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Amazonien: Stadt, Land, Fluss - FDCL

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bietet die Amazonasregion doch Möglichkeiten<br />

für die wirtschaftlichen Eliten, sich enorm zu<br />

bereichern. So existiert eine Gleichzeitigkeit des<br />

Ungleichzeitigen in <strong>Amazonien</strong>: Moderne wirtschaftliche<br />

Entwicklung, in Brasilien seit der Militärdiktatur<br />

staatlich gefördert, existiert neben<br />

politischen Strukturen, die aus dem Mittelalter<br />

stammen. Die Klientelsysteme der Mächtigen<br />

haben bislang erfolgreich verhindert, dass sich<br />

ein Rechtsstaat hätte etablieren können.<br />

Die neuen wirtschaftlichen Entwicklungen bringen<br />

naturgemäß Konflikte mit der Bevölkerung,<br />

die seit Jahrhunderten in der Region ansässig ist.<br />

Gerade im weitläufigen <strong>Amazonien</strong> leben viele<br />

Menschen von der Subsistenzwirtschaft und sind<br />

kaum in die Weltwirtschaft integriert. Dabei handelt<br />

es sich mitnichten nur um indigene Gruppen,<br />

Vozes da Amazônia<br />

auch viele Nachfahren von Weißen und Schwarzen<br />

leben als so genannte ribeirinhos an den Ufern<br />

der großen Flüsse von Fischfang und Ackerbau.<br />

Ihr <strong>Land</strong> wird nun beansprucht für die Produktion<br />

für den Weltmarkt. Da es keine einheitliche Registrierung<br />

des <strong>Land</strong>es in <strong>Amazonien</strong> gibt, weiß<br />

kaum jemand genau, wem welches <strong>Land</strong> eigentlich<br />

gehört. Fast 50 Prozent des Territoriums der<br />

Amazonasregion ist umstritten, das heißt mehrere<br />

Parteien beanspruchen es.<br />

Laut einem Bericht der brasilianischen Bundesregierung<br />

aus dem Jahre 1999 wurden in <strong>Amazonien</strong><br />

mittels gefälschter Urkunden annähernd 100<br />

Millionen Hektar <strong>Land</strong> illegal angeeignet. Und ein<br />

parlamentarischer Untersuchungsausschuß der<br />

brasilianischen Abgeordnetenkammer zur Überprüfung<br />

der illegalen Aneignung von <strong>Land</strong> in <strong>Amazonien</strong><br />

konstatierte im Jahr 2001 allein für den<br />

Bundesstaat Pará 30 Millionen Hektar, für den Bun-<br />

desstaat Amazonas 37 Millionen Hektar illegal angeeigneten<br />

<strong>Land</strong>es. Der Untersuchungsausschuß<br />

berichtete von dem Fall eines Großgrundbesitzers<br />

namens Carlos Medeiros, der sich mittels 1.200<br />

gefälschter Eigentumsurkunden mehr als 13 Millionen<br />

Hektar <strong>Land</strong> angeeignet hatte. Nur: Carlos<br />

Medeiros gab es nicht, es war ein fiktiver Name,<br />

den die Hintermänner für ihre illegale <strong>Land</strong>aneignung<br />

und den munteren Weiterverkauf nutzten,<br />

gedeckt und in Kumpanei mit der lokalen Justiz.<br />

Dass der Vorteil bei den <strong>Land</strong>konflikten bei den<br />

Reichen und Mächtigen liegt, ist offensichtlich.<br />

Gerade die Amazonasregion ist geprägt von einer<br />

extremen Straflosigkeit, jedenfalls für die Verbrechen<br />

der wirtschaftlichen Eliten. Diese können<br />

sich widerrechtlich riesige Ländereien aneignen,<br />

ohne das sie irgendetwas von den örtlichen Ge-<br />

„In <strong>Amazonien</strong> gibt es eine Bevölkerungsgruppe, die<br />

vielen unbekannt ist und von unseren Regierenden<br />

häufig ignoriert wird – das sind wir quilombolas. Wir<br />

sind Nachkommen afrikanischer Sklaven, die vor den<br />

Großgrundbesitzern flüchteten und im Wald neue<br />

Gemeinschaften gegründet haben. Unsere Vorfahren<br />

mussten flüchten, aber heute müssen wir allen zeigen,<br />

wer wir sind und dass wir profunde Kenner <strong>Amazonien</strong>s<br />

sind.“<br />

Erika Monteiro<br />

Associação dos Quilombolas do Estado do Pará MALUNGU<br />

Stimmen aus <strong>Amazonien</strong><br />

richten zu befürchten haben. Wer sich den Interessen<br />

der Eliten in den Weg stellt, steht auf deren<br />

Abschusslisten; und das im wahrsten Sinne des<br />

Wortes: In fast allen Städten <strong>Amazonien</strong>s sind<br />

in bestimmten Bars oder anderen öffentlichen<br />

Orten Listen einzusehen, auf denen die Namen<br />

von GewerkschafterInnen, MenschenrechtlerInnen,<br />

AnführerInnen von <strong>Land</strong>arbeiterbewegungen<br />

und UmweltschützerInnen mit einem Preis<br />

daneben stehen. Dieser Preis wird gezahlt, wenn<br />

die entsprechende Person umgebracht wurde. Der<br />

Mord an einer AnführerIn von einer <strong>Land</strong>arbeitergewerkschaft<br />

bringt etwa 1.000 US - Dollar ein,<br />

eine MitarbeiterIn der staatlichen Umweltbehörde<br />

IBAMA bringt es dagegen auf über 10.000 US<br />

- Dollar. In der Regel werden – wenn überhaupt<br />

– nur die Auftragsmörder gerichtlich belangt. Diejenigen,<br />

die für die Morde bezahlen, haben kaum<br />

etwas zu befürchten. So wird jede Person, die

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