Amazonien: Stadt, Land, Fluss - FDCL
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einander entfernt) wurden erträglicher durch den<br />
hohen Konsum von Alkohol, vornehmlich des Zuckerrohr-Schnapses<br />
Cachaça, der zum wöchentlichen<br />
Proviant gehörte und einen bedeutenden<br />
Faktor im Verschuldungskreislauf darstellte.<br />
Wachsende Selbstständigkeit<br />
Nach dem Verlust der Monopolstellung Brasiliens<br />
innerhalb des internationalen Kautschukhandels<br />
kam es zu einer verstärkten Unabhängigkeit<br />
der Kautschukzapfer, die auch während<br />
des zweiten Gummibooms, der sich im Zuge des<br />
Zweiten Weltkriegs entwickelte, bestehen blieb.<br />
Die aufgrund der übermächtigen Konkurrenz der<br />
ostasiatischen Plantagen seit Anfang des 20.<br />
Jahrhunderts anhaltend sinkenden Preise für<br />
brasilianischen Wildkautschuk beeinflussten in<br />
großem Umfang die seringalistas. Die Zapfer jedoch,<br />
die sich mittlerweile in ihrer Lebensweise<br />
dem Ökosystem Regenwald angepasst hatten,<br />
wurden davon weniger berührt.<br />
Der über einen langen Zeitraum gemeinsam<br />
genutzte Lebensraum des Regenwaldes führte<br />
dazu, dass die eingewanderten Zapfer und die<br />
einheimische Bevölkerung in Beziehung zueinander<br />
traten. Es entstanden Verbindungen zwischen<br />
Zapfern und Frauen indigener Gemeinschaften.<br />
Die colocaçoes wurden vielerorts von<br />
Kautschukzapferfamilien bewirtschaftet, die, soweit<br />
es ihnen erlaubt war, weitere wirtschaftliche<br />
Aktivitäten zur Überlebenssicherung entwickel-<br />
ten. Das Ernten eigenen Gemüses, das Jagen von<br />
Tapiren, Hirschen und Kaninchen, der Fischfang<br />
sowie zusätzliche Sammleraktivitäten vervollständigten<br />
die Nahrungsgrundlage der Familien.<br />
In Anbetracht des sich stetig verschlechternden<br />
Tauschverhältnisses für Lebensmittel und Konsumgüter<br />
gewannen sie somit mehr Unabhängigkeit<br />
vom patrão.<br />
Innerhalb der traditionellen Familie existierte<br />
eine klare Rollenverteilung. Der Arbeitstag eines<br />
Zapfers war ausgefüllt mit der Kautschukproduktion<br />
sowie der Jagd und dem Fischfang.<br />
Seiner Frau oblagen der Haushalt, die Betreuung<br />
der Kinder, die Bewirtschaftung von Feld und<br />
Hausgarten sowie die Versorgung von Haustieren.<br />
Die Frauen verbrachten in der Regel viel<br />
Zeit damit, die Ernährung der Kinder zu sichern.<br />
Sie mussten oftmals weite Strecken zu<br />
benachbarten Ansiedlungen zurücklegen, um<br />
beispielsweise Milch im Tausch gegen ein anderes<br />
Lebensmittel zu erhalten. Da die Familien<br />
aufgrund des beschriebenen Systems kaum<br />
über Geld verfügten, etablierte sich innerhalb<br />
der seringais ein Tauschhandel, der bis in die<br />
heutige Zeit existiert.<br />
Zum täglichen Auskommen der Familien trugen<br />
auch die Kinder bei. Bereits ab dem Alter von<br />
acht Jahren halfen sie bei der Bewirtschaftung<br />
von Feld und Hausgarten sowie wenig später<br />
auch bei der Kautschukproduktion mit. Mangels<br />
eines schulischen Bildungsangebots wuchsen<br />
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