />
Heime stellt die gesetzliche<br />
Forderung dar, dass bis zum Jahr 2018<br />
zu 80 % Einzelzimmer vorgehalten werden<br />
müssen. Hierfür sind erhebliche Investitionen<br />
erforderlich.<br />
Zunehmend im Ausbau befi nden sich Angebote<br />
des Betreuten Wohnens oder tagesstrukturierender<br />
Angebote sowie von spezifi<br />
schen ambulanten Betreuungsleistungen,<br />
die je nach Bedarfslage zum Einsatz<br />
kommen.<br />
Darüber hinaus muss die möglichst hohe<br />
Qualität der soziotherapeutischen Angebote<br />
auch zukünftig im Rahmen leistungsbezogener<br />
Vergütungssysteme ermöglicht<br />
werden. Es sei darauf verwiesen, dass für<br />
die Gruppe chronisch mehrfach beeinträchtiger<br />
Alkoholabhängiger auch intensive,<br />
hochstrukturierte ambulante Behandlungsmodelle<br />
(ALITA) entwickelt wurden<br />
(Ehrenreich et al., 1997).<br />
6. Planung und Vernetzung der Angebotsstrukturen für<br />
suchtkranke Menschen<br />
In Deutschland hat sich traditionell eine<br />
Vielzahl an unterschiedlichen professionellen<br />
Hilfsangeboten und Zuständigkeiten in<br />
den verschiedenen Versorgungssektoren<br />
entwickelt, welche es dem Betroff enen<br />
nicht einfach macht, sich zu orientieren. Je<br />
nachdem, welcher Hilfebedarf im Einzelfall<br />
den Ausschlag für die Suche nach einem<br />
entsprechenden Angebot gibt, landet der<br />
Betroff ene in unterschiedlichen Strukturen<br />
und Hilfesystemen. (s. Abb. 81)<br />
Erschwert wird die Orientierung zusätzlich<br />
dadurch, dass die Vernetzung der unterschiedlichen<br />
Sektoren und Anbieter häufi g<br />
zu wünschen übrig lässt. Da sich jeder Anbieter<br />
insbesondere um sein spezifi sches<br />
Aufgabenfeld kümmert, kann man nicht<br />
davon ausgehen, dass bei einem komplexen<br />
Hilfebedarf die grundsätzlichen und<br />
vielfältigen Probleme überhaupt erkannt<br />
und dann auch noch fachkompetent behandelt<br />
bzw. angegangen werden. Dies hat<br />
sicherlich auch damit zu tun, dass in einem<br />
gegliederten Sozialversicherungs- und Gesundheitssystem<br />
die Zuständigkeiten der<br />
jeweiligen Leitungsträger in unterschiedlichen<br />
Sozialgesetzbüchern geregelt sind<br />
und von daher eine übergreifende Teilhabefeststellung<br />
und -planung fehlt.<br />
Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung<br />
des SGB IX für den Bereich der Rehabilitation<br />
versucht, die Zusammenarbeit an<br />
<strong>Sucht</strong>Aktuell l 2 · 2012 59