Amazonien: Stadt, Land, Fluss - FDCL
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den“ gelte. Naturressourcen werden zu Lagerbeständen<br />
von zukünftig an den Terminmärkten<br />
zu handelnden Rohstoffen. Magnólia Said warnt,<br />
dass „die Umsetzung dieser Projekte die Beseitigung<br />
all dessen, was als Hindernis gilt, bewirken<br />
wird: jahrhunderte alte Bäume, kleine Ansiedlungen,<br />
Indigenengebiete, Quilombolagemeinden,<br />
gemeinschaftliche <strong>Land</strong>wirtschaft sowie<br />
kulturelle Traditionen. Gleichzeitig aber bleibt<br />
die soziale Exklusion unberührt bestehen“.<br />
Das brasilianische <strong>Amazonien</strong> durchlaufen<br />
vier der so genannten Integrationsachsen und<br />
beeinflussen damit ein Gebiet von 2,5 Millionen<br />
Hektar <strong>Land</strong>, ein Gebiet, in dem fast ein Viertel<br />
der indigenen Bevölkerung Brasiliens in 107<br />
Vozes da Amazônia<br />
Indigenengebieten lebt. Weitere 484 Gebiete,<br />
die für den Erhalt der Biodiversität als prioritär<br />
klassifiziert sind, liegen in dieser Einflusszone.<br />
Der nordamerikanische Wissenschaftler Tim Killeen,<br />
Direktor des Nationalen Zentrums für Atmosphärenforschung<br />
nennt dieses Szenario den<br />
„perfekten Sturm im Wald <strong>Amazonien</strong>s“. Killeen<br />
kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass<br />
die Auswirkungen der Transport-, Energie- und<br />
Kommunikationsprojekte von IIRSA den Großteil<br />
des Tropenwaldes <strong>Amazonien</strong>s in den nächsten<br />
Dekaden zerstören könnten.<br />
Killeen skizziert den ansteigenden Druck auf<br />
das Ökosystem <strong>Amazonien</strong>s sowie seiner traditionellen<br />
BewohnerInnen und sieht die Ursachen<br />
in der Ausweitung von <strong>Land</strong>- und Viehwirtschaft,<br />
in der Ausbeute von Bodenschätzen und in der<br />
Rodung zur Holzgewinnung. Zudem werden die<br />
Anbauflächen für Bioenergie rapide ansteigen:<br />
„Fehlende Folgenabschätzung für IIRSA bedeutet<br />
einen perfekten Sturm der Umweltzerstörung.<br />
Der größte tropische Regenwald der Welt<br />
sowie die vielfachen Dienste, die er leistet, sind<br />
in Gefahr.“ Killeen resümiert, dass die größte Herausforderung<br />
in der Balance zwischen legitimen<br />
Entwicklungsaussichten und der Wahrung des<br />
amazonischen Ökosystems liege.<br />
Hinzu kommt jedoch, dass IIRSA ein gewaltiges<br />
Demokratiedefizit innewohnt. Grundsätzlich werden<br />
die Projekte als bereits beschlossen bekannt<br />
Was ist das dringendste Problem <strong>Amazonien</strong>s,<br />
dessen sich die brasilianische Regierung und die<br />
internationale Politik annehmen sollten?<br />
Der brasilianische Staat muss endlich anerkennen,<br />
dass <strong>Amazonien</strong> und seine Bewohner ihre Geschichte<br />
selbst konstruieren wollen. Und dass dies nicht in den<br />
politischen Korridoren der Haupstadt Brasília oder an<br />
der Börse von São Paulo geschieht. International wird<br />
<strong>Amazonien</strong> extrem idealisiert. Die beste internationale<br />
Hilfe wäre anzuerkennen, dass die hier ansässigen<br />
Menschen – egal ob Indigene, quilombolas, Kleinbauern<br />
oder Babaçu-Nussknackerinnen – selbstständige Subjekte sind, die mit ihrer<br />
Umwelt interagieren, sie modifizieren und gleichzeitig bewahren. In diesem Sinne<br />
bestände der größte Beitrag zur Entwicklung <strong>Amazonien</strong>s darin, die Wissenschaft<br />
darin zu unterstützen, diese für die Region essentielle Beziehung zu verstehen.<br />
Luiz Cláudio Brito Teixeira<br />
Mitarbeiter des missionarischen Indigenenrats CIMI, Pará<br />
Stimmen aus <strong>Amazonien</strong><br />
gegeben. Die demokratische Debatte beschränkt<br />
sich dann auf die Wege und Mittel zur Anpassung<br />
an diese Unumkehrbarkeiten. In vielen Fällen<br />
wird die lokale Bevölkerung nicht über die direkten<br />
Konsequenzen der geplanten Bauten informiert.<br />
Im ewigen Hader zwischen Wirtschaftswachstum<br />
und Umweltschutz lautet die nur selten gestellte<br />
Frage, welches die eigentlichen Interessen<br />
hinter diesen gleichsam pharaonischen Infrastrukturprojekten<br />
sind: Wem dient die zu produzierende<br />
Energie? Wer gewinnt am Warentransport?<br />
Wer sind die NutznießerInnen der schiffbaren<br />
Flüsse? Welche Strategie steckt dahinter? Für den<br />
Soziologen Luiz Fernando Novoa von der NRO<br />
Rede Brasil wird IIRSA durch die Interessen gro-